Donnerstag, 27. Oktober 2011
Der Fluch
nads, 21:42h
Seit mehr als zweitausend Jahren wandele ich nun schon auf der Erde. Ich – ein Mensch. Ein Mensch mit einer endlosen Lebensspanne und unfähig zu sterben, aber ein Mensch. Nur leider gibt es einen Fehler in dieser Logik. Die Menschen haben etwas was sich Menschenrechte nennt. Sie beinhalten unter anderem die Freiheit der Berufswahl, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Handlungsfreiheit und den Schutz vor entwürdigender, erniedrigender Behandlung. All das wird mir nicht gewährt. Ich bin ein Sklave. Und da ich in den Unterlagen der Menschen nicht existiere habe ich nicht die leiseste Chance gegen mein Schicksal Einspruch einzulegen. Aber wer hat das schon? Wer könnte gegen Knochenbrüche, Krebs oder gar den Tod Einspruch einlegen? Man kann, wie immer im Leben, nur versuchen mit dem, was einem gegeben ist, klarzukommen. Man kann sein Leben nicht einfach umtauschen wie einen kaputten Fernseher.
Selbst nach zweitausend Jahren werde ich noch immer feuerrot, wenn ich einen Moment Zeit finde darüber nachzudenken was ich tue. Glücklicherweise lassen mir die Frauen – und manchmal Männer – zu denen ich gerufen werde kaum Zeit darüber nachzudenken. Was ich tue ist einfach gesagt. Sex, ficken, Geschlechtsverkehr betreiben, poppen. Viele Wörter für ein und dasselbe. Jede Nacht, wieder und wieder. Jede Nacht mit einer anderen.
Ich spiele die männliche Nutte der gesamten Menschheit, dachte ich bekümmert. Ich spürte wie meine Laune sank während ich eine Frau – die mir so unbekannt war, dass mir
nicht mal ihr Name einfiel – betrachtete. Den Kopf auf meinem Oberarm und die Hand über meine Hüfte gelegt, schlief sie neben mir. Im Zimmer war es dunkel. Sie hatte mich gegen einundzwanzig Uhr gerufen und seitdem hatte ich sie vier Mal zum Höhepunkt gebracht. Nun war sie völlig erschöpft eingeschlafen. Gequält schloss ich die Augen. Die dünne Bettdecke, die nur knapp meine Hüfte bedeckte, rieb über meinen noch immer erigierten Penis und sorgte dafür, dass ich nicht zur Ruhe kam.
Mühelos löste ich mich von ihr und krabbelte aus dem Bett. Durch meine Jahrhunderte, sogar Jahrtausende lange Erfahrung fiel es mir leicht mich unbemerkt anzuziehen und hinaus zu schleichen. Am Anfang war ich davon überzeugt gewesen, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis mein Fluch gebrochen werden und ich wieder frei sein würde. Irgendwann kamen mir Zweifel. Ich fragte mich, ob ich dazu verdammt war bis in alle Ewigkeit fremden Frauen jeden Wunsch von den Augen abzulesen, zu erfüllen, selbst nie zu kommen und mir immer wie ein Vibrator mit Denk-Funktion vorzukommen. Inzwischen brauchte ich es mich nicht mehr zu fragen. Ich wusste, dass weder jetzt noch irgendwann jemand meinen Fluch brechen würde.
Langsam schlenderte ich durch die dunklen Straßen Londons. Während ich die altmodischen Laternen, die mit Holzformen verzierten Bänke und den schönen Pflanzenschmuck der ebenso altmodischen Balkons bewunderte, besserte sich meine Stimmung ein wenig. Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Ich wusste, nun hätte ich ein paar wenige, kostbare Minuten, wenn nicht gar Stunden. Stunden in denen ich so tun konnte, als wäre ich ein ganz normaler Mann. Die Nacht war herrlich klar und warm. Am Himmel war nicht eine Wolke zu sehen. Ich beobachtete einen kleinen Schwarm Vögel, die – auf der Flucht vor dem Winter – gen Süden flogen. Man sollte meinen, wenn man so lange gelebt hat wie ich, ist man gegen jeden Schmerz immun, doch als ich die Vögel betrachtete überwältigte mich eine so starke Sehnsucht nach Freiheit, dass mir Tränen in die Augen traten.
Entkräftet sank ich auf eine der Bänke, die ich eben noch bewundert hatte, legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und gestattete mir einen Moment der Schwäche und der Erinnerung. In Gedanken reiste ich in die Vergangenheit.
Ich stand auf einer Straße. Zumindest auf dem was man, vor rund zwei Jahrtausenden, als Straße bezeichnet hatte. Eine Mischung aus Sand und Erde, die über Jahre von Ziegen, Ochsen und Pferden festgetrampelt worden war. Es war Frühling. Das erste Grün wurde gerade erst sichtbar und der Duft von Narzissen und Drachenwurz lag in der Luft. Es war früher Abend und die vom Winter noch stark abgemagerten Menschen, eilten nach einem harten Arbeitstag in ihre Hütten zurück.
Ich ging langsam die Straße hinunter und nahm die Umgebung und die Vergangenheit in mich auf. Ich war nicht mehr zweitausenddreiundvierzig Jahre alt und wünschte mir ein Ende meiner Qualen. Ich war neunzehn. Ein Jungspund der sein Leben noch vor sich hatte. Angefüllt mit Träumen und der Hoffnung auf eine glückliche Zukunft. Ich war groß, trotz meiner schlanken Statur muskulös und wurde im ganzen Dorf für meine Fähigkeiten mit dem Schwert geachtet und von den schönsten Frauen umschwärmt.
,,Hilfe, Hilfe!“, hörte ich ein ganzes Stück weiter eine junge Frau rufen. Mein Körper, durch zahllose Kämpfe und Trainingseinheiten darauf vorbereitet, reagierte sofort und rannte der Stimme entgegen.
Drei Reiter, die aussahen als kämen sie gerade aus einer der vielen Kasernen der Umgebung, hatten ein etwa vierzehn jähriges Mädchen umzingelt. In der damaligen Zeit war es gang und gebe das Frauen, die allein und schutzlos abends herumliefen, vergewaltigt und sogar ermordet wurden. Die Trauer um den Verlust der Töchter und Ehefrauen wird, da bin ich mir absolut sicher, noch in hunderttausend Jahren so betrauert werden wie in vergangener Zeit. Der einzige Unterschied ist die Häufigkeit der Morde und somit die Aufmerksamkeit die ihnen geschenkt wird. Denn Dinge, die selten geschehen, werden intensiver beachtet als alltägliches Unglück. Dabei würde gerade erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber dem was falsch und grausam ist dazu beitragen das Leben und die Welt zu verbessern.
Ich rannte zu dem Mädchen und stellte mich zwischen sie und die Reiter. Auch wenn ich mit beeindruckenden Fähigkeiten mit dem Schwert aufwarten konnte, waren drei zu eins doch zu viel.
Ich drehte mich zu dem Mädchen um. Ihre Schönheit nahm mir fast den Atem. Ihr langes, glänzendes, feuerrotes Haar reichte bis zu ihrer schmalen Taille und betonte diese auf umwerfende Weise. Sie hatte ein schmales Gesicht, was allerdings keineswegs streng oder kalt sondern vielmehr freundlich wirkte. Etwas kleiner als ich, konnte ich ihr problemlos in die Augen sehen, die einen Farbton hatten den ich nie zuvor gesehen hatte. Irgendetwas Dunkles mit einem ganz leichten Rotstich. Wunderschön.
Das alles nahm ich innerhalb von Sekundenbruchteilen war. ,,Lauf weg!“, befahl ich dem Mädchen barsch und drehte mich wieder zu den Reitern um.
,,Du hast uns unseren Spaß vermiest.“, sagte der erste und bulligste der drei. Aus den Augenwinkeln sah ich wie das Mädchen querfeldein fortrannte. In der damaligen Zeit wurden Menschen die für andere eintraten keineswegs verehrt. Sie wurden als dumm und einfältig angesehen. In der vergangenen Zeit, wo eine einzige falsche Bemerkung das Leben fordern konnte, war sich jeder selbst der Nächste.
,,Ich denke, es wäre ein ziemlich einseitiger Spaß gewesen.“, antwortete ich und schob meine Hand unauffällig in die Nähe meines Gürtels, an dem mein Schwert befestigt war. Meine Hoffnung ohne Kampf davon zu kommen, löste sich in Luft auf als zwei der Reiter ihre Position wechselten und ich plötzlich eingekreist war.
Kampf ist meine Stärke, nicht Diplomatie. Und so ist es vermutlich kaum verwunderlich das ich nicht wusste was ich sagen sollte.
,,Leute… kommt. Auf ein Bier. Ich lade euch ein.“
,,Etwas anderes wäre mir persönlich jetzt lieber.“, sagte der bullige, der scheinbar der Anführer war und zog sein Schwert. Hinter mir hörte ich es klirren und begriff, dass auch die anderen zwei ihre Schwerter inzwischen gezogen hatten. Sie stiegen von ihren Pferden und kamen näher. Ich zog ebenfalls mein Schwert, war mir aber vollauf bewusst, dass ich nicht drei gleichzeitig abwehren konnte.
,,Weißt du, eine schöne Prügelei könnte mir auch gefallen.“, sagte der Anführer zu mir. ,,Was hältst du davon?“
Ich wog meine Chancen ab. Einen Schwertkampf gegen drei Soldaten der Kaserne zu überleben war nicht sehr wahrscheinlich. Eine Prügelei schon eher. Ein letzter Blick über die Schulter sagte mir, dass keine Hilfe in Sicht war. Und so straffte ich die Schultern und warf mein Schwert einige Meter von mir fort. Auch wenn ihnen Anstand fremd war, verbot ihnen ihre Männerehre dies auszunutzen und so warfen sie ihre Schwerter meinem hinterher.
,,Dann los!“, sagte der Anführer gut gelaunt.
Prügelei konnte man das, was folgte, wohl kaum nennen. Eher ein draufhauen. Innerhalb von wenigen Sekunden hatten sie es zu dritt geschafft mich zu packen und in eine Position zu bringen in der sie mich – für sie – bequem zusammenschlagen konnten. Irgendwann wurde mir schwarz vor Augen und ich sank in Ohnmacht.
,,Hey, aufwachen!“ Ich brauchte eine Weile bis ich wieder halbwegs bei Sinnen war. Das erste was ich spürte, war der Schmerz, der von einem dumpfen Pochen meiner Nase bis zu dem schneidenden, brennenden meiner Schulter reichte. Ich wimmerte gequält. Als Mann in dieser Zeit gibt man solche Geräusche nur sehr selten von sich und auch wenn sich alles drehte und ich das Gefühl hatte gleich wieder ohnmächtig zu werden unterdrückte ich weitere davon.
,,Bist du wach? Wie geht es dir?“, hörte ich eine hohe Piepsstimme fragen. Ich öffnete die Augen, oder versuchte dies zumindest. Durch einen kleinen Spalt, des Auges das nicht völlig zugeschwollen war, erkannte ich das Mädchen von vorhin wieder.
,,Hervorragend.“, antwortete ich, meine Stimme voll Ironie. Sie lächelte matt, kniete sich neben mich und hob meinen Kopf etwas an um ihn auf ihre Beine zu legen. Als sie dabei meine Schulter bewegte, schrie ich gepeinigt auf. Während ich mit fest geschlossenen Augen versuchte die Schmerzen zu unterdrücken, streichelte sie sanft meine Stirn.
,,Lebt er noch?“, hörte ich eine tiefe Männerstimme fragen.
,,Ja, Vater.“, antwortete das Mädchen.
,,Also schön. Dann lass ihn uns ins Haus bringen.“
Ich spürte wie ihr Vater meinen, scheinbar unversehrten, Arm um seinen Hals legte und mich mit einem Ruck hochzog. Die Schmerzen, die diese brutale, unkontrollierte Bewegung, in mir auslöste waren grausig und ich brauchte alles was ich an Selbstbeherrschung besaß um nicht erneut zu schreien.
Nach einer schieren Ewigkeit wurde ich durch die Tür einer Hütte gezogen. An humpeln war, allein schon wegen meiner Schulter, die sich bei der kleinsten Bewegung in ein Feuerinferno verwandelte, nicht zu denken. Aber selbst wenn doch, verhinderte der Dämmerzustand in dem ich seit meinem Erwachen gefangen war, jede noch so kleine Bewegung.
Ich wurde in ein Bett gezerrt und bis auf meine Unterwäsche völlig ausgezogen. So etwas wie Heizungen oder auch nur Isolierungen gab es nicht und so zitterte ich am ganzen Leib während das Mädchen meine Verletzungen gründlich wusch, kühlte und verband.
Die Kälte und die mangelnde Bewegung linderten meine Schmerzen und brachten mich zurück in die Realität.
,,Ich bin Cassandra.“, stellte sich das Mädchen vor als sie bemerkt hatte das ich wach war.
,,Alexandre“, brachte ich mühsam hervor.
,,Ich weiß.“, antwortete sie während ihr Gesicht einen sanften Rotton annahm. ,,Danke das du mich gerettet hast.“
,,Keine Ursache.“, sagte ich und schaffte es doch glatt ein Lächeln zustande zu bringen.
Sie pflegte mich gesund. Danach trafen wir uns beinah täglich. Innerhalb von wenigen Tagen waren wir fest zusammen. Zu diesem Zeitpunkt liebte ich sie über alle Maßen und war fest davon überzeugt, dass das was wir hatten für die Ewigkeit bestimmt war. Zur damaligen Zeit heirateten Frauen bereits mit dreizehn oder vierzehn Jahren. Wenn ein aufstrebender, angesehener Soldat, in jungem Alter um die Hand einer Bauernstochter wie Cassandra anhielt – und die beiden sich sogar liebten - wurden Nägel mit Köpfen gemacht und so waren wir bereits nach wenigen Wochen verheiratet. Doch bereits vier Monate später ging unsere Beziehung in die Brüche. An den Tag, an dem alles endete, erinnere ich mich noch als wäre es gestern gewesen.
Ich hatte einen Albtraum gehabt und war deshalb früher als sonst zum Frühstück nach unten gekommen. Ich ging sehr leise. Ob es aus Instinkt war oder einfach durch die Kaserne antrainiertes, leises Verhalten was ich unbewusst umsetzte weiß ich nicht. Ich blieb am Fuß der Treppe stehen und betrachtete meine Frau. Ja, ich liebte sie in diesem Moment. Und dennoch spürte ich, dass es irgendwie falsch war. Am Anfang hatte ich es darauf geschoben, dass mir das Eheleben fremd war doch in letzter Zeit waren wir so unserem Tagesablauf gefangen das es nichts ungewohntes mehr gab.
Ich wollte mich gerade bemerkbar machen und ihr einen guten Morgen wünschen, als ich sie eine kleine Flasche aus ihrem Rock ziehen sah. Ich erstarrte und beobachtete wie sie einige Tropfen aus der Flasche in eine vor ihr stehende Tasse gab. Meine Tasse.
,,Hey, was machst du da?“, fragte ich. Alles in mir flehte, es möge nur, wie Zucker, etwas für besseren Geschmack sein und nicht, wie ich vermutete, Gift.
,,Nichts.“, sagte sie in bemüht beiläufigem Ton, der aber nicht über die Angst in ihren Augen hinwegtäuschen konnte.
,,Was hast du mir in die Tasse getan?“
Ich sah wie sie fieberhaft überlegte, wie sie aus dieser Situation hinauskommen konnte. Wäre es Gift, hatte ich das Recht sie auszupeitschen, einzusperren, auf jede erdenkliche Weise zu bestrafen und sogar hinrichten zu lassen.
Sie wich vor mir zurück. Doch ich ergriff blitzschnell ihren Arm, zog sie zu mir, griff in ihre Rocktasche und holte die kleine Flasche heraus. Inzwischen zitterte sie am ganzen Leib.
,,Was ist das?“, fragte ich mühsam beherrscht, während ich die blutrote Flüssigkeit betrachtete.
,,W…W…Wein.“, stotterte sie.
Ich war bereits seit vier Jahren Soldat. In der Zeit hatte ich vieles gelernt. Eines ist die Fähigkeit Lügen – zumindest schlechte – zu durchschauen.
,,Okay. Lass es mich so ausdrücken: Was ist das wirklich?“
Egal womit ich drohte, ich bekam kein weiteres Wort aus ihr raus. So blieb mir keine andere Wahl als zu einer Kräuterfrau zu gehen. Dieser gab ich das Fläschchen und bat sie mir zu sagen was es war. Ein Liebestrank. Zusammengebraut aus einer Mischung verschiedener Kräuter und Blut und mit einem altgriechischen Zauberspruch belegt, musste der trinkende seine Frau nur sehen um sie so sehr zu lieben, dass er sogar für sie sterben würde. Mir wurde schlecht. Die Frau fragte mich noch von welcher Hexe ich den Trank hatte, doch sie hatte nicht gelogen. Auch wenn mir mit jeder Minute klarer wurde, dass meine Liebe zu Cassandra auf diesem Trank beruhte, brachte ich es nicht übers Herz sie als Hexe anzuprangern und dadurch zuzulassen, dass sie gejagt und verbrannt wurde.
Ich schenkte ihr das Haus, was ich für uns beide gekauft hatte, und packte meine Sachen. Noch unter dem Einfluss des Trankes trennte ich mich von ihr. Als ich fort ging, schrie sie mir hysterisch nach, sie würde mich verfluchen.
Ein hilfloses Schluchzen holte mich zurück in die Gegenwart. Ich blickte mich suchend um bis ich, einige hundert Meter weiter, vier Jugendliche und ein etwa ebenso altes Mädchen sah. Sie hatten sie an einer Hauswand vor eine Buchladen eingekesselt und waren schon fast damit fertig ihr die Kleider vom Leib zu reißen. Während sie an ihrem BH zerrten und sie hemmungslos begrapschten, versuchte sie weinend ihre Blöße zu bedecken.
Manche Dinge ändern sich wohl nie, dachte ich angewidert. Keine fünf Sekunden nachdem ich sie hatte, war ich bereits dort und riss die Jungs von dem Mädchen runter. Dann griff ich mir den erstbesten den ich zu fassen bekam, hob ihn am Kragen hoch, zog ihm mit der freien Hand sowohl Hose als auch Shorts runter und wartete geduldig bis seine Kumpane wieder auf die Beine gekommen waren.
Eingeschüchtert von meinem Kraftbeweis blieben sie wie erstarrt stehen und sahen mich verstört an.
,,Seht gut her, Männer!“, sagte ich ruhig. Das ,Männer´ kam betont spöttisch raus um ihnen klarzumachen, was für Schlappschwänze sie seien mussten, da sie sich an einem wehrlosen Mädchen vergriffen.
,,Dass“, sagte ich und umfasste mit meiner freien Hand die Hoden des, noch immer an meiner Hand baumelnden, Jungen. Dieser wimmerte als er es spürte. ,,Dass passiert, wenn ich noch mal mitbekomme, dass ihr einem unschuldigen Mädchen an die Wäsche wollt!“ Ich drückte seine Hoden bis er erstickt aufschrie. Ich war vielleicht etwas grob gewesen, deswegen lockerte ich meinen Griff ein wenig. Tränen liefen über seine Wangen und mit unnatürlich hoher Stimme schluchzte er das es ihm leid täte.
,,Und euch?“, fragte ich während ich die Hoden des Jungen weiter drückte. ,,Tut es euch auch Leid?“ Ich spürte wie eine warme Flüssigkeit über meine Hand lief. Aber ich war ja selbst Schuld und außerdem hatte ich im laufe der Jahrhunderte schon viele Dinge machen und mitmachen müssen die viel ekelhafter waren als das.
Die bis dato erstarrten Jungs nickten hastig. ,,Ja!“ Ich lächelte. ,,Brav. Ihr könnt euch sicher sein, wenn ihr diesem Mädchen oder irgendeinem sonst jemals wieder etwas tut, werde ich euch finden. Und nun verschwindet!“
Bei meinem letzten Wort nahmen die beiden ihre Beine in die Hand und rannten fort. Etwas verspätet viel mir ein, dass der dritte Junge noch immer am Ende meiner Hand baumelte. ,,Du hast ja nette Freunde. Schon traurig zu sehen wie sie dich einfach so im Stich lassen, oder?“
Als der Junge schluchzte ließ ich ihn zu Boden sinken. ,,Hau ab.“ Mit einer Hand seine Hoden umklammernd und seine Hose zurücklassend rannte er davon.
,,Geht es dir gut?“, fragte ich an das Mädchen gewandt.
Verschreckt blickte sie mich an. ,,J…ja, danke.“
,,Ich hoffe, ich habe dir eben keine Angst eingejagt. Ich dachte nur ein ordentlicher Schock wäre mehr Wert als ein schnelles wegjagen. So werden sie es sich zweimal überlegen, ob sie es noch einmal tun.“
,,Zweimal? Eher hunderttausend Mal. Wenn das überhaupt Reicht!“, brachte sie hysterisch lachend hervor.
,,Ich glaube du hast einen Schock…“
,,Vermutlich hast du Recht.“, sagte sie und versuchte vergeblich weitere Lachanfälle zu unterdrücken. Ich lächelte matt, hob ihre Kleidung vom Boden auf, schüttelte den Dreck ab und reichte sie ihr.
Durch den Schock war sie unnatürlich blass. Ihre Augen hatten einen warmen Braunton, der sicher unter normalen Umständen sehr schön war, wenn nicht der Rest ihrer Augen durch ihre Tränen gerötet gewesen wäre. Ihre langen, braunen Haare lagen, vom weglaufen, strähnig auf ihrem Kopf und klebten auf ihrer verschwitzten Stirn. Sie hatte sich scheinbar mit den Jungs ein hartes Wettrennen geleistet bevor sie sie geschnappt und ich sie entdeckt hatte. Von der Figur her ähnelte sie auf verblüffende Weise Cassandra mit einer Ausnahme. Sie war bestimmt mindestens fünfzehn Zentimeter kleiner als Cassandra.
Dankbar lächelte sie mich an, nahm sie entgegen und zog sich an. ,,Wo wohnst du? Ich…“, sagte ich, doch noch bevor ich zu Ende reden konnte, spürte ich den intensiven Ruf des Fluches und wusste, ich musste zurück. Zurück zu der wildfremden und ihr zu Diensten sein.
,,Ich muss leider fort. Ruf dir ein Taxi und pass auf dich auf.“, sagte ich, während ich ihr zwanzig Pfund in die Hand drückte für den Fall das sie kein Geld dabei hatte.
,,Warte!“, rief sie mir hinterher. Ich wäre stehen geblieben. Ich hätte sie gerne nach Hause gebracht und mich vielleicht sogar noch ein wenig mit ihr unterhalten. Es wäre schön gewesen mich, nicht als Vibrator mit Denk-Funktion mit meiner Herrin sondern, als Mensch mit einem anderen Menschen zu unterhalten.
Niedergeschlagen versank ich wieder in Gedanken während ich, vom Fluch getrieben, so schnell ich konnte durch die Straßen zurück zu dem Haus rannte aus dem ich mich vor etwa zwei Stunden fortgeschlichen hatte.
Nachdem mich der Fluch getroffen hatte, hatte ich es genossen jede Nacht in einem anderen Bett zu sein. Schöne, willige Sexpartner, keine Eifersuchtsszenen und ständig neue Orte die ich bewundern konnte. Ich hatte Cassandra innerlich verspottet. Anstatt eines Fluches hatte sie mir ein großes Geschenk gemacht, dachte ich. Doch dann war ich erwachsen geworden. Mit jeder Nacht begann ich mehr und mehr zu begreifen was der Fluch wirklich bedeutete. Niemals einen Ort zu haben den man als Zuhause bezeichnen konnte, da man ständig woanders war, keine Freunde mit denen man rumalbern und seine Sorgen teilen konnte, niemals tief empfundene, ehrliche Liebe erleben und jeden Tag von neuem von seinem eigenen Körper vergewaltigt werden.
Naja wo wir schon beim Thema sind…dachte ich ironisch während ich spürte wie sich mein Körper ohne mein zutun bewegte. Schalt den Kopf aus. Denk nicht daran was du gleich tun musst. Die Frau erwartete mich bereits an der Haustür. Lächelnd trat sie zur Seite. Während ich eintrat lächelte ich höflich zurück.
,,Ich habe mich gefragt wo du bist. Du sagst du erfüllst meine geheimsten Wünsche und dann verschwindest du sobald ich kurz eindöse?“, tadelte sie mich.
,,Wenn es dein Wunsch ist, dass ich auch über deinen Schlaf wache, werde ich dies selbstverständlich tun.“, sagte ich niedergeschlagen. Der Fluch verhinderte jedoch, dass die Frau etwas von meiner miesen Stimmung mitbekam.
,,Im Moment ist Schlaf das Letzte was ich im Sinn habe. Du bist so…“ Ohne den Satz zu beenden kam sie mir näher und küsste mich. Denk an Fußball, den 11. September, Hausarbeit versuchte ich mich verzweifelt davon abzulenken das ich den Kuss erwiderte. Ich spürte wie ihre Hand über meinen Körper wanderte und an meiner Jeans stoppte. Der neue Audi mit Sportauspuff und Servolenkung! Der Fluch zwang mich immer genau das zu tun was die jeweilige Person die mich rief sich wünschte. Das ich meine Hände nicht mehr bewegen konnte, während sie mit ihrer über die größer werdende Beule in meiner Jeans rieb, hatte also einen Grund. Ich stöhnte gequält während ich spürte wie meine Erektion von der Hose unangenehm eingezwängt wurde. Trotz dieser Situation wäre es mir lieb gewesen die Zeit anhalten zu können und nicht hilflos spüren zu müssen wie sie mich komplett auszog. Sanft drückte sie mich aufs Bett. Die dicken Eisen-Handschellen mit denen sie meine Hände an die Pfosten ihres Bettes fesselte, waren eher eine symbolische Geste. Scheinbar törnte es sie an zu wissen, dass sie mit mir tun und lassen konnte was sie wollte.
Scham stieg in mir auf, als ich spürte wie sie an meinem Körper hinab glitt und anfing meinen Penis grob zu stimulieren. Schon nach kurzer Zeit war ich kurz vor dem Orgasmus. Mir war klar, dass ich nicht kommen würde. Sie dachte, dass sie das Endergebnis bei sich selbst noch steigern könnte, ich mir mehr Mühe geben würde, wenn ich bis zum geht-nicht-mehr erregt wäre, aber da irrte sie sich. Ich war vorm Orgasmus weil SIE es wollte. Ich würde sie stimulieren wie SIE es wollte und zum Orgasmus bringen wann SIE es wollte.
Wie ich es bereits erwartet hatte, löste sie meine Fesseln und damit auch die geistigen und küsste mich lang und ausgiebig auf den Mund. Mein Körper drehte sich mit einer blitzartigen Bewegung, so dass ich auf ihr zum liegen kam. Dann fesselte ich sie, wie sie vorher mich und flüsterte rau: ,,Jetzt nehme ich Rache.“
Ich begann mir langsam einen Weg ihren Körper hinabzuküssen, rieb zärtlich über eine ihrer Brustwarzen und verwöhnte sie gut zwanzig Minuten mit sanften Liebkosungen und bissen. Zum Schluss begann ich langsam kreisend an ihrer sensibelsten Stelle zu lecken, an ihr zu sagen und zu blasen. Ich hörte sie wimmern und wusste dass sie den Orgasmus nun wollte. Ich begann sie schneller und sanfter zu lecken und merkte wie sie keine Minute später anfing zu zucken und zu schluchzen. Ich leckte noch einige Sekunden weiter bis auch die kleinen Nachbeben abgeklungen waren und beendete es mit einem sanften Kuss auf ihren Mund. Sanft löste ich ihre Fesseln und deckte sie zu. Ich hörte sie glückselig seufzen während mein Penis weiter gequält pochte. Als ich sicher war, dass sie eingeschlafen war, ging ich ins Badezimmer und unter die Dusche um den Druck durch die Kälte des Wassers zu lindern. Mein Körper begann haltlos zu zittern und ich war mir sicher, dass es nicht durch das kalte Wasser kam. Entkräftet sank ich auf den Boden der Dusche und begann leise zu weinen. Geschafft. Ich spürte wie der Fluch… nachließ. Ich wusste er würde zurückkehren sobald die nächste Frau meine Dienste wollte aber im Moment war ich frei und mein Körper gehorchte nur mir allein. Ich trocknete mich schnell ab, zog mich an und rannte so schnell ich konnte raus in die kalte Nachtluft.
Tief atmend, um die Tränen und das zittern zurückzudrängen, wanderte ich erneut durch die Straßen Londons. Doch irgendwann gab ich es auf, sank auf einer Parkbank zusammen, die Arme fest um meinen Körper geschlungen, und ließ meinen Tränen freien Lauf.
Es war sehr knapp gewesen. Während ich in meiner Zwei-Zimmer-Wohnung am Fenster saß und die Sterne betrachtete, dachte ich über die nur knapp vereitelte Vergewaltigung nach. Der Mann der mir geholfen hatte, sah richtig gefährlich aus. Mit kurzen, verstrubbelten, blonden Haaren. Sein Körper war muskelbepackt und seine grünen Augen…. In seinen Augen lag eine unglaubliche Wildheit, aber auch… Einsamkeit?
Wahrscheinlich hatte ich mich geirrt, schließlich war unsere Begegnung sehr kurz gewesen. Es war mir so vorgekommen als ob er noch etwas hatte sagen wollen. Was hatte dafür gesorgt, dass er so plötzlich verschwand? Wolken begannen sich über die Sterne zu schieben und ein regelrechter Wolkenbruch war das Ergebnis. Wäre ich nicht hier aufgewachsen, hätte es mich vielleicht beeindruckt zu sehen, dass das Wasser so schnell hinabprasselte das die Gullys kaum nachkamen und sich ein kleines Meer auf dem Fußweg sammelte. Ich hätte ihn fast übersehen, während ich dem Meer beim wachsen zusah. In der Dunkelheit, mit seiner dunklen Kleidung und so auf der Bank zusammengekauert, wirkte er beinah unsichtbar. Doch der Mann der dort saß, war eindeutig mein Retter von vor einigen Stunden. Wieso saß er da in dem Regen? Selbst aus der Entfernung ließ es nur einen logischen Schluss zu: Es ging ihm nicht gut. Ich zögerte nur eine Sekunde. Was wenn er es doch nicht war und er ihm nur aus der Entfernung ähnlich sah? Doch den Gedanken verwarf ich. Ich war es ihm schuldig mich vernünftig bei ihm zu bedanken und ihm zu helfen, falls er Hilfe benötigte. Schnell zog ich Jeans und Regenjacke über mein Nachthemd und die Gummistiefel über meine nackten Füße.
Der Weg bis zu der Bank auf der er saß war kurz. Vom ersten Stock abwärts und dann an einigen Läden vorbei. Keine hundert Meter. Ich zog mir die Kapuze tief ins Gesicht und näherte mich dem Mann vorsichtig. Er war bereits völlig durchnässt. Seine Jeans und sein T-Shirt klebten wie eine zweite Haut an ihm. Tief vorgebeugt saß er da, sodass ich sein Gesicht nicht sehen konnte.
,,Hallo?“, fragte ich vorsichtig. ,,Geht es ihnen gut?“ Er reagierte nicht. Er war doch nicht etwa…Tod? Nein, bei näherem hinsehen konnte ich sein krampfhaftes zittern sehen. Zögerlich legte ich meine Hand auf seinen Oberarm. Er zuckte kurz zusammen, dann blickte er auf. Ja, ich hatte Recht gehabt. Er war es. Diese grünen Augen hätte ich vermutlich unter tausenden wieder erkannt.
,,Was haben Sie? Wieso sitzen sie hier rum? Sie werden sich noch den Tod holen!“ Es war tiefe Nacht. Drei oder vier Uhr. Und dementsprechend im späten Herbst kalt. Maximal zwei oder drei Grad über null und er saß da, bis auf die Knochen durchnässt, im T-Shirt.
Er lehnte sich auf der Bank zurück und legte den Kopf in den Nacken damit der Regel noch besser auf ihn einprasseln konnte. Mit schwacher Stimme sagte er: ,,Und du? Wie alt bist du? Neunzehn? Zwanzig? In dem Alter nachts rumwandern ist auch nicht gerade das was man klug nennt.“ ,,Ich wohne hier. Ich bin nur rausgekommen, weil ich sie sah und mich sorgte!“, verteidigte ich mich. ,,Außerdem bin ich bereits siebenundzwanzig und nicht neunzehn.“
Das war ungewöhnlich. Ich starrte das Mädchen das vor mir stand einen Moment lang verblüfft an. Normalerweise konnte ich das Alter von Personen bis auf wenige Tage genau schätzen. Ein verborgenes Talent? Ich denke nicht. Wohl eher das Ergebnis von Millionen und Abermillionen verschiedener Gesichter die ich in meinem Leben gesehen habe. Aber egal, gewöhnlich war schließlich eines der wenigen Wörter die nicht auf mich zutrafen.
,,Achso? Geh trotzdem besser wieder rein.“, murmelte ich tonlos, wofür ich mich sofort schämte. Ich wollte nicht, dass sie ging. Die ehrliche Besorgtheit, die ich aus ihrer Stimme heraushörte, berührte mich zutiefst.
,,Sie haben geweint.“, stellte sie nüchtern fest. Ich spürte genau, wie mein Gesicht innerhalb weniger Sekunden feuerrot und glühend heiß wurde. Ich hatte bereits vor Jahrhunderten mit meinem Schicksal abgeschlossen und aufgehört damit zu hadern. Doch irgendwie war heute vieles aus mir herausgebrochen. Scham, Trauer, Verletzbarkeit, Einsamkeit… Er hatte bereits vorhin im Schlafzimmer gespürt, dass dies kein guter Tag werden würde. Normalerweise konnte er sich, wenn es soweit war und er der jeweiligen Frau völlig ausgeliefert war, gut ausklinken. Sein Körper übernahm dann das Kommando und er selbst war nur minimal anwesend. Heute war es anders gewesen. Er hatte jede Berührung gespürt. Seine Erregung und auch die Tatsache, dass er sich nicht frei bewegen konnte war ihm lange nicht mehr so intensiv bewusst gewesen wie heute.
,,Du spinnst. Wieso sollte ich.“, zickte ich sie an.
,,Das frage ich dich. Dir geht’s nicht gut!“
,,Achso? Wie schlau du doch bist!“ Inzwischen war ich richtig laut geworden, war aufgestanden und hatte die Hand die sie auf meinen Unterarm gelegt hatte grob abgeschüttelt.
Einige Sekunden kämpfte ich mit mir bevor ich, ihr meinen Rücken zugedreht, leise sagte: ,,Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht so anfahren. Mir geht es wirklich nicht gut, aber…. du kannst nichts tun.“
,,Hm. .. du solltest dich erstmal etwas ausruhen. Geh nach Hause etwas schlafen.“
Matt nickte ich. ,,Weißt du wo hier in der Gegend ein Hotel ist? Ich war lange nicht mehr hier. Das Hotel in das ich wollte steht nicht mehr.“
,,Ein Hotel? Hier stand, soweit ich weiß, nie ein Hotel. Nicht zu unseren Lebzeiten zumindest. Du wohnst nicht hier?“
,,Nein, ich…arbeite hier. Vorübergehend.“
Einen Augenblick dachte sie nach, dann: ,,Komm mit mir!“
Verblüfft drehte ich mich zu ihr um.
,,Du kannst heute bei mir bleiben. Du brauchst einen Unterschlupf…“
Zuerst wollte ich ablehnen, doch dann lächelte ich sie matt an und nickte. Gemeinsam gingen wir in ihr Apartment. Dort, in der Wohnung, wurde sie plötzlich feuerrot. Einen Moment trat sie unsicher von einem Bein aufs andere, bevor sie schließlich, eine Entscheidung getroffen, ihre Regenstiefel abstreifte und schließlich mit nackten Füßen in das angrenzende Zimmer tapste. Als sie zurückkam drückte mir ein Schlabbershirt und eine Jogginghose in die Hand.
,,Sind von meinem Ex-Freund übrig geblieben. Was größeres kann ich nicht anbieten.“, sagte sie und beäugte zweifelnd erst die Kleidung und dann mich. Ich lächelte. Ich hegte die gleichen Zweifel wie sie. Auch ich glaubte nicht, dass sie passen würden. Ich hatte nicht mal damit gerechnet dass sie überhaupt etwas fand. Eigentlich hatte ich ablehnen wollen, doch die Kleidung fühlte sich so warm, weich und vor allem trocken unter seinen Fingern an, dass ich nicht wiederstehen konnte. Ich kann ja schlecht ihre Wohnung volltropfen, rechtfertigte ich mich vor mir selber, während ich mit der Kleidung im Badezimmer verschwand. Nachdem ich mich – ihrem Angebot folgend – kurz heiß geduscht und umgezogen hatte, stand sie noch immer – nass wie zuvor im Flur. Als sie gähnte konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Sie sah so müde aus wie ich mich fühlte.
,,Alles okay?“, fragte ich.
,,J…ja.“ Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich eine Schlafanzughose die schnell hinter ihrem Rücken verschwand, während sie ins Bad floh. Ich grinste. Sie hatte nichts drunter. Das war also der Grund, warum sie sich nicht ihrer Regenkleidung entledigt hatte. Keine zwei Minuten später trat sie wieder aus dem Bad. Verlegen standen wir voreinander.
,,Nun, ich zeige dir am Besten wo du schlafen kannst…“, sagte sie. Ich folgte ihr ins Wohnzimmer und half ihr dabei die Couch auszuklappen.
,,Sie ist nicht sonderlich bequem und vermutlich sogar zu klein, aber…“
,,Nein, sie ist perfekt. Danke.“, erwiderte ich lächelnd und nahm die Decke entgegen die sie mir gab. Trotz der heißen Dusche klang die Kälte des Regens noch in mir nach und die Decke spendete die ersehnte Wärme. Es dauerte keine zwei Minuten und ich war bereits tief und fest eingeschlafen.
Am nächsten Morgen wachte ich von dem Geruch von Kaffee auf. Ich blieb noch einen Augenblick liegen, noch nicht bereit den Tag zu beginnen, und starrte an die Decke. Was würde der Tag bringen? Das hatte ich mich schon lange nicht mehr gefragt. Aber ich hatte auch schon sehr lange nicht mehr bei einem wildfremden Mädchen übernachtet und NICHT mit ihr geschlafen. Auch war ich schon lange nicht mehr mit Kaffee geweckt worden. Seufzend stand ich auf und folgte meiner Nase. Ihre Wohnung war extrem klein. Ein Kleiderschrank, ein Bett, ein Fernseher und ein Highboard, darauf bestand das Wohnzimmer. Mochte sie es so…beengt? Der winzige Flur führte in die Küche, in der kaum genug Platz war, damit zwei Personen sitzen konnten.
,,Was magst du essen?“, fragte sie freundlich aber noch sichtbar müde.
,,Frühstück inklusive? Das ist toll.“, gestand ich. ,,Das habe ich schon sehr lange nicht mehr getan.“
,,Gefrühstückt?“
,,Nein…oder doch, ja.“ Nachdem ich die Bedürfnisse der Frauen erfüllt hatte, wollten sie meistens dass ich ging. Daran wo ich schlief, wo ich aß und ob es mir gut ging… nein, daran hatten sie nie einen Gedanken verschwendet. Wozu auch? Sie bekamen ja was sie wollten. Dankbar nahm ich eine Scheibe Toast und begann sie mit Marmelade zu beschmieren. ,,Ich weiß gar nicht deinen Namen.“, sagte ich lächelnd zu ihr. ,,Weiß gar nicht bei wem ich mich bedanken muss.“
Sie errötete. ,,Sindy. Aber du brauchst dich nicht zu bedanken.“
Ich lächelte. ,,Ich bin Alexandre.“
,,Ein ungewöhnlicher Name. Aber schön.“
Damals war es ganz und gar kein ungewöhnlicher Name gewesen. Aber das konnte ich ihr ja schlecht sagen, oder? Plötzlich kam mir in den Sinn das ich jederzeit durch den Fluch fluchtartig die Wohnung und sie verlassen könnte. ,,Meine Arbeit… sie kommt ziemlich plötzlich und ich muss dann sofort los. Und damit meine ich wirklich sofort. Besser du weißt es nicht das du… na ja…“
Sie nickte. ,,Ja, okay.“
Eine Weile aßen wir in einträchtigem Schweigen unseren Toast. Nachdem ich ihr geholfen hatte das Geschirr wegzuräumen, setzten wir uns gemeinsam auf ihr Bett. Die einzige Sitzmöglichkeit abgesehen von der winzigen Küche.
,,Warum warst du gestern so traurig?“, fragte sie geradeheraus. Ich lächelte. Ja, ich mochte Leute die schnell auf den Punkt kamen. Da ich jederzeit wieder fortgehen könnte, war ich ein sehr schneller Mensch geworden. Der Gedanke, dass mich gleich jemand rufen könnte, verdarb mir die Laune gewaltig. ,,Mein Job… gefällt mir nicht. Um genau zu sein hasse ich ihn. Aber… ich kann nicht kündigen.“ Innerlich schüttelte es mich vor unterdrücktem lachen. Job, kündigen. Was für eine Untertreibung! Aber dennoch stimmte es irgendwie.
,,Warum kannst du nicht kündigen?“
Ja, wie sollte ich ihr erklären das Flüche keine Kündigungsfrist hatten? Naja, vielleicht genau so. ,,Flüche haben keine Kündigungsfrist.“ ,sagte ich trocken.
Einen Moment sah sie mich verdutzt an. Dann begann sie hemmungslos zu lachen. Ich mochte ihr lachen. So echt und unverfälscht. Sie wollte nichts von mir außer reden. Eine ungewohnte Erfahrung. Mit ihr zu reden war, als würden riesige Felsen die vorher auf mir lagen einfach heruntergenommen und als könnte ich das erste Mal nach ewiglanger Zeit wieder frei atmen. Ich lächelte sie an.
,,Es würde zu weit führen es zu erklären. Ich habe den Job schon sehr lange und…“
,,Ist okay. Belassen wir es einfach dabei. Hast du schon einmal mit deinem Chef darüber gesprochen?“
,,Der ist… Tod.“ Nicht auffindbar würde es eher treffen. Tatsächlich war Cassandra, seit dem Tag an dem sie den Fluch aussprach nicht mehr zu finden gewesen. Aber auch dass war schwer zu erklären. Nun schien sie vollends verwirrt zu sein.
,,Ich komme aus dem Job nicht raus, da kann man nichts gegen tun. Aber… ich bin sehr froh, dass ich heute Nacht bei dir gelandet bin. Es war… ich danke dir.“
,,D…du hattest dich bereits bedankt. Aber wie gesagt, es waren keine großen Umstände und ich habe mich sehr über die Gesellschaft gefreut. Was tust du in deinem Job?“, wechselte sie abrupt das Thema.
Ich bringe mehr als tausend Frauen jährlich zum Orgasmus.
,,Ich… werde angefordert und… helfe den Kunden bei… besonderen, anfallenden Arbeiten.“
,,Sowas wie eine Ich-AG? Hilfst du Luftballons aufblasen, Tische dekorieren und Schränke aufbauen?“ ,,Ja, so was in der Art. Blasen musste ich auch schon mehrmals.“, sagte ich in einem plötzlichen Anfall von schwarzem Humor.
Sie erzählte mir, dass sie in einem Tierheim arbeitete und viel Zeit aufwendete um Rezepte auszuprobieren und anbrennen zu lassen. Wir redeten gute zwei Stunden lang und sie begann mir immer besser zu gefallen. In die Haarsträhne, die ihr immer wieder ins Gesicht fiel und wie sie den Kopf leicht drehte, wenn sie lachte hatte ich mich schon fast verliebt. Ich Narr. Ich wusste doch, dass ich bald fortgehen musste. Wer weiß, wer mich als nächstes rufen würde. In welcher Stadt und Land ich als nächstes seien würde. Das letzte Mal in London war ich vor rund dreißig Jahren gewesen. Was sagte das uns? Das es absolut hoffnungslos war. Wahrscheinlich würde ich sie in ein paar Minuten das letzte Mal sehen und danach nie mehr genug Zeit haben oder einfach zu weit entfernt sein um sie wieder zu sehen. Wenn ich dann in dreißig, vierzig oder fünfzig Jahren das nächste Mal hier wäre, würde sie mich nicht mehr erkennen. Für Menschen war das eine sehr lange Zeit.
Ich hatte erwartet, dass ich von jemandem gerufen werden würde noch bevor wir zu Ende gefrühstückt hatten, doch am frühen Nachmittag fragte ich sie vorsichtig ob ich nicht besser gehen sollte. Ich war gerne bei ihr, aber ich wollte ihr auch nicht zur Last fallen oder auf die Nerven gehen. Schließlich hatte sie mich barmherzig bei sich aufgenommen. Aber das war ja kein Freifahrtschein bis ins nächste Jahrhundert an ihr zu kleben. ,,Nein, ich freue mich über Gesellschaft.“, sagte sie wiederholt und ein weiteres Gefühl machte sich in mir breit. Sorge. Sie schien mir sehr einsam zu sein. Und sehr unvorsichtig. Ich hätte ein Verbrecher oder gar Mörder sein können und sie hatte mich in ihre Wohnung gebracht.
,,Ich weiß nicht, ob es mir möglich sein wird. Aber falls ja, darf ich dann nach der Arbeit irgendwann mal wieder vorbeischauen?“ Sie lächelte matt. ,,Ja.“
Es dauerte mehrer Stunden, doch irgendwann spürte ich die Fesseln sich erneut schließen. Ich hatte die Zeit mir ihr sehr genossen. Die Tatsache, dass sie mich uneigennützig in ihre Wohnung eingeladen hatte, mir zugehört und mich bewirtet hatte…es hatte mich sehr berührt. Vermutlich hatte ich deswegen nun, da ich spürte wie sich mein Körper von selbst erhob, einen Kloß im Hals. Mir war klar, dass die Chancen sie jemals wieder zu sehen sehr gering waren. Und das sie mich dann noch erkennen würde, diese Chance tendierte gen null.
Cassandra saß in einem bequemen Sessel. Ihre nackten Füße genussvoll im großen Perserteppich vergraben. Die Augen geschlossen. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie allein mit der Kraft ihrer Gedanken sehen was ihr ehemaliger Freund Alexandre tat. So hatte sie auch dagesessen und ihn beobachtet, während er die Fesselspielchen der letzten Frau, die ihn gerufen hatte, erduldet hatte und danach auf der Bank neben den Geschäften der Stadt zusammengebrochen war und geweint hatte. Es hatte sie glücklich gemacht ihn leiden zu sehen. Empfinden tat sie schon lange nichts mehr für ihn. Doch, das war nicht ganz die Wahrheit. Hass empfand sie noch. Einen unbändigen Hass , dass er es gewagt hatte sie zu verlassen. Damals war sie jung gewesen.
Eine unbedarfte Junghexe von nicht mal fünfhundert Jahren. Doch ihre Wut war damals schon so gewaltig gewesen und hatte gereicht um einen Fluch heraufzubeschwören der sein ganzes Leben ruiniert hatte. Noch heute schloss sie unbändig gerne die Augen und beobachtete wie er litt, während er mit Frauen schlief die er gar nicht wollte und ebensolche Dinge tat. Die Frauen konnten seine Gedanken und Gefühle nicht sehen. Sie wollten es auch vermutlich nicht. Wenn man jemanden schon nur einmal in seinem ganzen Leben rufen konnte, wollte man doch kein Gejammer hören sondern unvergessliche Nächte erleben. Aber sie konnte seine Gedanken hören und seine Gefühle spüren. Wie er innerlich weinte, schrie und um Gnade flehte. Wie er darum bettelte, dass er sterben dürfe wie es jeder normale Mensch irgendwann tat und dadurch irgendwann von seiner Strafe befreit werden würde. Mehr als einmal hatte er nachts ihren Namen gen Himmel geschrieen und gefleht das sie den Fluch doch bitte lösen möge. Solche Momente mochte sie immer besonders. Wenn sie seine Verunsicherung spürte ob sie ihn nun hören könnte oder nicht. Wenn sie überdeutlich spürte, dass er alles tun würde um den Fluch zu brechen. Sie spielte schon seit langem mit dem Gedanken den Fluch noch etwas auszuweiten. Sie war keine unerfahrene Junghexe mehr und ihre Macht lief inzwischen viel mehr als diesen Fluch zu. Erschwerend kam hinzu, dass er in letzter Zeit seinem Leid gegenüber erstaunlich oft unbeteiligt gegenüber geworden war und eine kleine Verhärtung könnte sicher dazu beitragen das er erneut chancenlos mit seinem Schicksal rang. Entspannt schloss sie erneut die Augen, schlürfte ihren heißen Kakao und begann sich auf Alexandre zu konzentrieren. Sie sah ihn gemeinsam mit einer dünnen Frau Mitte zwanzig an einem winzigen Küchentisch sitzen. Und lachen. Wut keimte in ihr auf. Was bildete sich Alexandre ein? Glaubte er, er dürfte glücklich sein? Ungestraft lachen und bei ihr sein? Glaubte er, dass sie besser war als Cassandra? Ein unbedeutender Mensch gegen eine Hexe wie keine zweite? Dem würde sie zeigen was ein Haken war. Sie würde ihn zu sich rufen. Nur um ihm zu zeigen, das es noch jemanden gab den er anflehen konnte. Und dann würde sie dafür sorgen, dass er die Frau verabscheute.
Ich spürte wie ich aufstand. ,,Ich muss los.“ ,sagte ich bedauernd. ,,Danke.“, rief ich ihr schon fortgehend über den Rücken zu. Ich ging die Straße entlang zur U-Bahn, fuhr gut eine dreiviertel Stunde damit Richtung Süden und stieg kurz vor der Endhaltestelle aus. Seufzend rannte ich die Straße entlang zu einer Busstation und stieg dort in den ersten Bus der ankam. Etwa zwanzig Minuten später stieg ich aus. Den ganzen Weg über hatte ich kaum auf meine Umgebung geachtet. Wozu auch? Mein Körper würde mich ja eh auf dem schnellsten Weg zum Ziel bringen, ob ich nun wollte oder nicht. Doch so uninteressiert ich auch war, die Gebäude um mich herum waren faszinierend. Riesige, altehrwürdige Herrenhäuser. Ich sah mir die großen, eisernen Tore und deren Verzierungen in Form von Schnörkeln und steinernen Figuren an. Ich ging an vielen dieser Häuser vorbei und spürte wie mein Körper brütend heiß wurde. Was war hier los? Normalerweise fühlte ich mich zwar elend, weil ich wusste was mich erwartete, aber ich hatte keine körperlichen Reaktionen in diesem Ausmaß.
Ich spürte wie ich weiterging. Schneller. Spürte wie mein Herz hämmerte, mein Atem raste und ich gepeinigt stöhnte als mein Penis hochsensibel gegen meine Jeans scheuerte.
,,Oh bitte.“, stöhnte ich gequält. Ich blieb vor einem dieser Häuser stehen. Mein Körper war inzwischen viel zu sensibel, als das ich noch die Kraft gehabt hätte, die wundervollen marmornen Drachen rechts und links des Eingangs zu bewundern. Meine Knie zitterten, als sich eine beinah unerträgliche Hitze von meinem Bauch Millimeterweise abwärts ausbreitete. Ich rang nach Atem während ich weiterging. Innerlich bettelte ich darum, das die Hitze nicht dort ankommen würde wo sie eindeutig hinwollte. Ich ging die lange Auffahrt zum Haus hinauf und klingelte mit fahrigen Fingern. Die Tür schwang von alleine auf. Mir blieb keine Zeit mich zu wundern. Ich ging bereits weiter, eine Treppe hinauf. An den Wänden hingen Picassos, die parallel zum Treppengeländer die Treppe säumten. Als ich das große, in dunklem Lila gehaltene Schlafzimmer mit dem Kamin und dem goldenen Kerzenständer vor dem Fenster betrat, sah ich sie. Cassandra.
,,C…Cassandra!“, keuchte ich.
Lächelnd sah sie von ihrem Buch auf. ,,Hallo.“, sagte sie als wäre ich ein x-beliebiger Besucher.
,,Was… wieso?“
Sie lächelte sanft. Doch in den letzten zweitausend Jahren hatte ich gelernt hinter die Fassaden zu schauen und ihr lächeln war alles andere als echt. Plötzlich spürte ich das ich
mich wieder frei bewegen konnte. ,,Cassandra, bitte befrei mich von dem Fluch. Es hätte nie mit uns klappen können, nicht auf Dauer und das weißt du sicher auch.“
Plötzlich merkte ich, dass ich nichts mehr am Körper trug. Wo war meine Kleidung hin?
,,Ich gebe dir Recht.“, sagte sie zuckersüß. Ich spürte wie sich die Hitze erneut in meinem Bauch sammelte und sich langsam nach unten hin ausbreitete. Mein Penis pochte als wäre er kurz vor der Ejakulation. Ich zitterte wie ein Schlot.
,,C…c…Cassandra. Bitte!“, stöhnte ich gequält. Meine Beine schienen mich nicht mehr tragen zu wollen und mich auf das zu konzentrieren was ich wollte beziehungsweise was ich nicht wollte war in diesem Moment unsagbar schwer.
,,Was den?“, fragte sie unschuldig.
,,H…hör auf.“
,,Du gibst mir Befehle? Mir???“
Noch bevor ich meinen eigenen Satz beendet hatte, wusste ich bereits, dass ich einen großen Fehler gemacht hatte. Ich spürte wie die Hitze an ihrem Ziel ankam und ich wie unter Strom zu zucken begann. Die Erlösung? Nein. Der Druck baute sich weiter auf. Ich hielt es nur einfach nicht mehr aus, deswegen zuckte ich. Ich weiß noch, dass ich eine Menge zusammenhanglose Dinge von mir gab, wimmerte und flehte. Ich weiß auch noch wie ich unter Zwang meine Beine spreizte und etwas ziemlich dickes in meinen Hintern eindrang was mir einen hilflosen Schmerzensschrei entlockte. Irgendwann war es vorbei und ich lag völlig erschöpft und vor Schmerz und Erregung bis zum äußersten Verkrampft vor ihren Füßen.
,,Na, das ging mir aber zu schnell.“, murrte sie und ich spürte wie ich aufstand und mich auf ihr Bett legte. ,,Cassandra, bitte hör auf. Erbarme dich, es ist schon so lange her.“
,,Niemand, absolut niemand verlässt mich. Das wirst du heute Nacht lernen.“ Ihre Worte kamen so leise hervor das ich meine Ohren richtig spitzen musste um sie zu verstehen. Meine Arme und Beine langen kurz vor den jeweiligen Ecken des Bettes. Sie stand von ihrem Sessel auf und kam auf das Bett zu.
,,Mehr als entschuldigen kann ich mich nicht. Sei doch bitte vernünftig.“
,,Das sehe ich anders.“, sagte sie und zog eine kleine Schale mit einer grünlichen Paste aus ihrem Nachttisch.
,,Was soll ich tun Cassandra? Bitte, ich mache alles. Alles.“, das letzte Wort kam schluchzend hervor während ich spürte wie sie mit der Paste meinen Penis eincremte und dabei gleichzeitig mit der anderen meine Hoden knetete.
,,Alles?“
Ja, alles. Alles. ALLES! ,,Ja, alles. Oh Gott!“, schrie ich und begann mich unter ihren Händen zu winden. Obwohl ich wusste, dass ich nicht den ersehnten Orgasmus nicht bekommen und mit jeder Bewegung meine Situation sogar noch verschlimmern würde, begann ich mich soweit es mir möglich war an der Hand, die sie nun ganz sanft auf meinen Penis gelegt hatte, zu reiben. Innerlich bettelte ich darum, dass sie ihn umfassen und etwas Druck ausüben würde. Zufrieden nickte sie: ,,Da bin ich mir sicher.“ Zärtlich strich sie über meine Eichel. Wieder und wieder. Meine Lungen brannten während ich verzweifelt versuchte einen halbwegs klaren Kopf zu behalten. Sie machte immer weiter. Streichelte, liebkoste, biss, kratzte und presste meinen Körper. Welche Qualen ich in dieser Sekunde durchstehen musste kann sich kein menschliches Lebewesen vorstellen. Wenn ein Mensch beim Sex über die Grenze des erträglichen Tritt kommt es zum Orgasmus. Doch wenn man ihn nicht bekommen kann? Dann baut es sich immer und immer weiter auf bis ins Grenzenlose. Ich konnte nicht mehr klar denken, als ich mich plötzlich wieder frei bewegen konnte. Entgegen aller Vernunft griff ich nach meinem Penis, umschloss ihn mit aller Kraft die in mir war und begann ihn weinend zu reiben. Bitte, bitte ich ertrag es nicht. Aufhören. Mir waren weder die Tränen die vor Verzweifelung über meine Wangen liefen noch Cassandra bewusst, als ich immer schneller rieb. Irgendwann verließen mich auch meine letzten Kräfte und ich ließ mich wehrlos in die Kissen sinken.
,,Wie lange musste ich darauf warten diese Worte von dir zu hören? Sehr lange. Aber egal um was ich dich bitte und egal was du auch tust, du tust es nicht freiwillig. Du tust es nur weil du denkst dass es deine letzte Chance ist.“
Ich schwieg. Ich hatte nicht mehr die Kraft zu kämpfen.
,,Willst du es nicht zumindest leugnen?“
,,Du kennst meine Gedanken und Gefühle. Beides Dinge die ich nicht beeinflussen kann. Ich liebe dich nicht. Was würde mir also eine Lüge bringen, wenn du es sowieso besser weißt?“
,,Du…du!“
,,Ich weiß nicht was daran so schlimm ist. Du hast doch selbst gesagt, dass du mich auch nicht mehr liebst. Was hast du?“
Sie schrie mich mindestens eine halbe Stunde lang an. Während dessen konnte ich mich nicht bewegen, nicht sprechen, ja nicht mal verstehen was sie sagte. Nur an ihrem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass ich sie sehr verärgert hatte. Ich hatte schon fast die Hoffnung, sie jemals wieder zu verstehen, aufgegeben, als sie plötzlich mit ruhiger, hasserfüllter Stimme sagte: ,,Du liebst mich nicht? Wen könntest du den lieben? Dieses Mädchen? Sindy?“ Ich wurde bleich. Wenn Cassandra dachte, das Sindy sein wunder Punkt war, war sie in Gefahr. Egal was Cassandra sich ausdachte. Ich wollte leugnen, wollte sagen, dass mir Sindys Fürsorge, ihre Warmherzigkeit und Offenheit nicht zu Herzen gegangen waren. Das ich schon kaum noch wusste, wer sie war. Aber kein einziger Ton kam über meine Lippen und mein Gesicht schien mich verraten zu haben.
,,Ich beweise dir, dass sie nicht mehr ist als ein Mensch wie jeder andere. Das sie nur an sich denkt und nichts anderes für sie zählt.“ Das war das letzte was ich hörte, bevor alles um mich herum schwarz wurde.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf einem Fußgängerweg. Nach dem Stand der Sonne zu urteilen, war es früher Nachmittag. Mein Kopf hämmerte wie verrückt und mir wurde schnell klar, was der Grund war. Eine Kundin. Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, als ich auch schon aufstand und mich auf den Weg machte. Zwanzig Minuten im Bus, eine Straße entlang und dann noch etwa vierzig Minuten mit der Bahn. Am Anfang hatte ich mir noch nichts gedacht, doch umso länger ich unterwegs war, umso mehr kam mir von dem Gespräch mit Cassandra wieder in den Sinn und als ich aus dem Bus ausstieg und sah das ich in Sindys Straße war, war ich kaum verwundert. Meine Beine trugen mich an denselben Geschäften wie vergangene Nacht vorbei und ich klingelte. Es dauerte einen Moment, dann hörte ich das summen und öffnete die Treppenhaustür. Ich lief die wenigen Stufen bis zur ersten Etage hinauf und blieb keine zwei Meter vor Sindy stehen.
,,Hallo.“, sagte ich verlegen.
,,Hi, komm ruhig rein.“, antwortete sie prompt gut gelaunt. Ich war ziemlich verblüfft, dass ich mit ihr sprach anstatt direkt zu Sache zu kommen. Aber auch froh. Vielleicht würde sie so erbarmen haben und mich nicht als perversen abstempeln wenn es dann schließlich zur Sache ging. Und es würde losgehen, davon war ich überzeugt.
,,Ich habe dich vermisst. Ich liebe dich.“ Schockiert von meinen eigenen Worten, wäre ich am liebsten sofort fortgerannt. Stattdessen ging ich auf sie zu und küsste sie zärtlich. Verwundert sah sie mich mit großen Augen an. Dann erwiderte sie meinen Kuss. Bitte – nein, dachte ich unter ungeweinten Tränen. Cassandra erbarme dich. Nimm mir nicht diesen kleinen Zufluchtsort. Ich spürte, wie ich ihren Hintern umfasste und sie ins Wohnzimmer aufs Bett schob. Hörte wie sie leise seufzte, während ich ihr Hose und Hemd auszog und den Rest regelrecht vom Körper riss. Dann schob ich meine Hand zwischen ihre Beine und rieb ihre Klitoris bis sie erstickt aufschrie und hilflos in meinen Armen zuckte. Es hatte keine zwei Minuten gedauert bis sie zum Orgasmus gekommen war. Ohne mich. Niedergeschlagen ließ ich den Kopf hängen. ,,Alexandre. Alles in Ordnung?“
,,Ja, nein, ich… sollte gehen.“
,,Wieso?“, dieses eine Wort verwirrte mich so sehr wie noch nie etwas zuvor. Bisher hatte noch keine Frau gewollt, dass ich hinterher blieb. Nicht eine einzige. Sie hatten mich alle wissentlich gerufen und nach dem Orgasmus war es das natürlichste der Welt gewesen, das ich ging. ,,Hast du inzwischen ein Hotel?“ Musst du die Stadt verlassen? Wenn nicht bleib doch ruhig. Wir tun einfach so als wäre nichts geschehen, wenn du magst.“ Ich wurde feuerrot. Auch nach dem Sex wollte sie mich bei sich haben? Oh man.
,,Das war gestern… ungewöhnlich. Tut mir Leid. Wir wollten die Sache ja ignorieren, aber kannst du mir bitte wenigstens sagen warum du gestern so… na ja.“, verlegen zuckte sie mit den Schultern. Ich überlegte. Sollte ich es ihr erzählen? Vermutlich würde sie mich für verrückt erklären, wenn ich ihr die Wahrheit gestand. Aber nach der Aktion gestern hatte sie die Wahrheit verdient. Und es war ja nicht so als wäre es das bestgehütete Geheimnis der Stadt. Danach zu urteilen wie oft ich gerufen wurde, wussten genug Frauen über mich bescheid.
,,Ich bin so was wie ein Jinny. Ich bin mehr als zweitausend Jahre alt. Wenn Frauen nachts dreimal meinen Namen sagen habe ich keine andere Wahl als umgehend zu ihnen zu gehen. Ich…“, meine Stimme stockte. Ich wusste es. Ich würde sie verlieren wenn ich es aussprach. Was auch sonst. ,,Und du befriedigst sie nach allen Regeln der Kunst?“, fragte sie unsicher. ,,Woher weißt du das?“ Sie erblich. ,,Du sagtest eben die Frauen würden dich nachts rufen. Das ist ja schon ziemlich… na ja. Und dann meintest du mal, dass du auch schon blasen musstest bei der Arbeit, aber… es war eigentlich nur eine spaßige Aussage.“ Ich wurde feuerrot. ,,Das…“ Sie lächelte, doch als die merkte wie beschämt ich war hörte sie sofort damit auf. ,,Das gestern… tut mir Leid.“ Bei meinen Worten wurde sie blass. ,,Du… wolltest das gestern gar nicht. Du… musstest… es tun. Und deine Worte…“ Ich sah den Schmerz überdeutlich in ihren schönen grauen Augen. Am liebsten hätte ich gelogen um sie nicht zu kränken, aber die Situation war schon ohne Lügengebilde kompliziert genug. ,,Ja…entschuldige. Wenn es dir jetzt doch lieber ist das ich… gehe…“,,Entschuldige, du bist mir gerade mindestens drei Schritte voraus. Ein Jinny? Ein echter Jinny?“, ich schluckte. ,,Kannst du das beweisen?“ Ich wurde feuerrot. Aber mir hätte klar sein müssen, dass man so eine Information nicht einfach so schluckte. Ich stöhnte gequält. ,,Wünsch dir etwas, aber sprich es nicht aus.“ Verwirrt sah sie mich an, überlegte einen Moment und schon spürte ich wie ich wehrlos dazu gezwungen war ins Badezimmer zu gehen und… eine Bodycreme zu holen. Ich hatte schon damit gerechnet, dass ich sie damit eincremen soll aber stattdessen drückte ich sie ihr nur brav in die Hand. Sie, inzwischen blass geworden, sah mich wie ein Fisch mit offenem Mund an. Dann sagte sie bemüht ruhig: ,,Du musstest mit mir schlafen obwohl du gar nicht wolltest. Nicht ich. Es ist zwar… ganz sicher kein Kompliment, aber ich sollte eher dich fragen ob dir meine Gegenwart nun unangenehm ist. Es tut mir Leid, dass ich nicht gemerkt habe, dass du dazu gezwungen warst.“ Nach einigen Stunden hatte sich die Situation etwas aufgelockert und ich erklärte ihr die Regeln und alles drum herum. ,,Ich kann von jeder Person nur einmal im Leben gerufen werden, bei derjenigen bleibe ich dann maximal eine Woche. Ich lese ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Wenn sie einen Wunsch hat, spüre ich ihn und handele genau so wie sie es sich wünscht. Während der Zeit bewegt sich mein Körper automatisch. Ich kann es nicht verhindern.“ ,,Das… ist ja schlimm. Du tust immer das was die Frauen wollen? Alles?“ Misstrauisch nickte ich. ,,Ja, wieso?“ ,,Hm…fand das nie eine doof?“ Ich sah sie an, als wären ihr plötzlich zwei neue Köpfe gewachsen. ,,Wieso denkst du es könnte einer nicht gefallen wenn man ihr jeden noch so geheimen Wunsch von den Augen abliest?“ ,,Weil es… auf Dauer doch langweilig sein muss. Nie etwas neues, spannendes, mit dem man gar nicht rechnet. Nie ein wenig unsanft angefasst werden oder einfach dem Partner die Führung überlassen… nie geben können.“ Ich sah sie verunsichert an. Vermutlich hatte sie Recht. Aber der Gedanke, sie könnte denken er wäre ne Niete im Bett ließ in ihm das Verlangen Hochkochen ihr das Gegenteil zu beweisen. ,,Ich…Soll ich dir zeigen wie schön es mit mir ist?“ ,,Nein… ich will nicht, dass du es wieder gegen deinen Willen tust. Nicht solange der Fluch nicht gebrochen ist.“,,…was???“ ,,Ich helfe dir ihn zu brechen. Wir finden einen Weg.“
Ich war strickt dagegen, dass sie mir helfen wollte den Fluch zu brechen. Doch egal was ich auch sagte oder tat, sie wich nicht von meiner Seite. Zugegebenermaßen, es war ziemlich praktisch sie an meiner Seite zu haben. Ich hatte nie die Muse gehabt nach Cassandra zu suchen, da ständig Frauen dazwischenkamen und ich so nie das tun konnte was ich wollte. Außerdem musste ich mich nicht darum ein Dach über dem Kopf zu haben, den während ich meinen Job tat suchte sie ein Hotel, bezog es für uns, setzte ihre Recherchen fort und tröstete mich wenn ich zu ihr zurückkehrte. Zugegebenermaßen war Trost seitdem sie mich so eifrig unterstützte nicht mehr allzu oft nötig.
,,Nein und noch mal nein. Nein!“, schrie ich sie an. ,,Du wirst nicht zu Cassandra gehen. Sie hat Zauberkräfte. Wer weiß was sie dir antut. Du bist ein Mensch, vergiss das nicht. Ich werde nicht zulassen das du dieses Risiko auf dich nimmst.“ ,,Es ist die einzige Spur die wir haben. Verflucht noch mal, wie soll ich dir den sonst helfen?“ ,,Nicht so, ich verbiete es dir!“ Damit hatte ich einen wunden Punkt getroffen und ich wusste es sofort. ,,Und was willst du dagegen tun? Spätestens wenn sich der Fluch wieder bemerkbar macht und du deswegen fort musst, kann ich auch hinaus.“ Da hatte sie nicht Unrecht. Verdammt. ,,Sindy… ich will dich nicht verlieren. Verstehst du das nicht? Jemanden zu haben der mir beistehst ist etwas völlig neues für mich. Und ich will das nicht verlieren.“ Etwas besänftigt sagte sie: ,,Hör mal. Ich weiß, dass du Angst hast. Die habe ich auch. Aber du wirst vermutlich nächstes Mal noch weiter fort müssen und nicht genügend Zeit haben zurückzukommen bevor der Fluch dich wieder fortreißt. Ich werde vorsichtig sein. Das verspreche ich dir. Okay?“ ,,Nein! Aber du tust ja doch was du willst.“ Für einen Augenblick konnte ich nicht mehr klar denken. Der Gedanke sie verlieren zu können und nichts dagegen tun zu können, war mehr als ich ertragen konnte. Ich riss sie mit aller Kraft in meine Arme und drückte ihren Körper an meinen. ,,Wir kennen uns kaum vier Tage, aber ich denke du weißt was ich sagen will. Wenn dir etwas passiert verzeihe ich mir das nie.“ Sie lächelte. ,,Ich weiß.“
Ich ging zu dem Haus von Cassandra und klingelte. Den Weg hatte Alexandre mir widerwillig, aber genau, beschrieben. Nun stand ich vor ihrer Tür und mein Herz klopfte wie ein Presslufthammer. Es war gut möglich, dass Alexandres Zukunft von meinen nächsten Worten und den nächsten Minuten abhingen. Tapfer atmete ich tief ein und betrat das Haus. Ich wurde blass. Kaum hatte ich das Haus betreten konnte ich mich nicht mehr bewegen. Ich stand geschlagene zehn Minuten da und zitterte und wimmerte vor Angst. Alexandre hatte mir zwar gesagt, dass er nur das tun konnte was die jeweiligen Frauen wollten, aber das das so wörtlich zu nehmen war, schockierte mich. Plötzlich setzten sich meine Beine in Bewegung. Gingen durch einen großen Flur mit tiefroten Wänden. Der Flur endete in einer modernen Küche mit gefliestem Boden, einem Elektroherd mit Edelstahlplatte und den modernsten Geräten. Erst auf den zweiten Blick fiel mir auf, dass nicht wirklich alle Zutaten alltäglich waren. Was genau konnte ich aus der Entfernung nicht sagen, mal davon abgesehen das es mir zu grausig war genauer hinzusehen. ,,Du bist vermutlich wegen Alexandre hier und willst das ich seinen Fluch auflöse?“ ,,Ja, das will ich.“ Ich versuchte mehr zu sagen, wollte an ihre Menschlichkeit und ihr Ehrgefühl appellieren, doch kein Wort kam über meine Lippen. ,,Warum sollte ich den Fluch lösen? Was bietest du mir dafür? Schmerzen?“ Sie ging zum Herd und schaltete ihn an. Bevor ich merkte was los war, legte ich bereits meine Hand auf die immer heißer werdende Platte. Ich konnte nichts sagen, mich nicht bewegen. Nach etwa einer halben Minute war die Platte so heiß, dass ich am liebsten Ohnmächtig geworden wäre. Meine Hand brannte wie Feuer und innerlich schrie ich mir die Seele aus dem Leib. Endlich schaltete sie den Herd aus und ich konnte meine Hand fortziehen. ,,Oder gibst du mir dafür absoluten Gehorsam?““ Ich ging zu einem Küchenschrank und nahm ein Glas mit einer großen, lebenden Spinne heraus. Ich spürte mein rasendes Herz. Ich hatte eine Spinnenphobie. Ohnmächtig vor Angst spürte ich, wie ich wie ich den Deckel abschraubte und sie herausnahm. Ich steckte sie mir in den Mund und aß sie bevor ich den Deckel wieder zuschraubte und ihn zurückstellte. Ich spürte, dass ich mich wieder frei bewegen konnte und brach zitternd auf dem Boden zusammen. Die verbrannte Hand mit meiner anderen schützend und mich haltlos übergebend. ,,Du siehst, ich kann mir von dir nehmen was ich will. Und dennoch brauche ich dir keine Gegenleistung dafür zu geben. Was denkst du, kannst du, ein jämmerlicher Mensch, mir, einer fast dreitausend Jahre alten Hexe, bieten?“ Mir wurde schwarz vor Augen.
,,Sindy, Sindy!“ Alles um mich herum war dunkel. Nur sehr langsam drang die Stimme in mein Bewusstsein vor. Es war Alexandre. Er mich sanft im Arm. ,,Was ist passiert? Verflucht nochmal sag was!“ Kaum war ich wieder wach, wand ich mich mit letzter Kraft aus seiner Umarmung, umklammerte weinend meine Hand und erbrach den Rest der Spinne. Erst nach wenigen Minuten nahm ich wahr, dass ich splitterfasernackt auf den kalten Fliesen der Küche, in meiner Wohnung, lag. Immer wieder wenn ich an die Spinne dachte begann ich zitternd zu würgen und mich zu übergeben. ,,Steh auf.“, sagte er leise. Vorsichtig aber dennoch mit unglaublicher Kraft zog er mich auf die Beine und wickelte mich in eine dicke Decke. Kurz bevor ich mich erneut übergeben musste hielt ich einen Eimer in der Hand und wurde fest auf meine Couch gedrückt. Während ich mich weiter übergab, cremte Alexandre zärtlich meine verbrannte Handfläche ein. ,,Ich hätte niemals zulassen dürfen, dass du dorthin gehst. Es war doch klar, dass es nicht klappt. Was sollte ein Mensch schon gegen Cassandra ausrichten können?! Ich bin so dumm…“ Ich wollte ihm widersprechen, aber ich war zu schwach um etwas anderes zu tun außer völlig entkräftigt dazusitzen und gelegentlich zu würgen. ,,Was tust du?“, fragte ich schwach als ich bemerkte, dass Alexandre sich anzog. Ohne mich anzusehen sagte er: ,,Ich muss zu ihr. Zu Cassandra.“ Blass nickte ich: ,,Gib mir fünf Minuten.“ ,,Nein, du bleibst hier.“ ,,Nein.“ Sagte ich mit schon kräftigerer Stimme. Wütend drückte er mich an die Wand. ,,Bei Cassandra bin ich genauso hilflos wie du. Ich kann dich nicht schützen. Willst du noch so einen Snack?“ Das bisschen Farbe was seit dem Ausflug zurückgekehrt war, verschwand bei seinen Worten wieder. ,,Ich… lasse dich nicht alleine gehen.“ Traurig schüttelte er den Kopf und nickte dann. ,,Okay:“
Während des Weges zu ihr hielten wir uns gemeinsam an der Hand. Ich konnte nicht ohne zu lügen sagen, dass ich keine Angst hatte, genauso wenig wie sie. Also sagten wir es auch nicht. Und versuchten uns einfach mit der Anwesenheit des anderen zu beruhigen. Ich war ziemlich verwirrt, dass keine Frauen mehr nach mir riefen. Vielleicht wollte Cassandra sehen was wir tun und hatte es deswegen so eingefädelt, dass ich mich im Moment frei bewegen konnte. Sicher wusste ich das natürlich nicht, aber es scherte mich auch nicht. Ich war einfach nur froh, dass ich Sindy an meiner Seite hatte und wir gemeinsam diesen Kampf kämpften. War einfach nur froh nicht alleine zu sein. Vor Cassandras Haus blieben wir stehen. Ich spürte das zittern von Sindys Hand, von ihrem ganzen Körper, und wusste was es sie für Kraft und Mut kosten musste hierher zurückzukehren. Sanft beugte ich mich zu ihr hinunter und küsste sie zärtlich. Sie rückte ein Stück von mir ab. ,,Machst du das… freiwillig?“ Ich lachte leise. ,,Ja.“
Nun lachte auch sie und zog meinen Kopf erneut zu einem sanften Kuss zu sich hinunter. Der angenehme Teil war nun vorbei und das wussten wir beide. Wortlos klingelte ich. Keiner öffnete. Nach weiteren zehn Minuten öffnete ich die Tür einfach selbst. Sprachlos blickte Sindy mich an. ,,Wie…hast du…?“ Ich lachte. ,,Naja, wenn man Frauen ihre geheimsten Wünsche erfüllt, muss man doch irgendwie hinein, oder? Ich habe noch andere Fähigkeiten.“ Doch bevor sie näher nachfragen konnte, betraten wir bereits das Haus und sahen uns um. ,,Irgendetwas ist merkwürdig.“ ,flüsterte Sindy. Wir gingen so leise wie möglich an ihrer Couch entlang. Sindy wich blass ein paar Meter zurück doch ich hatte sofort begriffen was falsch war. ,,Sie ist tot.“, sagte ich tonlos. ,,A…aber sie…“ Obwohl ich nicht glaubte mich in dem Fall zu irren, tastete ich nach ihrem Puls. Nicht vorhanden. Ein Brief lag neben ihr auf dem Couchtisch. Von Cassandra für Alexandre stand in Schönschrift drauf. Ich öffnete ihn und las:
Lieber Alexandre,
wenn du das hier liest werde ich tot vor dir liegen.
Ich bin fest davon ausgegangen dass du, wenn ich dich nur lange genug quälen würde, anfangen würdest mich zu lieben – bis zu jenem Tag an dem ich dich mit dieser Ziege am Esstisch sitzen und lachen sah. Deine Liebe kann ich nicht erzwingen, aber dein Leben kann ich zerstören.
Und genau das werde ich tun, indem ich sterbe. Mit mir ist die letzte Person von diesem Planeten verschwunden, die fähig wäre deinen Fluch zu brechen.
Lebe für immer und lebe ohne Hoffnung.
Cassandra.
Alexandres Gesicht hatte alle Farbe verloren und am ganzen Leib zitternd sank er auf einen Sessel gegenüber der Couch. Schnell nahm ich den Brief selbst in die Hand und las. Zum Schluss zog ich ihn sanft an meine Brust. ,,Wir geben nicht auf! Das verspreche ich dir. Alles wird gut. Was ist den eine Geschichte ohne Happy End?“ Er antwortete nicht, schmiegte sich nur zitternd an mich und begann leise zu weinen.
Wir gingen wieder nach Hause. Zu Ihr. Keiner von uns sagte ein Wort. Sie fragte mich nur kurz ob ich es freiwillig tat und als ich leise ,,Ja“, antwortete krochen wir gemeinsam in ihr Bett und begannen uns zärtlich zu streicheln, zu küssen, zu lieben…
Danach zog ich sie sanft in meine Arme und streichelte sie weiter. Plötzlich begann sie zu lachen und sich zu winden. Verwirrt löste ich mich von ihr und sah sie verunsichert an. ,,Alles okay?“ ,,Ja.“, keuchte sie. ,,Du hast mich nur gekitzelt.“ ,,Das kann nicht sein.“ ,,Hm…?“, gähnte sie. ,,Ich kann dich nicht gekitzelt haben. Selbst wenn ich mit jemand freiwillig schlafe spüre ich… ganz genau was diejenige will. Es…es ist weg. Es ist weg!“ Langsam erwachte Sindy aus ihrem Halbschlaf und sah mich müde an. ,,Was ist den?“ Ich drehte sie auf den Rücken und blickte ihr fest in die Augen. ,,Sindy, was hast du gedacht?“ Nun schien ich sie völlig verwirrt zu haben. Aber ich konnte mich nicht beruhigen. Vor Aufregung zitternd fragte ich noch mal: ,,Was hast du gedacht während wir Sex hatten? Bitte, versuch dich zu erinnern!“
,,Hm…ich glaub ich hab gedacht… wie schön deine Geschichtszüge im dunkeln sind.“, sagte sie unfähig mich dabei anzusehen. Ich lächelte. ,,Danke. Aber… bestimmt noch mehr. Oder???“ ,,Naja, ich fand es schade, dass du immer nur dass tun kannst was ich will und mir nie sagen und tun kannst was du möchtest. Ich dachte, dass ich den Fluch brechen will damit es irgendwann anders ist. Und… ich… dachte das ich dich liebe.“
Mir wurde warm ums Herz, als ich ihre zittrige Stimme hörte. Die Arme hatte die letzten Worte kaum über die Lippen bekommen. ,,Du hast meinen Fluch gebrochen!“ ,,Was?“ ,,Dadurch das du dir gewünscht hast, dass ich tun kann was ich will, ist genau das passiert. Ich erzählte dir doch, dass während des Sex immer das passiert was die jeweilige Frau will.“ ,,Warum hast du mir das nicht früher gesagt? Wir hätten uns das alles ersparen können!“ ,,Ich wusste es nicht. Ich dachte das betrifft nur Dinge, die ich selbst möglich machen kann. Aber selbst wenn, ein Mensch kann nie steuern was er sich von Herzen wünscht und was nicht. Und durch das Gefühl es sich wünschen zu müssen, wäre es vielleicht auch gar nicht passiert. Du hast mich gerettet. Übrigens: Ich liebe dich auch!“ Mit diesen Worten zog er mich fest an sich und küsste mich bis ich nach Atem rang.
,,Was passiert nun mit dir, wo der Fluch gebrochen ist?“ ,,Ich kann tun und lassen was ich will. Ich bin nun, endlich wieder, ein Mensch. Mit einer menschlichen Lebensspanne, menschlichen Wünschen und Bedürfnissen und einer unvergleichlichen Frau an meiner Seite!“
Selbst nach zweitausend Jahren werde ich noch immer feuerrot, wenn ich einen Moment Zeit finde darüber nachzudenken was ich tue. Glücklicherweise lassen mir die Frauen – und manchmal Männer – zu denen ich gerufen werde kaum Zeit darüber nachzudenken. Was ich tue ist einfach gesagt. Sex, ficken, Geschlechtsverkehr betreiben, poppen. Viele Wörter für ein und dasselbe. Jede Nacht, wieder und wieder. Jede Nacht mit einer anderen.
Ich spiele die männliche Nutte der gesamten Menschheit, dachte ich bekümmert. Ich spürte wie meine Laune sank während ich eine Frau – die mir so unbekannt war, dass mir
nicht mal ihr Name einfiel – betrachtete. Den Kopf auf meinem Oberarm und die Hand über meine Hüfte gelegt, schlief sie neben mir. Im Zimmer war es dunkel. Sie hatte mich gegen einundzwanzig Uhr gerufen und seitdem hatte ich sie vier Mal zum Höhepunkt gebracht. Nun war sie völlig erschöpft eingeschlafen. Gequält schloss ich die Augen. Die dünne Bettdecke, die nur knapp meine Hüfte bedeckte, rieb über meinen noch immer erigierten Penis und sorgte dafür, dass ich nicht zur Ruhe kam.
Mühelos löste ich mich von ihr und krabbelte aus dem Bett. Durch meine Jahrhunderte, sogar Jahrtausende lange Erfahrung fiel es mir leicht mich unbemerkt anzuziehen und hinaus zu schleichen. Am Anfang war ich davon überzeugt gewesen, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis mein Fluch gebrochen werden und ich wieder frei sein würde. Irgendwann kamen mir Zweifel. Ich fragte mich, ob ich dazu verdammt war bis in alle Ewigkeit fremden Frauen jeden Wunsch von den Augen abzulesen, zu erfüllen, selbst nie zu kommen und mir immer wie ein Vibrator mit Denk-Funktion vorzukommen. Inzwischen brauchte ich es mich nicht mehr zu fragen. Ich wusste, dass weder jetzt noch irgendwann jemand meinen Fluch brechen würde.
Langsam schlenderte ich durch die dunklen Straßen Londons. Während ich die altmodischen Laternen, die mit Holzformen verzierten Bänke und den schönen Pflanzenschmuck der ebenso altmodischen Balkons bewunderte, besserte sich meine Stimmung ein wenig. Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Ich wusste, nun hätte ich ein paar wenige, kostbare Minuten, wenn nicht gar Stunden. Stunden in denen ich so tun konnte, als wäre ich ein ganz normaler Mann. Die Nacht war herrlich klar und warm. Am Himmel war nicht eine Wolke zu sehen. Ich beobachtete einen kleinen Schwarm Vögel, die – auf der Flucht vor dem Winter – gen Süden flogen. Man sollte meinen, wenn man so lange gelebt hat wie ich, ist man gegen jeden Schmerz immun, doch als ich die Vögel betrachtete überwältigte mich eine so starke Sehnsucht nach Freiheit, dass mir Tränen in die Augen traten.
Entkräftet sank ich auf eine der Bänke, die ich eben noch bewundert hatte, legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und gestattete mir einen Moment der Schwäche und der Erinnerung. In Gedanken reiste ich in die Vergangenheit.
Ich stand auf einer Straße. Zumindest auf dem was man, vor rund zwei Jahrtausenden, als Straße bezeichnet hatte. Eine Mischung aus Sand und Erde, die über Jahre von Ziegen, Ochsen und Pferden festgetrampelt worden war. Es war Frühling. Das erste Grün wurde gerade erst sichtbar und der Duft von Narzissen und Drachenwurz lag in der Luft. Es war früher Abend und die vom Winter noch stark abgemagerten Menschen, eilten nach einem harten Arbeitstag in ihre Hütten zurück.
Ich ging langsam die Straße hinunter und nahm die Umgebung und die Vergangenheit in mich auf. Ich war nicht mehr zweitausenddreiundvierzig Jahre alt und wünschte mir ein Ende meiner Qualen. Ich war neunzehn. Ein Jungspund der sein Leben noch vor sich hatte. Angefüllt mit Träumen und der Hoffnung auf eine glückliche Zukunft. Ich war groß, trotz meiner schlanken Statur muskulös und wurde im ganzen Dorf für meine Fähigkeiten mit dem Schwert geachtet und von den schönsten Frauen umschwärmt.
,,Hilfe, Hilfe!“, hörte ich ein ganzes Stück weiter eine junge Frau rufen. Mein Körper, durch zahllose Kämpfe und Trainingseinheiten darauf vorbereitet, reagierte sofort und rannte der Stimme entgegen.
Drei Reiter, die aussahen als kämen sie gerade aus einer der vielen Kasernen der Umgebung, hatten ein etwa vierzehn jähriges Mädchen umzingelt. In der damaligen Zeit war es gang und gebe das Frauen, die allein und schutzlos abends herumliefen, vergewaltigt und sogar ermordet wurden. Die Trauer um den Verlust der Töchter und Ehefrauen wird, da bin ich mir absolut sicher, noch in hunderttausend Jahren so betrauert werden wie in vergangener Zeit. Der einzige Unterschied ist die Häufigkeit der Morde und somit die Aufmerksamkeit die ihnen geschenkt wird. Denn Dinge, die selten geschehen, werden intensiver beachtet als alltägliches Unglück. Dabei würde gerade erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber dem was falsch und grausam ist dazu beitragen das Leben und die Welt zu verbessern.
Ich rannte zu dem Mädchen und stellte mich zwischen sie und die Reiter. Auch wenn ich mit beeindruckenden Fähigkeiten mit dem Schwert aufwarten konnte, waren drei zu eins doch zu viel.
Ich drehte mich zu dem Mädchen um. Ihre Schönheit nahm mir fast den Atem. Ihr langes, glänzendes, feuerrotes Haar reichte bis zu ihrer schmalen Taille und betonte diese auf umwerfende Weise. Sie hatte ein schmales Gesicht, was allerdings keineswegs streng oder kalt sondern vielmehr freundlich wirkte. Etwas kleiner als ich, konnte ich ihr problemlos in die Augen sehen, die einen Farbton hatten den ich nie zuvor gesehen hatte. Irgendetwas Dunkles mit einem ganz leichten Rotstich. Wunderschön.
Das alles nahm ich innerhalb von Sekundenbruchteilen war. ,,Lauf weg!“, befahl ich dem Mädchen barsch und drehte mich wieder zu den Reitern um.
,,Du hast uns unseren Spaß vermiest.“, sagte der erste und bulligste der drei. Aus den Augenwinkeln sah ich wie das Mädchen querfeldein fortrannte. In der damaligen Zeit wurden Menschen die für andere eintraten keineswegs verehrt. Sie wurden als dumm und einfältig angesehen. In der vergangenen Zeit, wo eine einzige falsche Bemerkung das Leben fordern konnte, war sich jeder selbst der Nächste.
,,Ich denke, es wäre ein ziemlich einseitiger Spaß gewesen.“, antwortete ich und schob meine Hand unauffällig in die Nähe meines Gürtels, an dem mein Schwert befestigt war. Meine Hoffnung ohne Kampf davon zu kommen, löste sich in Luft auf als zwei der Reiter ihre Position wechselten und ich plötzlich eingekreist war.
Kampf ist meine Stärke, nicht Diplomatie. Und so ist es vermutlich kaum verwunderlich das ich nicht wusste was ich sagen sollte.
,,Leute… kommt. Auf ein Bier. Ich lade euch ein.“
,,Etwas anderes wäre mir persönlich jetzt lieber.“, sagte der bullige, der scheinbar der Anführer war und zog sein Schwert. Hinter mir hörte ich es klirren und begriff, dass auch die anderen zwei ihre Schwerter inzwischen gezogen hatten. Sie stiegen von ihren Pferden und kamen näher. Ich zog ebenfalls mein Schwert, war mir aber vollauf bewusst, dass ich nicht drei gleichzeitig abwehren konnte.
,,Weißt du, eine schöne Prügelei könnte mir auch gefallen.“, sagte der Anführer zu mir. ,,Was hältst du davon?“
Ich wog meine Chancen ab. Einen Schwertkampf gegen drei Soldaten der Kaserne zu überleben war nicht sehr wahrscheinlich. Eine Prügelei schon eher. Ein letzter Blick über die Schulter sagte mir, dass keine Hilfe in Sicht war. Und so straffte ich die Schultern und warf mein Schwert einige Meter von mir fort. Auch wenn ihnen Anstand fremd war, verbot ihnen ihre Männerehre dies auszunutzen und so warfen sie ihre Schwerter meinem hinterher.
,,Dann los!“, sagte der Anführer gut gelaunt.
Prügelei konnte man das, was folgte, wohl kaum nennen. Eher ein draufhauen. Innerhalb von wenigen Sekunden hatten sie es zu dritt geschafft mich zu packen und in eine Position zu bringen in der sie mich – für sie – bequem zusammenschlagen konnten. Irgendwann wurde mir schwarz vor Augen und ich sank in Ohnmacht.
,,Hey, aufwachen!“ Ich brauchte eine Weile bis ich wieder halbwegs bei Sinnen war. Das erste was ich spürte, war der Schmerz, der von einem dumpfen Pochen meiner Nase bis zu dem schneidenden, brennenden meiner Schulter reichte. Ich wimmerte gequält. Als Mann in dieser Zeit gibt man solche Geräusche nur sehr selten von sich und auch wenn sich alles drehte und ich das Gefühl hatte gleich wieder ohnmächtig zu werden unterdrückte ich weitere davon.
,,Bist du wach? Wie geht es dir?“, hörte ich eine hohe Piepsstimme fragen. Ich öffnete die Augen, oder versuchte dies zumindest. Durch einen kleinen Spalt, des Auges das nicht völlig zugeschwollen war, erkannte ich das Mädchen von vorhin wieder.
,,Hervorragend.“, antwortete ich, meine Stimme voll Ironie. Sie lächelte matt, kniete sich neben mich und hob meinen Kopf etwas an um ihn auf ihre Beine zu legen. Als sie dabei meine Schulter bewegte, schrie ich gepeinigt auf. Während ich mit fest geschlossenen Augen versuchte die Schmerzen zu unterdrücken, streichelte sie sanft meine Stirn.
,,Lebt er noch?“, hörte ich eine tiefe Männerstimme fragen.
,,Ja, Vater.“, antwortete das Mädchen.
,,Also schön. Dann lass ihn uns ins Haus bringen.“
Ich spürte wie ihr Vater meinen, scheinbar unversehrten, Arm um seinen Hals legte und mich mit einem Ruck hochzog. Die Schmerzen, die diese brutale, unkontrollierte Bewegung, in mir auslöste waren grausig und ich brauchte alles was ich an Selbstbeherrschung besaß um nicht erneut zu schreien.
Nach einer schieren Ewigkeit wurde ich durch die Tür einer Hütte gezogen. An humpeln war, allein schon wegen meiner Schulter, die sich bei der kleinsten Bewegung in ein Feuerinferno verwandelte, nicht zu denken. Aber selbst wenn doch, verhinderte der Dämmerzustand in dem ich seit meinem Erwachen gefangen war, jede noch so kleine Bewegung.
Ich wurde in ein Bett gezerrt und bis auf meine Unterwäsche völlig ausgezogen. So etwas wie Heizungen oder auch nur Isolierungen gab es nicht und so zitterte ich am ganzen Leib während das Mädchen meine Verletzungen gründlich wusch, kühlte und verband.
Die Kälte und die mangelnde Bewegung linderten meine Schmerzen und brachten mich zurück in die Realität.
,,Ich bin Cassandra.“, stellte sich das Mädchen vor als sie bemerkt hatte das ich wach war.
,,Alexandre“, brachte ich mühsam hervor.
,,Ich weiß.“, antwortete sie während ihr Gesicht einen sanften Rotton annahm. ,,Danke das du mich gerettet hast.“
,,Keine Ursache.“, sagte ich und schaffte es doch glatt ein Lächeln zustande zu bringen.
Sie pflegte mich gesund. Danach trafen wir uns beinah täglich. Innerhalb von wenigen Tagen waren wir fest zusammen. Zu diesem Zeitpunkt liebte ich sie über alle Maßen und war fest davon überzeugt, dass das was wir hatten für die Ewigkeit bestimmt war. Zur damaligen Zeit heirateten Frauen bereits mit dreizehn oder vierzehn Jahren. Wenn ein aufstrebender, angesehener Soldat, in jungem Alter um die Hand einer Bauernstochter wie Cassandra anhielt – und die beiden sich sogar liebten - wurden Nägel mit Köpfen gemacht und so waren wir bereits nach wenigen Wochen verheiratet. Doch bereits vier Monate später ging unsere Beziehung in die Brüche. An den Tag, an dem alles endete, erinnere ich mich noch als wäre es gestern gewesen.
Ich hatte einen Albtraum gehabt und war deshalb früher als sonst zum Frühstück nach unten gekommen. Ich ging sehr leise. Ob es aus Instinkt war oder einfach durch die Kaserne antrainiertes, leises Verhalten was ich unbewusst umsetzte weiß ich nicht. Ich blieb am Fuß der Treppe stehen und betrachtete meine Frau. Ja, ich liebte sie in diesem Moment. Und dennoch spürte ich, dass es irgendwie falsch war. Am Anfang hatte ich es darauf geschoben, dass mir das Eheleben fremd war doch in letzter Zeit waren wir so unserem Tagesablauf gefangen das es nichts ungewohntes mehr gab.
Ich wollte mich gerade bemerkbar machen und ihr einen guten Morgen wünschen, als ich sie eine kleine Flasche aus ihrem Rock ziehen sah. Ich erstarrte und beobachtete wie sie einige Tropfen aus der Flasche in eine vor ihr stehende Tasse gab. Meine Tasse.
,,Hey, was machst du da?“, fragte ich. Alles in mir flehte, es möge nur, wie Zucker, etwas für besseren Geschmack sein und nicht, wie ich vermutete, Gift.
,,Nichts.“, sagte sie in bemüht beiläufigem Ton, der aber nicht über die Angst in ihren Augen hinwegtäuschen konnte.
,,Was hast du mir in die Tasse getan?“
Ich sah wie sie fieberhaft überlegte, wie sie aus dieser Situation hinauskommen konnte. Wäre es Gift, hatte ich das Recht sie auszupeitschen, einzusperren, auf jede erdenkliche Weise zu bestrafen und sogar hinrichten zu lassen.
Sie wich vor mir zurück. Doch ich ergriff blitzschnell ihren Arm, zog sie zu mir, griff in ihre Rocktasche und holte die kleine Flasche heraus. Inzwischen zitterte sie am ganzen Leib.
,,Was ist das?“, fragte ich mühsam beherrscht, während ich die blutrote Flüssigkeit betrachtete.
,,W…W…Wein.“, stotterte sie.
Ich war bereits seit vier Jahren Soldat. In der Zeit hatte ich vieles gelernt. Eines ist die Fähigkeit Lügen – zumindest schlechte – zu durchschauen.
,,Okay. Lass es mich so ausdrücken: Was ist das wirklich?“
Egal womit ich drohte, ich bekam kein weiteres Wort aus ihr raus. So blieb mir keine andere Wahl als zu einer Kräuterfrau zu gehen. Dieser gab ich das Fläschchen und bat sie mir zu sagen was es war. Ein Liebestrank. Zusammengebraut aus einer Mischung verschiedener Kräuter und Blut und mit einem altgriechischen Zauberspruch belegt, musste der trinkende seine Frau nur sehen um sie so sehr zu lieben, dass er sogar für sie sterben würde. Mir wurde schlecht. Die Frau fragte mich noch von welcher Hexe ich den Trank hatte, doch sie hatte nicht gelogen. Auch wenn mir mit jeder Minute klarer wurde, dass meine Liebe zu Cassandra auf diesem Trank beruhte, brachte ich es nicht übers Herz sie als Hexe anzuprangern und dadurch zuzulassen, dass sie gejagt und verbrannt wurde.
Ich schenkte ihr das Haus, was ich für uns beide gekauft hatte, und packte meine Sachen. Noch unter dem Einfluss des Trankes trennte ich mich von ihr. Als ich fort ging, schrie sie mir hysterisch nach, sie würde mich verfluchen.
Ein hilfloses Schluchzen holte mich zurück in die Gegenwart. Ich blickte mich suchend um bis ich, einige hundert Meter weiter, vier Jugendliche und ein etwa ebenso altes Mädchen sah. Sie hatten sie an einer Hauswand vor eine Buchladen eingekesselt und waren schon fast damit fertig ihr die Kleider vom Leib zu reißen. Während sie an ihrem BH zerrten und sie hemmungslos begrapschten, versuchte sie weinend ihre Blöße zu bedecken.
Manche Dinge ändern sich wohl nie, dachte ich angewidert. Keine fünf Sekunden nachdem ich sie hatte, war ich bereits dort und riss die Jungs von dem Mädchen runter. Dann griff ich mir den erstbesten den ich zu fassen bekam, hob ihn am Kragen hoch, zog ihm mit der freien Hand sowohl Hose als auch Shorts runter und wartete geduldig bis seine Kumpane wieder auf die Beine gekommen waren.
Eingeschüchtert von meinem Kraftbeweis blieben sie wie erstarrt stehen und sahen mich verstört an.
,,Seht gut her, Männer!“, sagte ich ruhig. Das ,Männer´ kam betont spöttisch raus um ihnen klarzumachen, was für Schlappschwänze sie seien mussten, da sie sich an einem wehrlosen Mädchen vergriffen.
,,Dass“, sagte ich und umfasste mit meiner freien Hand die Hoden des, noch immer an meiner Hand baumelnden, Jungen. Dieser wimmerte als er es spürte. ,,Dass passiert, wenn ich noch mal mitbekomme, dass ihr einem unschuldigen Mädchen an die Wäsche wollt!“ Ich drückte seine Hoden bis er erstickt aufschrie. Ich war vielleicht etwas grob gewesen, deswegen lockerte ich meinen Griff ein wenig. Tränen liefen über seine Wangen und mit unnatürlich hoher Stimme schluchzte er das es ihm leid täte.
,,Und euch?“, fragte ich während ich die Hoden des Jungen weiter drückte. ,,Tut es euch auch Leid?“ Ich spürte wie eine warme Flüssigkeit über meine Hand lief. Aber ich war ja selbst Schuld und außerdem hatte ich im laufe der Jahrhunderte schon viele Dinge machen und mitmachen müssen die viel ekelhafter waren als das.
Die bis dato erstarrten Jungs nickten hastig. ,,Ja!“ Ich lächelte. ,,Brav. Ihr könnt euch sicher sein, wenn ihr diesem Mädchen oder irgendeinem sonst jemals wieder etwas tut, werde ich euch finden. Und nun verschwindet!“
Bei meinem letzten Wort nahmen die beiden ihre Beine in die Hand und rannten fort. Etwas verspätet viel mir ein, dass der dritte Junge noch immer am Ende meiner Hand baumelte. ,,Du hast ja nette Freunde. Schon traurig zu sehen wie sie dich einfach so im Stich lassen, oder?“
Als der Junge schluchzte ließ ich ihn zu Boden sinken. ,,Hau ab.“ Mit einer Hand seine Hoden umklammernd und seine Hose zurücklassend rannte er davon.
,,Geht es dir gut?“, fragte ich an das Mädchen gewandt.
Verschreckt blickte sie mich an. ,,J…ja, danke.“
,,Ich hoffe, ich habe dir eben keine Angst eingejagt. Ich dachte nur ein ordentlicher Schock wäre mehr Wert als ein schnelles wegjagen. So werden sie es sich zweimal überlegen, ob sie es noch einmal tun.“
,,Zweimal? Eher hunderttausend Mal. Wenn das überhaupt Reicht!“, brachte sie hysterisch lachend hervor.
,,Ich glaube du hast einen Schock…“
,,Vermutlich hast du Recht.“, sagte sie und versuchte vergeblich weitere Lachanfälle zu unterdrücken. Ich lächelte matt, hob ihre Kleidung vom Boden auf, schüttelte den Dreck ab und reichte sie ihr.
Durch den Schock war sie unnatürlich blass. Ihre Augen hatten einen warmen Braunton, der sicher unter normalen Umständen sehr schön war, wenn nicht der Rest ihrer Augen durch ihre Tränen gerötet gewesen wäre. Ihre langen, braunen Haare lagen, vom weglaufen, strähnig auf ihrem Kopf und klebten auf ihrer verschwitzten Stirn. Sie hatte sich scheinbar mit den Jungs ein hartes Wettrennen geleistet bevor sie sie geschnappt und ich sie entdeckt hatte. Von der Figur her ähnelte sie auf verblüffende Weise Cassandra mit einer Ausnahme. Sie war bestimmt mindestens fünfzehn Zentimeter kleiner als Cassandra.
Dankbar lächelte sie mich an, nahm sie entgegen und zog sich an. ,,Wo wohnst du? Ich…“, sagte ich, doch noch bevor ich zu Ende reden konnte, spürte ich den intensiven Ruf des Fluches und wusste, ich musste zurück. Zurück zu der wildfremden und ihr zu Diensten sein.
,,Ich muss leider fort. Ruf dir ein Taxi und pass auf dich auf.“, sagte ich, während ich ihr zwanzig Pfund in die Hand drückte für den Fall das sie kein Geld dabei hatte.
,,Warte!“, rief sie mir hinterher. Ich wäre stehen geblieben. Ich hätte sie gerne nach Hause gebracht und mich vielleicht sogar noch ein wenig mit ihr unterhalten. Es wäre schön gewesen mich, nicht als Vibrator mit Denk-Funktion mit meiner Herrin sondern, als Mensch mit einem anderen Menschen zu unterhalten.
Niedergeschlagen versank ich wieder in Gedanken während ich, vom Fluch getrieben, so schnell ich konnte durch die Straßen zurück zu dem Haus rannte aus dem ich mich vor etwa zwei Stunden fortgeschlichen hatte.
Nachdem mich der Fluch getroffen hatte, hatte ich es genossen jede Nacht in einem anderen Bett zu sein. Schöne, willige Sexpartner, keine Eifersuchtsszenen und ständig neue Orte die ich bewundern konnte. Ich hatte Cassandra innerlich verspottet. Anstatt eines Fluches hatte sie mir ein großes Geschenk gemacht, dachte ich. Doch dann war ich erwachsen geworden. Mit jeder Nacht begann ich mehr und mehr zu begreifen was der Fluch wirklich bedeutete. Niemals einen Ort zu haben den man als Zuhause bezeichnen konnte, da man ständig woanders war, keine Freunde mit denen man rumalbern und seine Sorgen teilen konnte, niemals tief empfundene, ehrliche Liebe erleben und jeden Tag von neuem von seinem eigenen Körper vergewaltigt werden.
Naja wo wir schon beim Thema sind…dachte ich ironisch während ich spürte wie sich mein Körper ohne mein zutun bewegte. Schalt den Kopf aus. Denk nicht daran was du gleich tun musst. Die Frau erwartete mich bereits an der Haustür. Lächelnd trat sie zur Seite. Während ich eintrat lächelte ich höflich zurück.
,,Ich habe mich gefragt wo du bist. Du sagst du erfüllst meine geheimsten Wünsche und dann verschwindest du sobald ich kurz eindöse?“, tadelte sie mich.
,,Wenn es dein Wunsch ist, dass ich auch über deinen Schlaf wache, werde ich dies selbstverständlich tun.“, sagte ich niedergeschlagen. Der Fluch verhinderte jedoch, dass die Frau etwas von meiner miesen Stimmung mitbekam.
,,Im Moment ist Schlaf das Letzte was ich im Sinn habe. Du bist so…“ Ohne den Satz zu beenden kam sie mir näher und küsste mich. Denk an Fußball, den 11. September, Hausarbeit versuchte ich mich verzweifelt davon abzulenken das ich den Kuss erwiderte. Ich spürte wie ihre Hand über meinen Körper wanderte und an meiner Jeans stoppte. Der neue Audi mit Sportauspuff und Servolenkung! Der Fluch zwang mich immer genau das zu tun was die jeweilige Person die mich rief sich wünschte. Das ich meine Hände nicht mehr bewegen konnte, während sie mit ihrer über die größer werdende Beule in meiner Jeans rieb, hatte also einen Grund. Ich stöhnte gequält während ich spürte wie meine Erektion von der Hose unangenehm eingezwängt wurde. Trotz dieser Situation wäre es mir lieb gewesen die Zeit anhalten zu können und nicht hilflos spüren zu müssen wie sie mich komplett auszog. Sanft drückte sie mich aufs Bett. Die dicken Eisen-Handschellen mit denen sie meine Hände an die Pfosten ihres Bettes fesselte, waren eher eine symbolische Geste. Scheinbar törnte es sie an zu wissen, dass sie mit mir tun und lassen konnte was sie wollte.
Scham stieg in mir auf, als ich spürte wie sie an meinem Körper hinab glitt und anfing meinen Penis grob zu stimulieren. Schon nach kurzer Zeit war ich kurz vor dem Orgasmus. Mir war klar, dass ich nicht kommen würde. Sie dachte, dass sie das Endergebnis bei sich selbst noch steigern könnte, ich mir mehr Mühe geben würde, wenn ich bis zum geht-nicht-mehr erregt wäre, aber da irrte sie sich. Ich war vorm Orgasmus weil SIE es wollte. Ich würde sie stimulieren wie SIE es wollte und zum Orgasmus bringen wann SIE es wollte.
Wie ich es bereits erwartet hatte, löste sie meine Fesseln und damit auch die geistigen und küsste mich lang und ausgiebig auf den Mund. Mein Körper drehte sich mit einer blitzartigen Bewegung, so dass ich auf ihr zum liegen kam. Dann fesselte ich sie, wie sie vorher mich und flüsterte rau: ,,Jetzt nehme ich Rache.“
Ich begann mir langsam einen Weg ihren Körper hinabzuküssen, rieb zärtlich über eine ihrer Brustwarzen und verwöhnte sie gut zwanzig Minuten mit sanften Liebkosungen und bissen. Zum Schluss begann ich langsam kreisend an ihrer sensibelsten Stelle zu lecken, an ihr zu sagen und zu blasen. Ich hörte sie wimmern und wusste dass sie den Orgasmus nun wollte. Ich begann sie schneller und sanfter zu lecken und merkte wie sie keine Minute später anfing zu zucken und zu schluchzen. Ich leckte noch einige Sekunden weiter bis auch die kleinen Nachbeben abgeklungen waren und beendete es mit einem sanften Kuss auf ihren Mund. Sanft löste ich ihre Fesseln und deckte sie zu. Ich hörte sie glückselig seufzen während mein Penis weiter gequält pochte. Als ich sicher war, dass sie eingeschlafen war, ging ich ins Badezimmer und unter die Dusche um den Druck durch die Kälte des Wassers zu lindern. Mein Körper begann haltlos zu zittern und ich war mir sicher, dass es nicht durch das kalte Wasser kam. Entkräftet sank ich auf den Boden der Dusche und begann leise zu weinen. Geschafft. Ich spürte wie der Fluch… nachließ. Ich wusste er würde zurückkehren sobald die nächste Frau meine Dienste wollte aber im Moment war ich frei und mein Körper gehorchte nur mir allein. Ich trocknete mich schnell ab, zog mich an und rannte so schnell ich konnte raus in die kalte Nachtluft.
Tief atmend, um die Tränen und das zittern zurückzudrängen, wanderte ich erneut durch die Straßen Londons. Doch irgendwann gab ich es auf, sank auf einer Parkbank zusammen, die Arme fest um meinen Körper geschlungen, und ließ meinen Tränen freien Lauf.
Es war sehr knapp gewesen. Während ich in meiner Zwei-Zimmer-Wohnung am Fenster saß und die Sterne betrachtete, dachte ich über die nur knapp vereitelte Vergewaltigung nach. Der Mann der mir geholfen hatte, sah richtig gefährlich aus. Mit kurzen, verstrubbelten, blonden Haaren. Sein Körper war muskelbepackt und seine grünen Augen…. In seinen Augen lag eine unglaubliche Wildheit, aber auch… Einsamkeit?
Wahrscheinlich hatte ich mich geirrt, schließlich war unsere Begegnung sehr kurz gewesen. Es war mir so vorgekommen als ob er noch etwas hatte sagen wollen. Was hatte dafür gesorgt, dass er so plötzlich verschwand? Wolken begannen sich über die Sterne zu schieben und ein regelrechter Wolkenbruch war das Ergebnis. Wäre ich nicht hier aufgewachsen, hätte es mich vielleicht beeindruckt zu sehen, dass das Wasser so schnell hinabprasselte das die Gullys kaum nachkamen und sich ein kleines Meer auf dem Fußweg sammelte. Ich hätte ihn fast übersehen, während ich dem Meer beim wachsen zusah. In der Dunkelheit, mit seiner dunklen Kleidung und so auf der Bank zusammengekauert, wirkte er beinah unsichtbar. Doch der Mann der dort saß, war eindeutig mein Retter von vor einigen Stunden. Wieso saß er da in dem Regen? Selbst aus der Entfernung ließ es nur einen logischen Schluss zu: Es ging ihm nicht gut. Ich zögerte nur eine Sekunde. Was wenn er es doch nicht war und er ihm nur aus der Entfernung ähnlich sah? Doch den Gedanken verwarf ich. Ich war es ihm schuldig mich vernünftig bei ihm zu bedanken und ihm zu helfen, falls er Hilfe benötigte. Schnell zog ich Jeans und Regenjacke über mein Nachthemd und die Gummistiefel über meine nackten Füße.
Der Weg bis zu der Bank auf der er saß war kurz. Vom ersten Stock abwärts und dann an einigen Läden vorbei. Keine hundert Meter. Ich zog mir die Kapuze tief ins Gesicht und näherte mich dem Mann vorsichtig. Er war bereits völlig durchnässt. Seine Jeans und sein T-Shirt klebten wie eine zweite Haut an ihm. Tief vorgebeugt saß er da, sodass ich sein Gesicht nicht sehen konnte.
,,Hallo?“, fragte ich vorsichtig. ,,Geht es ihnen gut?“ Er reagierte nicht. Er war doch nicht etwa…Tod? Nein, bei näherem hinsehen konnte ich sein krampfhaftes zittern sehen. Zögerlich legte ich meine Hand auf seinen Oberarm. Er zuckte kurz zusammen, dann blickte er auf. Ja, ich hatte Recht gehabt. Er war es. Diese grünen Augen hätte ich vermutlich unter tausenden wieder erkannt.
,,Was haben Sie? Wieso sitzen sie hier rum? Sie werden sich noch den Tod holen!“ Es war tiefe Nacht. Drei oder vier Uhr. Und dementsprechend im späten Herbst kalt. Maximal zwei oder drei Grad über null und er saß da, bis auf die Knochen durchnässt, im T-Shirt.
Er lehnte sich auf der Bank zurück und legte den Kopf in den Nacken damit der Regel noch besser auf ihn einprasseln konnte. Mit schwacher Stimme sagte er: ,,Und du? Wie alt bist du? Neunzehn? Zwanzig? In dem Alter nachts rumwandern ist auch nicht gerade das was man klug nennt.“ ,,Ich wohne hier. Ich bin nur rausgekommen, weil ich sie sah und mich sorgte!“, verteidigte ich mich. ,,Außerdem bin ich bereits siebenundzwanzig und nicht neunzehn.“
Das war ungewöhnlich. Ich starrte das Mädchen das vor mir stand einen Moment lang verblüfft an. Normalerweise konnte ich das Alter von Personen bis auf wenige Tage genau schätzen. Ein verborgenes Talent? Ich denke nicht. Wohl eher das Ergebnis von Millionen und Abermillionen verschiedener Gesichter die ich in meinem Leben gesehen habe. Aber egal, gewöhnlich war schließlich eines der wenigen Wörter die nicht auf mich zutrafen.
,,Achso? Geh trotzdem besser wieder rein.“, murmelte ich tonlos, wofür ich mich sofort schämte. Ich wollte nicht, dass sie ging. Die ehrliche Besorgtheit, die ich aus ihrer Stimme heraushörte, berührte mich zutiefst.
,,Sie haben geweint.“, stellte sie nüchtern fest. Ich spürte genau, wie mein Gesicht innerhalb weniger Sekunden feuerrot und glühend heiß wurde. Ich hatte bereits vor Jahrhunderten mit meinem Schicksal abgeschlossen und aufgehört damit zu hadern. Doch irgendwie war heute vieles aus mir herausgebrochen. Scham, Trauer, Verletzbarkeit, Einsamkeit… Er hatte bereits vorhin im Schlafzimmer gespürt, dass dies kein guter Tag werden würde. Normalerweise konnte er sich, wenn es soweit war und er der jeweiligen Frau völlig ausgeliefert war, gut ausklinken. Sein Körper übernahm dann das Kommando und er selbst war nur minimal anwesend. Heute war es anders gewesen. Er hatte jede Berührung gespürt. Seine Erregung und auch die Tatsache, dass er sich nicht frei bewegen konnte war ihm lange nicht mehr so intensiv bewusst gewesen wie heute.
,,Du spinnst. Wieso sollte ich.“, zickte ich sie an.
,,Das frage ich dich. Dir geht’s nicht gut!“
,,Achso? Wie schlau du doch bist!“ Inzwischen war ich richtig laut geworden, war aufgestanden und hatte die Hand die sie auf meinen Unterarm gelegt hatte grob abgeschüttelt.
Einige Sekunden kämpfte ich mit mir bevor ich, ihr meinen Rücken zugedreht, leise sagte: ,,Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht so anfahren. Mir geht es wirklich nicht gut, aber…. du kannst nichts tun.“
,,Hm. .. du solltest dich erstmal etwas ausruhen. Geh nach Hause etwas schlafen.“
Matt nickte ich. ,,Weißt du wo hier in der Gegend ein Hotel ist? Ich war lange nicht mehr hier. Das Hotel in das ich wollte steht nicht mehr.“
,,Ein Hotel? Hier stand, soweit ich weiß, nie ein Hotel. Nicht zu unseren Lebzeiten zumindest. Du wohnst nicht hier?“
,,Nein, ich…arbeite hier. Vorübergehend.“
Einen Augenblick dachte sie nach, dann: ,,Komm mit mir!“
Verblüfft drehte ich mich zu ihr um.
,,Du kannst heute bei mir bleiben. Du brauchst einen Unterschlupf…“
Zuerst wollte ich ablehnen, doch dann lächelte ich sie matt an und nickte. Gemeinsam gingen wir in ihr Apartment. Dort, in der Wohnung, wurde sie plötzlich feuerrot. Einen Moment trat sie unsicher von einem Bein aufs andere, bevor sie schließlich, eine Entscheidung getroffen, ihre Regenstiefel abstreifte und schließlich mit nackten Füßen in das angrenzende Zimmer tapste. Als sie zurückkam drückte mir ein Schlabbershirt und eine Jogginghose in die Hand.
,,Sind von meinem Ex-Freund übrig geblieben. Was größeres kann ich nicht anbieten.“, sagte sie und beäugte zweifelnd erst die Kleidung und dann mich. Ich lächelte. Ich hegte die gleichen Zweifel wie sie. Auch ich glaubte nicht, dass sie passen würden. Ich hatte nicht mal damit gerechnet dass sie überhaupt etwas fand. Eigentlich hatte ich ablehnen wollen, doch die Kleidung fühlte sich so warm, weich und vor allem trocken unter seinen Fingern an, dass ich nicht wiederstehen konnte. Ich kann ja schlecht ihre Wohnung volltropfen, rechtfertigte ich mich vor mir selber, während ich mit der Kleidung im Badezimmer verschwand. Nachdem ich mich – ihrem Angebot folgend – kurz heiß geduscht und umgezogen hatte, stand sie noch immer – nass wie zuvor im Flur. Als sie gähnte konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Sie sah so müde aus wie ich mich fühlte.
,,Alles okay?“, fragte ich.
,,J…ja.“ Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich eine Schlafanzughose die schnell hinter ihrem Rücken verschwand, während sie ins Bad floh. Ich grinste. Sie hatte nichts drunter. Das war also der Grund, warum sie sich nicht ihrer Regenkleidung entledigt hatte. Keine zwei Minuten später trat sie wieder aus dem Bad. Verlegen standen wir voreinander.
,,Nun, ich zeige dir am Besten wo du schlafen kannst…“, sagte sie. Ich folgte ihr ins Wohnzimmer und half ihr dabei die Couch auszuklappen.
,,Sie ist nicht sonderlich bequem und vermutlich sogar zu klein, aber…“
,,Nein, sie ist perfekt. Danke.“, erwiderte ich lächelnd und nahm die Decke entgegen die sie mir gab. Trotz der heißen Dusche klang die Kälte des Regens noch in mir nach und die Decke spendete die ersehnte Wärme. Es dauerte keine zwei Minuten und ich war bereits tief und fest eingeschlafen.
Am nächsten Morgen wachte ich von dem Geruch von Kaffee auf. Ich blieb noch einen Augenblick liegen, noch nicht bereit den Tag zu beginnen, und starrte an die Decke. Was würde der Tag bringen? Das hatte ich mich schon lange nicht mehr gefragt. Aber ich hatte auch schon sehr lange nicht mehr bei einem wildfremden Mädchen übernachtet und NICHT mit ihr geschlafen. Auch war ich schon lange nicht mehr mit Kaffee geweckt worden. Seufzend stand ich auf und folgte meiner Nase. Ihre Wohnung war extrem klein. Ein Kleiderschrank, ein Bett, ein Fernseher und ein Highboard, darauf bestand das Wohnzimmer. Mochte sie es so…beengt? Der winzige Flur führte in die Küche, in der kaum genug Platz war, damit zwei Personen sitzen konnten.
,,Was magst du essen?“, fragte sie freundlich aber noch sichtbar müde.
,,Frühstück inklusive? Das ist toll.“, gestand ich. ,,Das habe ich schon sehr lange nicht mehr getan.“
,,Gefrühstückt?“
,,Nein…oder doch, ja.“ Nachdem ich die Bedürfnisse der Frauen erfüllt hatte, wollten sie meistens dass ich ging. Daran wo ich schlief, wo ich aß und ob es mir gut ging… nein, daran hatten sie nie einen Gedanken verschwendet. Wozu auch? Sie bekamen ja was sie wollten. Dankbar nahm ich eine Scheibe Toast und begann sie mit Marmelade zu beschmieren. ,,Ich weiß gar nicht deinen Namen.“, sagte ich lächelnd zu ihr. ,,Weiß gar nicht bei wem ich mich bedanken muss.“
Sie errötete. ,,Sindy. Aber du brauchst dich nicht zu bedanken.“
Ich lächelte. ,,Ich bin Alexandre.“
,,Ein ungewöhnlicher Name. Aber schön.“
Damals war es ganz und gar kein ungewöhnlicher Name gewesen. Aber das konnte ich ihr ja schlecht sagen, oder? Plötzlich kam mir in den Sinn das ich jederzeit durch den Fluch fluchtartig die Wohnung und sie verlassen könnte. ,,Meine Arbeit… sie kommt ziemlich plötzlich und ich muss dann sofort los. Und damit meine ich wirklich sofort. Besser du weißt es nicht das du… na ja…“
Sie nickte. ,,Ja, okay.“
Eine Weile aßen wir in einträchtigem Schweigen unseren Toast. Nachdem ich ihr geholfen hatte das Geschirr wegzuräumen, setzten wir uns gemeinsam auf ihr Bett. Die einzige Sitzmöglichkeit abgesehen von der winzigen Küche.
,,Warum warst du gestern so traurig?“, fragte sie geradeheraus. Ich lächelte. Ja, ich mochte Leute die schnell auf den Punkt kamen. Da ich jederzeit wieder fortgehen könnte, war ich ein sehr schneller Mensch geworden. Der Gedanke, dass mich gleich jemand rufen könnte, verdarb mir die Laune gewaltig. ,,Mein Job… gefällt mir nicht. Um genau zu sein hasse ich ihn. Aber… ich kann nicht kündigen.“ Innerlich schüttelte es mich vor unterdrücktem lachen. Job, kündigen. Was für eine Untertreibung! Aber dennoch stimmte es irgendwie.
,,Warum kannst du nicht kündigen?“
Ja, wie sollte ich ihr erklären das Flüche keine Kündigungsfrist hatten? Naja, vielleicht genau so. ,,Flüche haben keine Kündigungsfrist.“ ,sagte ich trocken.
Einen Moment sah sie mich verdutzt an. Dann begann sie hemmungslos zu lachen. Ich mochte ihr lachen. So echt und unverfälscht. Sie wollte nichts von mir außer reden. Eine ungewohnte Erfahrung. Mit ihr zu reden war, als würden riesige Felsen die vorher auf mir lagen einfach heruntergenommen und als könnte ich das erste Mal nach ewiglanger Zeit wieder frei atmen. Ich lächelte sie an.
,,Es würde zu weit führen es zu erklären. Ich habe den Job schon sehr lange und…“
,,Ist okay. Belassen wir es einfach dabei. Hast du schon einmal mit deinem Chef darüber gesprochen?“
,,Der ist… Tod.“ Nicht auffindbar würde es eher treffen. Tatsächlich war Cassandra, seit dem Tag an dem sie den Fluch aussprach nicht mehr zu finden gewesen. Aber auch dass war schwer zu erklären. Nun schien sie vollends verwirrt zu sein.
,,Ich komme aus dem Job nicht raus, da kann man nichts gegen tun. Aber… ich bin sehr froh, dass ich heute Nacht bei dir gelandet bin. Es war… ich danke dir.“
,,D…du hattest dich bereits bedankt. Aber wie gesagt, es waren keine großen Umstände und ich habe mich sehr über die Gesellschaft gefreut. Was tust du in deinem Job?“, wechselte sie abrupt das Thema.
Ich bringe mehr als tausend Frauen jährlich zum Orgasmus.
,,Ich… werde angefordert und… helfe den Kunden bei… besonderen, anfallenden Arbeiten.“
,,Sowas wie eine Ich-AG? Hilfst du Luftballons aufblasen, Tische dekorieren und Schränke aufbauen?“ ,,Ja, so was in der Art. Blasen musste ich auch schon mehrmals.“, sagte ich in einem plötzlichen Anfall von schwarzem Humor.
Sie erzählte mir, dass sie in einem Tierheim arbeitete und viel Zeit aufwendete um Rezepte auszuprobieren und anbrennen zu lassen. Wir redeten gute zwei Stunden lang und sie begann mir immer besser zu gefallen. In die Haarsträhne, die ihr immer wieder ins Gesicht fiel und wie sie den Kopf leicht drehte, wenn sie lachte hatte ich mich schon fast verliebt. Ich Narr. Ich wusste doch, dass ich bald fortgehen musste. Wer weiß, wer mich als nächstes rufen würde. In welcher Stadt und Land ich als nächstes seien würde. Das letzte Mal in London war ich vor rund dreißig Jahren gewesen. Was sagte das uns? Das es absolut hoffnungslos war. Wahrscheinlich würde ich sie in ein paar Minuten das letzte Mal sehen und danach nie mehr genug Zeit haben oder einfach zu weit entfernt sein um sie wieder zu sehen. Wenn ich dann in dreißig, vierzig oder fünfzig Jahren das nächste Mal hier wäre, würde sie mich nicht mehr erkennen. Für Menschen war das eine sehr lange Zeit.
Ich hatte erwartet, dass ich von jemandem gerufen werden würde noch bevor wir zu Ende gefrühstückt hatten, doch am frühen Nachmittag fragte ich sie vorsichtig ob ich nicht besser gehen sollte. Ich war gerne bei ihr, aber ich wollte ihr auch nicht zur Last fallen oder auf die Nerven gehen. Schließlich hatte sie mich barmherzig bei sich aufgenommen. Aber das war ja kein Freifahrtschein bis ins nächste Jahrhundert an ihr zu kleben. ,,Nein, ich freue mich über Gesellschaft.“, sagte sie wiederholt und ein weiteres Gefühl machte sich in mir breit. Sorge. Sie schien mir sehr einsam zu sein. Und sehr unvorsichtig. Ich hätte ein Verbrecher oder gar Mörder sein können und sie hatte mich in ihre Wohnung gebracht.
,,Ich weiß nicht, ob es mir möglich sein wird. Aber falls ja, darf ich dann nach der Arbeit irgendwann mal wieder vorbeischauen?“ Sie lächelte matt. ,,Ja.“
Es dauerte mehrer Stunden, doch irgendwann spürte ich die Fesseln sich erneut schließen. Ich hatte die Zeit mir ihr sehr genossen. Die Tatsache, dass sie mich uneigennützig in ihre Wohnung eingeladen hatte, mir zugehört und mich bewirtet hatte…es hatte mich sehr berührt. Vermutlich hatte ich deswegen nun, da ich spürte wie sich mein Körper von selbst erhob, einen Kloß im Hals. Mir war klar, dass die Chancen sie jemals wieder zu sehen sehr gering waren. Und das sie mich dann noch erkennen würde, diese Chance tendierte gen null.
Cassandra saß in einem bequemen Sessel. Ihre nackten Füße genussvoll im großen Perserteppich vergraben. Die Augen geschlossen. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie allein mit der Kraft ihrer Gedanken sehen was ihr ehemaliger Freund Alexandre tat. So hatte sie auch dagesessen und ihn beobachtet, während er die Fesselspielchen der letzten Frau, die ihn gerufen hatte, erduldet hatte und danach auf der Bank neben den Geschäften der Stadt zusammengebrochen war und geweint hatte. Es hatte sie glücklich gemacht ihn leiden zu sehen. Empfinden tat sie schon lange nichts mehr für ihn. Doch, das war nicht ganz die Wahrheit. Hass empfand sie noch. Einen unbändigen Hass , dass er es gewagt hatte sie zu verlassen. Damals war sie jung gewesen.
Eine unbedarfte Junghexe von nicht mal fünfhundert Jahren. Doch ihre Wut war damals schon so gewaltig gewesen und hatte gereicht um einen Fluch heraufzubeschwören der sein ganzes Leben ruiniert hatte. Noch heute schloss sie unbändig gerne die Augen und beobachtete wie er litt, während er mit Frauen schlief die er gar nicht wollte und ebensolche Dinge tat. Die Frauen konnten seine Gedanken und Gefühle nicht sehen. Sie wollten es auch vermutlich nicht. Wenn man jemanden schon nur einmal in seinem ganzen Leben rufen konnte, wollte man doch kein Gejammer hören sondern unvergessliche Nächte erleben. Aber sie konnte seine Gedanken hören und seine Gefühle spüren. Wie er innerlich weinte, schrie und um Gnade flehte. Wie er darum bettelte, dass er sterben dürfe wie es jeder normale Mensch irgendwann tat und dadurch irgendwann von seiner Strafe befreit werden würde. Mehr als einmal hatte er nachts ihren Namen gen Himmel geschrieen und gefleht das sie den Fluch doch bitte lösen möge. Solche Momente mochte sie immer besonders. Wenn sie seine Verunsicherung spürte ob sie ihn nun hören könnte oder nicht. Wenn sie überdeutlich spürte, dass er alles tun würde um den Fluch zu brechen. Sie spielte schon seit langem mit dem Gedanken den Fluch noch etwas auszuweiten. Sie war keine unerfahrene Junghexe mehr und ihre Macht lief inzwischen viel mehr als diesen Fluch zu. Erschwerend kam hinzu, dass er in letzter Zeit seinem Leid gegenüber erstaunlich oft unbeteiligt gegenüber geworden war und eine kleine Verhärtung könnte sicher dazu beitragen das er erneut chancenlos mit seinem Schicksal rang. Entspannt schloss sie erneut die Augen, schlürfte ihren heißen Kakao und begann sich auf Alexandre zu konzentrieren. Sie sah ihn gemeinsam mit einer dünnen Frau Mitte zwanzig an einem winzigen Küchentisch sitzen. Und lachen. Wut keimte in ihr auf. Was bildete sich Alexandre ein? Glaubte er, er dürfte glücklich sein? Ungestraft lachen und bei ihr sein? Glaubte er, dass sie besser war als Cassandra? Ein unbedeutender Mensch gegen eine Hexe wie keine zweite? Dem würde sie zeigen was ein Haken war. Sie würde ihn zu sich rufen. Nur um ihm zu zeigen, das es noch jemanden gab den er anflehen konnte. Und dann würde sie dafür sorgen, dass er die Frau verabscheute.
Ich spürte wie ich aufstand. ,,Ich muss los.“ ,sagte ich bedauernd. ,,Danke.“, rief ich ihr schon fortgehend über den Rücken zu. Ich ging die Straße entlang zur U-Bahn, fuhr gut eine dreiviertel Stunde damit Richtung Süden und stieg kurz vor der Endhaltestelle aus. Seufzend rannte ich die Straße entlang zu einer Busstation und stieg dort in den ersten Bus der ankam. Etwa zwanzig Minuten später stieg ich aus. Den ganzen Weg über hatte ich kaum auf meine Umgebung geachtet. Wozu auch? Mein Körper würde mich ja eh auf dem schnellsten Weg zum Ziel bringen, ob ich nun wollte oder nicht. Doch so uninteressiert ich auch war, die Gebäude um mich herum waren faszinierend. Riesige, altehrwürdige Herrenhäuser. Ich sah mir die großen, eisernen Tore und deren Verzierungen in Form von Schnörkeln und steinernen Figuren an. Ich ging an vielen dieser Häuser vorbei und spürte wie mein Körper brütend heiß wurde. Was war hier los? Normalerweise fühlte ich mich zwar elend, weil ich wusste was mich erwartete, aber ich hatte keine körperlichen Reaktionen in diesem Ausmaß.
Ich spürte wie ich weiterging. Schneller. Spürte wie mein Herz hämmerte, mein Atem raste und ich gepeinigt stöhnte als mein Penis hochsensibel gegen meine Jeans scheuerte.
,,Oh bitte.“, stöhnte ich gequält. Ich blieb vor einem dieser Häuser stehen. Mein Körper war inzwischen viel zu sensibel, als das ich noch die Kraft gehabt hätte, die wundervollen marmornen Drachen rechts und links des Eingangs zu bewundern. Meine Knie zitterten, als sich eine beinah unerträgliche Hitze von meinem Bauch Millimeterweise abwärts ausbreitete. Ich rang nach Atem während ich weiterging. Innerlich bettelte ich darum, das die Hitze nicht dort ankommen würde wo sie eindeutig hinwollte. Ich ging die lange Auffahrt zum Haus hinauf und klingelte mit fahrigen Fingern. Die Tür schwang von alleine auf. Mir blieb keine Zeit mich zu wundern. Ich ging bereits weiter, eine Treppe hinauf. An den Wänden hingen Picassos, die parallel zum Treppengeländer die Treppe säumten. Als ich das große, in dunklem Lila gehaltene Schlafzimmer mit dem Kamin und dem goldenen Kerzenständer vor dem Fenster betrat, sah ich sie. Cassandra.
,,C…Cassandra!“, keuchte ich.
Lächelnd sah sie von ihrem Buch auf. ,,Hallo.“, sagte sie als wäre ich ein x-beliebiger Besucher.
,,Was… wieso?“
Sie lächelte sanft. Doch in den letzten zweitausend Jahren hatte ich gelernt hinter die Fassaden zu schauen und ihr lächeln war alles andere als echt. Plötzlich spürte ich das ich
mich wieder frei bewegen konnte. ,,Cassandra, bitte befrei mich von dem Fluch. Es hätte nie mit uns klappen können, nicht auf Dauer und das weißt du sicher auch.“
Plötzlich merkte ich, dass ich nichts mehr am Körper trug. Wo war meine Kleidung hin?
,,Ich gebe dir Recht.“, sagte sie zuckersüß. Ich spürte wie sich die Hitze erneut in meinem Bauch sammelte und sich langsam nach unten hin ausbreitete. Mein Penis pochte als wäre er kurz vor der Ejakulation. Ich zitterte wie ein Schlot.
,,C…c…Cassandra. Bitte!“, stöhnte ich gequält. Meine Beine schienen mich nicht mehr tragen zu wollen und mich auf das zu konzentrieren was ich wollte beziehungsweise was ich nicht wollte war in diesem Moment unsagbar schwer.
,,Was den?“, fragte sie unschuldig.
,,H…hör auf.“
,,Du gibst mir Befehle? Mir???“
Noch bevor ich meinen eigenen Satz beendet hatte, wusste ich bereits, dass ich einen großen Fehler gemacht hatte. Ich spürte wie die Hitze an ihrem Ziel ankam und ich wie unter Strom zu zucken begann. Die Erlösung? Nein. Der Druck baute sich weiter auf. Ich hielt es nur einfach nicht mehr aus, deswegen zuckte ich. Ich weiß noch, dass ich eine Menge zusammenhanglose Dinge von mir gab, wimmerte und flehte. Ich weiß auch noch wie ich unter Zwang meine Beine spreizte und etwas ziemlich dickes in meinen Hintern eindrang was mir einen hilflosen Schmerzensschrei entlockte. Irgendwann war es vorbei und ich lag völlig erschöpft und vor Schmerz und Erregung bis zum äußersten Verkrampft vor ihren Füßen.
,,Na, das ging mir aber zu schnell.“, murrte sie und ich spürte wie ich aufstand und mich auf ihr Bett legte. ,,Cassandra, bitte hör auf. Erbarme dich, es ist schon so lange her.“
,,Niemand, absolut niemand verlässt mich. Das wirst du heute Nacht lernen.“ Ihre Worte kamen so leise hervor das ich meine Ohren richtig spitzen musste um sie zu verstehen. Meine Arme und Beine langen kurz vor den jeweiligen Ecken des Bettes. Sie stand von ihrem Sessel auf und kam auf das Bett zu.
,,Mehr als entschuldigen kann ich mich nicht. Sei doch bitte vernünftig.“
,,Das sehe ich anders.“, sagte sie und zog eine kleine Schale mit einer grünlichen Paste aus ihrem Nachttisch.
,,Was soll ich tun Cassandra? Bitte, ich mache alles. Alles.“, das letzte Wort kam schluchzend hervor während ich spürte wie sie mit der Paste meinen Penis eincremte und dabei gleichzeitig mit der anderen meine Hoden knetete.
,,Alles?“
Ja, alles. Alles. ALLES! ,,Ja, alles. Oh Gott!“, schrie ich und begann mich unter ihren Händen zu winden. Obwohl ich wusste, dass ich nicht den ersehnten Orgasmus nicht bekommen und mit jeder Bewegung meine Situation sogar noch verschlimmern würde, begann ich mich soweit es mir möglich war an der Hand, die sie nun ganz sanft auf meinen Penis gelegt hatte, zu reiben. Innerlich bettelte ich darum, dass sie ihn umfassen und etwas Druck ausüben würde. Zufrieden nickte sie: ,,Da bin ich mir sicher.“ Zärtlich strich sie über meine Eichel. Wieder und wieder. Meine Lungen brannten während ich verzweifelt versuchte einen halbwegs klaren Kopf zu behalten. Sie machte immer weiter. Streichelte, liebkoste, biss, kratzte und presste meinen Körper. Welche Qualen ich in dieser Sekunde durchstehen musste kann sich kein menschliches Lebewesen vorstellen. Wenn ein Mensch beim Sex über die Grenze des erträglichen Tritt kommt es zum Orgasmus. Doch wenn man ihn nicht bekommen kann? Dann baut es sich immer und immer weiter auf bis ins Grenzenlose. Ich konnte nicht mehr klar denken, als ich mich plötzlich wieder frei bewegen konnte. Entgegen aller Vernunft griff ich nach meinem Penis, umschloss ihn mit aller Kraft die in mir war und begann ihn weinend zu reiben. Bitte, bitte ich ertrag es nicht. Aufhören. Mir waren weder die Tränen die vor Verzweifelung über meine Wangen liefen noch Cassandra bewusst, als ich immer schneller rieb. Irgendwann verließen mich auch meine letzten Kräfte und ich ließ mich wehrlos in die Kissen sinken.
,,Wie lange musste ich darauf warten diese Worte von dir zu hören? Sehr lange. Aber egal um was ich dich bitte und egal was du auch tust, du tust es nicht freiwillig. Du tust es nur weil du denkst dass es deine letzte Chance ist.“
Ich schwieg. Ich hatte nicht mehr die Kraft zu kämpfen.
,,Willst du es nicht zumindest leugnen?“
,,Du kennst meine Gedanken und Gefühle. Beides Dinge die ich nicht beeinflussen kann. Ich liebe dich nicht. Was würde mir also eine Lüge bringen, wenn du es sowieso besser weißt?“
,,Du…du!“
,,Ich weiß nicht was daran so schlimm ist. Du hast doch selbst gesagt, dass du mich auch nicht mehr liebst. Was hast du?“
Sie schrie mich mindestens eine halbe Stunde lang an. Während dessen konnte ich mich nicht bewegen, nicht sprechen, ja nicht mal verstehen was sie sagte. Nur an ihrem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass ich sie sehr verärgert hatte. Ich hatte schon fast die Hoffnung, sie jemals wieder zu verstehen, aufgegeben, als sie plötzlich mit ruhiger, hasserfüllter Stimme sagte: ,,Du liebst mich nicht? Wen könntest du den lieben? Dieses Mädchen? Sindy?“ Ich wurde bleich. Wenn Cassandra dachte, das Sindy sein wunder Punkt war, war sie in Gefahr. Egal was Cassandra sich ausdachte. Ich wollte leugnen, wollte sagen, dass mir Sindys Fürsorge, ihre Warmherzigkeit und Offenheit nicht zu Herzen gegangen waren. Das ich schon kaum noch wusste, wer sie war. Aber kein einziger Ton kam über meine Lippen und mein Gesicht schien mich verraten zu haben.
,,Ich beweise dir, dass sie nicht mehr ist als ein Mensch wie jeder andere. Das sie nur an sich denkt und nichts anderes für sie zählt.“ Das war das letzte was ich hörte, bevor alles um mich herum schwarz wurde.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf einem Fußgängerweg. Nach dem Stand der Sonne zu urteilen, war es früher Nachmittag. Mein Kopf hämmerte wie verrückt und mir wurde schnell klar, was der Grund war. Eine Kundin. Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, als ich auch schon aufstand und mich auf den Weg machte. Zwanzig Minuten im Bus, eine Straße entlang und dann noch etwa vierzig Minuten mit der Bahn. Am Anfang hatte ich mir noch nichts gedacht, doch umso länger ich unterwegs war, umso mehr kam mir von dem Gespräch mit Cassandra wieder in den Sinn und als ich aus dem Bus ausstieg und sah das ich in Sindys Straße war, war ich kaum verwundert. Meine Beine trugen mich an denselben Geschäften wie vergangene Nacht vorbei und ich klingelte. Es dauerte einen Moment, dann hörte ich das summen und öffnete die Treppenhaustür. Ich lief die wenigen Stufen bis zur ersten Etage hinauf und blieb keine zwei Meter vor Sindy stehen.
,,Hallo.“, sagte ich verlegen.
,,Hi, komm ruhig rein.“, antwortete sie prompt gut gelaunt. Ich war ziemlich verblüfft, dass ich mit ihr sprach anstatt direkt zu Sache zu kommen. Aber auch froh. Vielleicht würde sie so erbarmen haben und mich nicht als perversen abstempeln wenn es dann schließlich zur Sache ging. Und es würde losgehen, davon war ich überzeugt.
,,Ich habe dich vermisst. Ich liebe dich.“ Schockiert von meinen eigenen Worten, wäre ich am liebsten sofort fortgerannt. Stattdessen ging ich auf sie zu und küsste sie zärtlich. Verwundert sah sie mich mit großen Augen an. Dann erwiderte sie meinen Kuss. Bitte – nein, dachte ich unter ungeweinten Tränen. Cassandra erbarme dich. Nimm mir nicht diesen kleinen Zufluchtsort. Ich spürte, wie ich ihren Hintern umfasste und sie ins Wohnzimmer aufs Bett schob. Hörte wie sie leise seufzte, während ich ihr Hose und Hemd auszog und den Rest regelrecht vom Körper riss. Dann schob ich meine Hand zwischen ihre Beine und rieb ihre Klitoris bis sie erstickt aufschrie und hilflos in meinen Armen zuckte. Es hatte keine zwei Minuten gedauert bis sie zum Orgasmus gekommen war. Ohne mich. Niedergeschlagen ließ ich den Kopf hängen. ,,Alexandre. Alles in Ordnung?“
,,Ja, nein, ich… sollte gehen.“
,,Wieso?“, dieses eine Wort verwirrte mich so sehr wie noch nie etwas zuvor. Bisher hatte noch keine Frau gewollt, dass ich hinterher blieb. Nicht eine einzige. Sie hatten mich alle wissentlich gerufen und nach dem Orgasmus war es das natürlichste der Welt gewesen, das ich ging. ,,Hast du inzwischen ein Hotel?“ Musst du die Stadt verlassen? Wenn nicht bleib doch ruhig. Wir tun einfach so als wäre nichts geschehen, wenn du magst.“ Ich wurde feuerrot. Auch nach dem Sex wollte sie mich bei sich haben? Oh man.
,,Das war gestern… ungewöhnlich. Tut mir Leid. Wir wollten die Sache ja ignorieren, aber kannst du mir bitte wenigstens sagen warum du gestern so… na ja.“, verlegen zuckte sie mit den Schultern. Ich überlegte. Sollte ich es ihr erzählen? Vermutlich würde sie mich für verrückt erklären, wenn ich ihr die Wahrheit gestand. Aber nach der Aktion gestern hatte sie die Wahrheit verdient. Und es war ja nicht so als wäre es das bestgehütete Geheimnis der Stadt. Danach zu urteilen wie oft ich gerufen wurde, wussten genug Frauen über mich bescheid.
,,Ich bin so was wie ein Jinny. Ich bin mehr als zweitausend Jahre alt. Wenn Frauen nachts dreimal meinen Namen sagen habe ich keine andere Wahl als umgehend zu ihnen zu gehen. Ich…“, meine Stimme stockte. Ich wusste es. Ich würde sie verlieren wenn ich es aussprach. Was auch sonst. ,,Und du befriedigst sie nach allen Regeln der Kunst?“, fragte sie unsicher. ,,Woher weißt du das?“ Sie erblich. ,,Du sagtest eben die Frauen würden dich nachts rufen. Das ist ja schon ziemlich… na ja. Und dann meintest du mal, dass du auch schon blasen musstest bei der Arbeit, aber… es war eigentlich nur eine spaßige Aussage.“ Ich wurde feuerrot. ,,Das…“ Sie lächelte, doch als die merkte wie beschämt ich war hörte sie sofort damit auf. ,,Das gestern… tut mir Leid.“ Bei meinen Worten wurde sie blass. ,,Du… wolltest das gestern gar nicht. Du… musstest… es tun. Und deine Worte…“ Ich sah den Schmerz überdeutlich in ihren schönen grauen Augen. Am liebsten hätte ich gelogen um sie nicht zu kränken, aber die Situation war schon ohne Lügengebilde kompliziert genug. ,,Ja…entschuldige. Wenn es dir jetzt doch lieber ist das ich… gehe…“,,Entschuldige, du bist mir gerade mindestens drei Schritte voraus. Ein Jinny? Ein echter Jinny?“, ich schluckte. ,,Kannst du das beweisen?“ Ich wurde feuerrot. Aber mir hätte klar sein müssen, dass man so eine Information nicht einfach so schluckte. Ich stöhnte gequält. ,,Wünsch dir etwas, aber sprich es nicht aus.“ Verwirrt sah sie mich an, überlegte einen Moment und schon spürte ich wie ich wehrlos dazu gezwungen war ins Badezimmer zu gehen und… eine Bodycreme zu holen. Ich hatte schon damit gerechnet, dass ich sie damit eincremen soll aber stattdessen drückte ich sie ihr nur brav in die Hand. Sie, inzwischen blass geworden, sah mich wie ein Fisch mit offenem Mund an. Dann sagte sie bemüht ruhig: ,,Du musstest mit mir schlafen obwohl du gar nicht wolltest. Nicht ich. Es ist zwar… ganz sicher kein Kompliment, aber ich sollte eher dich fragen ob dir meine Gegenwart nun unangenehm ist. Es tut mir Leid, dass ich nicht gemerkt habe, dass du dazu gezwungen warst.“ Nach einigen Stunden hatte sich die Situation etwas aufgelockert und ich erklärte ihr die Regeln und alles drum herum. ,,Ich kann von jeder Person nur einmal im Leben gerufen werden, bei derjenigen bleibe ich dann maximal eine Woche. Ich lese ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Wenn sie einen Wunsch hat, spüre ich ihn und handele genau so wie sie es sich wünscht. Während der Zeit bewegt sich mein Körper automatisch. Ich kann es nicht verhindern.“ ,,Das… ist ja schlimm. Du tust immer das was die Frauen wollen? Alles?“ Misstrauisch nickte ich. ,,Ja, wieso?“ ,,Hm…fand das nie eine doof?“ Ich sah sie an, als wären ihr plötzlich zwei neue Köpfe gewachsen. ,,Wieso denkst du es könnte einer nicht gefallen wenn man ihr jeden noch so geheimen Wunsch von den Augen abliest?“ ,,Weil es… auf Dauer doch langweilig sein muss. Nie etwas neues, spannendes, mit dem man gar nicht rechnet. Nie ein wenig unsanft angefasst werden oder einfach dem Partner die Führung überlassen… nie geben können.“ Ich sah sie verunsichert an. Vermutlich hatte sie Recht. Aber der Gedanke, sie könnte denken er wäre ne Niete im Bett ließ in ihm das Verlangen Hochkochen ihr das Gegenteil zu beweisen. ,,Ich…Soll ich dir zeigen wie schön es mit mir ist?“ ,,Nein… ich will nicht, dass du es wieder gegen deinen Willen tust. Nicht solange der Fluch nicht gebrochen ist.“,,…was???“ ,,Ich helfe dir ihn zu brechen. Wir finden einen Weg.“
Ich war strickt dagegen, dass sie mir helfen wollte den Fluch zu brechen. Doch egal was ich auch sagte oder tat, sie wich nicht von meiner Seite. Zugegebenermaßen, es war ziemlich praktisch sie an meiner Seite zu haben. Ich hatte nie die Muse gehabt nach Cassandra zu suchen, da ständig Frauen dazwischenkamen und ich so nie das tun konnte was ich wollte. Außerdem musste ich mich nicht darum ein Dach über dem Kopf zu haben, den während ich meinen Job tat suchte sie ein Hotel, bezog es für uns, setzte ihre Recherchen fort und tröstete mich wenn ich zu ihr zurückkehrte. Zugegebenermaßen war Trost seitdem sie mich so eifrig unterstützte nicht mehr allzu oft nötig.
,,Nein und noch mal nein. Nein!“, schrie ich sie an. ,,Du wirst nicht zu Cassandra gehen. Sie hat Zauberkräfte. Wer weiß was sie dir antut. Du bist ein Mensch, vergiss das nicht. Ich werde nicht zulassen das du dieses Risiko auf dich nimmst.“ ,,Es ist die einzige Spur die wir haben. Verflucht noch mal, wie soll ich dir den sonst helfen?“ ,,Nicht so, ich verbiete es dir!“ Damit hatte ich einen wunden Punkt getroffen und ich wusste es sofort. ,,Und was willst du dagegen tun? Spätestens wenn sich der Fluch wieder bemerkbar macht und du deswegen fort musst, kann ich auch hinaus.“ Da hatte sie nicht Unrecht. Verdammt. ,,Sindy… ich will dich nicht verlieren. Verstehst du das nicht? Jemanden zu haben der mir beistehst ist etwas völlig neues für mich. Und ich will das nicht verlieren.“ Etwas besänftigt sagte sie: ,,Hör mal. Ich weiß, dass du Angst hast. Die habe ich auch. Aber du wirst vermutlich nächstes Mal noch weiter fort müssen und nicht genügend Zeit haben zurückzukommen bevor der Fluch dich wieder fortreißt. Ich werde vorsichtig sein. Das verspreche ich dir. Okay?“ ,,Nein! Aber du tust ja doch was du willst.“ Für einen Augenblick konnte ich nicht mehr klar denken. Der Gedanke sie verlieren zu können und nichts dagegen tun zu können, war mehr als ich ertragen konnte. Ich riss sie mit aller Kraft in meine Arme und drückte ihren Körper an meinen. ,,Wir kennen uns kaum vier Tage, aber ich denke du weißt was ich sagen will. Wenn dir etwas passiert verzeihe ich mir das nie.“ Sie lächelte. ,,Ich weiß.“
Ich ging zu dem Haus von Cassandra und klingelte. Den Weg hatte Alexandre mir widerwillig, aber genau, beschrieben. Nun stand ich vor ihrer Tür und mein Herz klopfte wie ein Presslufthammer. Es war gut möglich, dass Alexandres Zukunft von meinen nächsten Worten und den nächsten Minuten abhingen. Tapfer atmete ich tief ein und betrat das Haus. Ich wurde blass. Kaum hatte ich das Haus betreten konnte ich mich nicht mehr bewegen. Ich stand geschlagene zehn Minuten da und zitterte und wimmerte vor Angst. Alexandre hatte mir zwar gesagt, dass er nur das tun konnte was die jeweiligen Frauen wollten, aber das das so wörtlich zu nehmen war, schockierte mich. Plötzlich setzten sich meine Beine in Bewegung. Gingen durch einen großen Flur mit tiefroten Wänden. Der Flur endete in einer modernen Küche mit gefliestem Boden, einem Elektroherd mit Edelstahlplatte und den modernsten Geräten. Erst auf den zweiten Blick fiel mir auf, dass nicht wirklich alle Zutaten alltäglich waren. Was genau konnte ich aus der Entfernung nicht sagen, mal davon abgesehen das es mir zu grausig war genauer hinzusehen. ,,Du bist vermutlich wegen Alexandre hier und willst das ich seinen Fluch auflöse?“ ,,Ja, das will ich.“ Ich versuchte mehr zu sagen, wollte an ihre Menschlichkeit und ihr Ehrgefühl appellieren, doch kein Wort kam über meine Lippen. ,,Warum sollte ich den Fluch lösen? Was bietest du mir dafür? Schmerzen?“ Sie ging zum Herd und schaltete ihn an. Bevor ich merkte was los war, legte ich bereits meine Hand auf die immer heißer werdende Platte. Ich konnte nichts sagen, mich nicht bewegen. Nach etwa einer halben Minute war die Platte so heiß, dass ich am liebsten Ohnmächtig geworden wäre. Meine Hand brannte wie Feuer und innerlich schrie ich mir die Seele aus dem Leib. Endlich schaltete sie den Herd aus und ich konnte meine Hand fortziehen. ,,Oder gibst du mir dafür absoluten Gehorsam?““ Ich ging zu einem Küchenschrank und nahm ein Glas mit einer großen, lebenden Spinne heraus. Ich spürte mein rasendes Herz. Ich hatte eine Spinnenphobie. Ohnmächtig vor Angst spürte ich, wie ich wie ich den Deckel abschraubte und sie herausnahm. Ich steckte sie mir in den Mund und aß sie bevor ich den Deckel wieder zuschraubte und ihn zurückstellte. Ich spürte, dass ich mich wieder frei bewegen konnte und brach zitternd auf dem Boden zusammen. Die verbrannte Hand mit meiner anderen schützend und mich haltlos übergebend. ,,Du siehst, ich kann mir von dir nehmen was ich will. Und dennoch brauche ich dir keine Gegenleistung dafür zu geben. Was denkst du, kannst du, ein jämmerlicher Mensch, mir, einer fast dreitausend Jahre alten Hexe, bieten?“ Mir wurde schwarz vor Augen.
,,Sindy, Sindy!“ Alles um mich herum war dunkel. Nur sehr langsam drang die Stimme in mein Bewusstsein vor. Es war Alexandre. Er mich sanft im Arm. ,,Was ist passiert? Verflucht nochmal sag was!“ Kaum war ich wieder wach, wand ich mich mit letzter Kraft aus seiner Umarmung, umklammerte weinend meine Hand und erbrach den Rest der Spinne. Erst nach wenigen Minuten nahm ich wahr, dass ich splitterfasernackt auf den kalten Fliesen der Küche, in meiner Wohnung, lag. Immer wieder wenn ich an die Spinne dachte begann ich zitternd zu würgen und mich zu übergeben. ,,Steh auf.“, sagte er leise. Vorsichtig aber dennoch mit unglaublicher Kraft zog er mich auf die Beine und wickelte mich in eine dicke Decke. Kurz bevor ich mich erneut übergeben musste hielt ich einen Eimer in der Hand und wurde fest auf meine Couch gedrückt. Während ich mich weiter übergab, cremte Alexandre zärtlich meine verbrannte Handfläche ein. ,,Ich hätte niemals zulassen dürfen, dass du dorthin gehst. Es war doch klar, dass es nicht klappt. Was sollte ein Mensch schon gegen Cassandra ausrichten können?! Ich bin so dumm…“ Ich wollte ihm widersprechen, aber ich war zu schwach um etwas anderes zu tun außer völlig entkräftigt dazusitzen und gelegentlich zu würgen. ,,Was tust du?“, fragte ich schwach als ich bemerkte, dass Alexandre sich anzog. Ohne mich anzusehen sagte er: ,,Ich muss zu ihr. Zu Cassandra.“ Blass nickte ich: ,,Gib mir fünf Minuten.“ ,,Nein, du bleibst hier.“ ,,Nein.“ Sagte ich mit schon kräftigerer Stimme. Wütend drückte er mich an die Wand. ,,Bei Cassandra bin ich genauso hilflos wie du. Ich kann dich nicht schützen. Willst du noch so einen Snack?“ Das bisschen Farbe was seit dem Ausflug zurückgekehrt war, verschwand bei seinen Worten wieder. ,,Ich… lasse dich nicht alleine gehen.“ Traurig schüttelte er den Kopf und nickte dann. ,,Okay:“
Während des Weges zu ihr hielten wir uns gemeinsam an der Hand. Ich konnte nicht ohne zu lügen sagen, dass ich keine Angst hatte, genauso wenig wie sie. Also sagten wir es auch nicht. Und versuchten uns einfach mit der Anwesenheit des anderen zu beruhigen. Ich war ziemlich verwirrt, dass keine Frauen mehr nach mir riefen. Vielleicht wollte Cassandra sehen was wir tun und hatte es deswegen so eingefädelt, dass ich mich im Moment frei bewegen konnte. Sicher wusste ich das natürlich nicht, aber es scherte mich auch nicht. Ich war einfach nur froh, dass ich Sindy an meiner Seite hatte und wir gemeinsam diesen Kampf kämpften. War einfach nur froh nicht alleine zu sein. Vor Cassandras Haus blieben wir stehen. Ich spürte das zittern von Sindys Hand, von ihrem ganzen Körper, und wusste was es sie für Kraft und Mut kosten musste hierher zurückzukehren. Sanft beugte ich mich zu ihr hinunter und küsste sie zärtlich. Sie rückte ein Stück von mir ab. ,,Machst du das… freiwillig?“ Ich lachte leise. ,,Ja.“
Nun lachte auch sie und zog meinen Kopf erneut zu einem sanften Kuss zu sich hinunter. Der angenehme Teil war nun vorbei und das wussten wir beide. Wortlos klingelte ich. Keiner öffnete. Nach weiteren zehn Minuten öffnete ich die Tür einfach selbst. Sprachlos blickte Sindy mich an. ,,Wie…hast du…?“ Ich lachte. ,,Naja, wenn man Frauen ihre geheimsten Wünsche erfüllt, muss man doch irgendwie hinein, oder? Ich habe noch andere Fähigkeiten.“ Doch bevor sie näher nachfragen konnte, betraten wir bereits das Haus und sahen uns um. ,,Irgendetwas ist merkwürdig.“ ,flüsterte Sindy. Wir gingen so leise wie möglich an ihrer Couch entlang. Sindy wich blass ein paar Meter zurück doch ich hatte sofort begriffen was falsch war. ,,Sie ist tot.“, sagte ich tonlos. ,,A…aber sie…“ Obwohl ich nicht glaubte mich in dem Fall zu irren, tastete ich nach ihrem Puls. Nicht vorhanden. Ein Brief lag neben ihr auf dem Couchtisch. Von Cassandra für Alexandre stand in Schönschrift drauf. Ich öffnete ihn und las:
Lieber Alexandre,
wenn du das hier liest werde ich tot vor dir liegen.
Ich bin fest davon ausgegangen dass du, wenn ich dich nur lange genug quälen würde, anfangen würdest mich zu lieben – bis zu jenem Tag an dem ich dich mit dieser Ziege am Esstisch sitzen und lachen sah. Deine Liebe kann ich nicht erzwingen, aber dein Leben kann ich zerstören.
Und genau das werde ich tun, indem ich sterbe. Mit mir ist die letzte Person von diesem Planeten verschwunden, die fähig wäre deinen Fluch zu brechen.
Lebe für immer und lebe ohne Hoffnung.
Cassandra.
Alexandres Gesicht hatte alle Farbe verloren und am ganzen Leib zitternd sank er auf einen Sessel gegenüber der Couch. Schnell nahm ich den Brief selbst in die Hand und las. Zum Schluss zog ich ihn sanft an meine Brust. ,,Wir geben nicht auf! Das verspreche ich dir. Alles wird gut. Was ist den eine Geschichte ohne Happy End?“ Er antwortete nicht, schmiegte sich nur zitternd an mich und begann leise zu weinen.
Wir gingen wieder nach Hause. Zu Ihr. Keiner von uns sagte ein Wort. Sie fragte mich nur kurz ob ich es freiwillig tat und als ich leise ,,Ja“, antwortete krochen wir gemeinsam in ihr Bett und begannen uns zärtlich zu streicheln, zu küssen, zu lieben…
Danach zog ich sie sanft in meine Arme und streichelte sie weiter. Plötzlich begann sie zu lachen und sich zu winden. Verwirrt löste ich mich von ihr und sah sie verunsichert an. ,,Alles okay?“ ,,Ja.“, keuchte sie. ,,Du hast mich nur gekitzelt.“ ,,Das kann nicht sein.“ ,,Hm…?“, gähnte sie. ,,Ich kann dich nicht gekitzelt haben. Selbst wenn ich mit jemand freiwillig schlafe spüre ich… ganz genau was diejenige will. Es…es ist weg. Es ist weg!“ Langsam erwachte Sindy aus ihrem Halbschlaf und sah mich müde an. ,,Was ist den?“ Ich drehte sie auf den Rücken und blickte ihr fest in die Augen. ,,Sindy, was hast du gedacht?“ Nun schien ich sie völlig verwirrt zu haben. Aber ich konnte mich nicht beruhigen. Vor Aufregung zitternd fragte ich noch mal: ,,Was hast du gedacht während wir Sex hatten? Bitte, versuch dich zu erinnern!“
,,Hm…ich glaub ich hab gedacht… wie schön deine Geschichtszüge im dunkeln sind.“, sagte sie unfähig mich dabei anzusehen. Ich lächelte. ,,Danke. Aber… bestimmt noch mehr. Oder???“ ,,Naja, ich fand es schade, dass du immer nur dass tun kannst was ich will und mir nie sagen und tun kannst was du möchtest. Ich dachte, dass ich den Fluch brechen will damit es irgendwann anders ist. Und… ich… dachte das ich dich liebe.“
Mir wurde warm ums Herz, als ich ihre zittrige Stimme hörte. Die Arme hatte die letzten Worte kaum über die Lippen bekommen. ,,Du hast meinen Fluch gebrochen!“ ,,Was?“ ,,Dadurch das du dir gewünscht hast, dass ich tun kann was ich will, ist genau das passiert. Ich erzählte dir doch, dass während des Sex immer das passiert was die jeweilige Frau will.“ ,,Warum hast du mir das nicht früher gesagt? Wir hätten uns das alles ersparen können!“ ,,Ich wusste es nicht. Ich dachte das betrifft nur Dinge, die ich selbst möglich machen kann. Aber selbst wenn, ein Mensch kann nie steuern was er sich von Herzen wünscht und was nicht. Und durch das Gefühl es sich wünschen zu müssen, wäre es vielleicht auch gar nicht passiert. Du hast mich gerettet. Übrigens: Ich liebe dich auch!“ Mit diesen Worten zog er mich fest an sich und küsste mich bis ich nach Atem rang.
,,Was passiert nun mit dir, wo der Fluch gebrochen ist?“ ,,Ich kann tun und lassen was ich will. Ich bin nun, endlich wieder, ein Mensch. Mit einer menschlichen Lebensspanne, menschlichen Wünschen und Bedürfnissen und einer unvergleichlichen Frau an meiner Seite!“
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Eine Freundin
nads, 15:58h
Es war einmal ein kleines Mädchen das hieß Sina. Sie hatte alles was sie sich nur wünschen konnte. Schöne Kleider, ein ganzes Zimmer voller Spielsachen, liebe Eltern, einen kleinen Bruder und täglich das leckerste essen soviel sie mochte.
Sie ging oft raus zum spielen. In dem Wald, der neben ihrem Schloss war, gab es viele Tiere. Ihre Mutter sagte immer sie soll vorsichtig sein und ihnen nicht zu nah kommen. Aber sie war nett zu den Tieren und die Tiere zu ihr.
Heute geht sie zum ersten Mal zusammen mit ihrem Bruder in den Wald. Vorher hatte Mama gesagt, dass er noch zu klein dafür war. Doch sie hatte ihrer Mama versprochen gut auf ihn aufzupassen und sofort nach Hause zu kommen wenn etwas passierte. Sie war doch schon 5 und damit ein ganzes Jahr älter als ihr kleiner Bruder. Sie wusste was man tun durfte und was nicht. Und als große Schwester musste sie das ihrem Bruder doch alles beibringen.
So gingen sie mehrere Minuten durch den Wald. So spannend es am Anfang gewesen war, auf ihren kleinen Bruder aufzupassen, so schnell wurde es nun langweilig.
Sie ließ seine Hand los und fragte: ,, Magst du mit mir verstecken spielen?“
Ihr kleiner Bruder schaute sie ängstlich an. Doch als sie im sagte wie groß er doch schon war, nickte er mutig.
Sie versteckten sich abwechselnd und suchten sich. Irgendwann hatten sie alle Verstecke benutzt, die es dort gab und so wagten sie sich weiter in den Wald hinein.
Auf einmal sah sie viele Kinder, die etwa so alt waren wie sie. Sie rannte hin und fragte eines der Mädchen:,,Was macht ihr hier?“ ,,Wir suchen nach Pilzen, Äpfeln und Nüssen.“, sagte sie. Sie war schmutzig und sah müde aus. ,,Wieso?“ ,,Weil wir Hunger haben“, sagte sie.
,,Wir helfen euch!“, sagte sie und erklärte ihrem kleinen Bruder was sie suchen mussten.
Während sie suchten stellte das Mädchen sich vor. Sie hieß Dieser nickte und so suchten wir viele Stunden lang fleißig.
,,Nach zwei Stunden setzten sich die Kinder zusammen und aßen das was sie gefunden haben.
Dabei erklärte die älteste der Gruppe ihr welche sie nicht essen durfte weil sie giftig waren.
Danach begannen die Kinder zu spielen. Sie spielten fangen und verstecken und sie und ihr Bruder durften natürlich mitspielen.
Am nächsten Tag erzählte das Mädchen ihren Eltern von den Kindern und fragte ob sie etwas zu essen für sie mitnehmen dürfe wenn sie spielen ginge. Der Papa streichelte sanft ihren Kopf, stolz auf seine Tochter die den Kindern helfen wollte. ,,Ja, natürlich. Nehmt nur mit soviel ihr mögt.“ Von dem Tag an, brachten sie und ihr Bruder den Kindern jeden Tag etwas zu essen raus und spielten mit ihnen. Sie waren alle sehr glücklich.
Doch irgendwann wurde das Mädchen krank und bekam schweren Husten. Sie konnte nicht raus in den Wald zu ihren Freunden und ihnen essen bringen. Traurig flehte sie ihren Papa an sie raus zu lassen. Doch dieser sagte nur: ,,Du musst erstmal wieder gesund werden.“
Doch ihre Traurigkeit war unbegründet gewesen. Als die Kinder bemerkt hatten, dass sie heute nicht kommen würden waren einfach die Kinder zu ihr gekommen. Das große Schloss ihrer Eltern war nicht zu übersehen und so hatten sie die Beine in die Hand genommen und waren gekommen.
Sie hatten alle Hunger. Doch leider war die Vorratskammer leer. Sie und ihr Bruder hatten fast ihre ganzen Wintervorräte mit den Kindern geteilt. Zwar brauchten sie nur auf den Markt gehen und welches kaufen, doch im Augenblick hatten sie nichts da.
Als die Kinder das hörten gingen sie wütend weg ohne das Mädchen zu besuchen. Nur ein Mädchen blieb und fragte ihren Vater ob sie ihre Freundin trotzdem besuchen dürfte. Dieser nickte glücklich und brachte sie in ihr Zimmer, wo sie trotz ihres Hungers lange bei ihrer kranken Freundin saß und mit ihr redete. Abends kam die Haushälterin mit Wagenladungen voller essen vorbei und sie veranstalteten ein großes Festmahl bei dem das kranke Mädchen und ihre Freundin essen konnten was und soviel sie nur wollten. Später fragte der Vater das Mädchen ob sie nicht für immer bleiben wolle. Glücklich nahm sie ihre kranke Freundin in den Arm. ,,Dann sind wir jetzt…“ ,,Schwestern!“, bestätigte sie glücklich. ,,Dann ist es entschieden. Du bleibst bei uns.“, sagte der Vater fröhlich.
Am nächsten Tag gingen sie mit ihrer neuen Schwester und ihrem kleinen Bruder in den Wald. Ihr ging es schon wieder viel besser und sie durfte raus. Sie brachten den Kindern im Wald wieder essen und erzählten ihnen das sie jetzt Schwestern waren. Neidisch fragten die Kinder ob sie nicht auch mit ihnen im Schloss leben dürften, den sie waren ja schließlich Freunde. Da schüttelte das Mädchen den Kopf. ,,Mein Papa sagt, Freunde sind Leute die mit mir spielen wenn es mir gut geht und mich trösten wenn es mir schlecht geht. Ihr seid alle weggegangen, als kein essen da war. Ich bringe euch weiter essen, aber Freunde sind wir nicht mehr.“
Und so gaben sie den Kindern das essen, gingen zurück ins Schloss und spielten bis zum späten Abend miteinander bis ihr Vater ihnen sagte das sie in Bett gehen sollten.
Sie ging oft raus zum spielen. In dem Wald, der neben ihrem Schloss war, gab es viele Tiere. Ihre Mutter sagte immer sie soll vorsichtig sein und ihnen nicht zu nah kommen. Aber sie war nett zu den Tieren und die Tiere zu ihr.
Heute geht sie zum ersten Mal zusammen mit ihrem Bruder in den Wald. Vorher hatte Mama gesagt, dass er noch zu klein dafür war. Doch sie hatte ihrer Mama versprochen gut auf ihn aufzupassen und sofort nach Hause zu kommen wenn etwas passierte. Sie war doch schon 5 und damit ein ganzes Jahr älter als ihr kleiner Bruder. Sie wusste was man tun durfte und was nicht. Und als große Schwester musste sie das ihrem Bruder doch alles beibringen.
So gingen sie mehrere Minuten durch den Wald. So spannend es am Anfang gewesen war, auf ihren kleinen Bruder aufzupassen, so schnell wurde es nun langweilig.
Sie ließ seine Hand los und fragte: ,, Magst du mit mir verstecken spielen?“
Ihr kleiner Bruder schaute sie ängstlich an. Doch als sie im sagte wie groß er doch schon war, nickte er mutig.
Sie versteckten sich abwechselnd und suchten sich. Irgendwann hatten sie alle Verstecke benutzt, die es dort gab und so wagten sie sich weiter in den Wald hinein.
Auf einmal sah sie viele Kinder, die etwa so alt waren wie sie. Sie rannte hin und fragte eines der Mädchen:,,Was macht ihr hier?“ ,,Wir suchen nach Pilzen, Äpfeln und Nüssen.“, sagte sie. Sie war schmutzig und sah müde aus. ,,Wieso?“ ,,Weil wir Hunger haben“, sagte sie.
,,Wir helfen euch!“, sagte sie und erklärte ihrem kleinen Bruder was sie suchen mussten.
Während sie suchten stellte das Mädchen sich vor. Sie hieß Dieser nickte und so suchten wir viele Stunden lang fleißig.
,,Nach zwei Stunden setzten sich die Kinder zusammen und aßen das was sie gefunden haben.
Dabei erklärte die älteste der Gruppe ihr welche sie nicht essen durfte weil sie giftig waren.
Danach begannen die Kinder zu spielen. Sie spielten fangen und verstecken und sie und ihr Bruder durften natürlich mitspielen.
Am nächsten Tag erzählte das Mädchen ihren Eltern von den Kindern und fragte ob sie etwas zu essen für sie mitnehmen dürfe wenn sie spielen ginge. Der Papa streichelte sanft ihren Kopf, stolz auf seine Tochter die den Kindern helfen wollte. ,,Ja, natürlich. Nehmt nur mit soviel ihr mögt.“ Von dem Tag an, brachten sie und ihr Bruder den Kindern jeden Tag etwas zu essen raus und spielten mit ihnen. Sie waren alle sehr glücklich.
Doch irgendwann wurde das Mädchen krank und bekam schweren Husten. Sie konnte nicht raus in den Wald zu ihren Freunden und ihnen essen bringen. Traurig flehte sie ihren Papa an sie raus zu lassen. Doch dieser sagte nur: ,,Du musst erstmal wieder gesund werden.“
Doch ihre Traurigkeit war unbegründet gewesen. Als die Kinder bemerkt hatten, dass sie heute nicht kommen würden waren einfach die Kinder zu ihr gekommen. Das große Schloss ihrer Eltern war nicht zu übersehen und so hatten sie die Beine in die Hand genommen und waren gekommen.
Sie hatten alle Hunger. Doch leider war die Vorratskammer leer. Sie und ihr Bruder hatten fast ihre ganzen Wintervorräte mit den Kindern geteilt. Zwar brauchten sie nur auf den Markt gehen und welches kaufen, doch im Augenblick hatten sie nichts da.
Als die Kinder das hörten gingen sie wütend weg ohne das Mädchen zu besuchen. Nur ein Mädchen blieb und fragte ihren Vater ob sie ihre Freundin trotzdem besuchen dürfte. Dieser nickte glücklich und brachte sie in ihr Zimmer, wo sie trotz ihres Hungers lange bei ihrer kranken Freundin saß und mit ihr redete. Abends kam die Haushälterin mit Wagenladungen voller essen vorbei und sie veranstalteten ein großes Festmahl bei dem das kranke Mädchen und ihre Freundin essen konnten was und soviel sie nur wollten. Später fragte der Vater das Mädchen ob sie nicht für immer bleiben wolle. Glücklich nahm sie ihre kranke Freundin in den Arm. ,,Dann sind wir jetzt…“ ,,Schwestern!“, bestätigte sie glücklich. ,,Dann ist es entschieden. Du bleibst bei uns.“, sagte der Vater fröhlich.
Am nächsten Tag gingen sie mit ihrer neuen Schwester und ihrem kleinen Bruder in den Wald. Ihr ging es schon wieder viel besser und sie durfte raus. Sie brachten den Kindern im Wald wieder essen und erzählten ihnen das sie jetzt Schwestern waren. Neidisch fragten die Kinder ob sie nicht auch mit ihnen im Schloss leben dürften, den sie waren ja schließlich Freunde. Da schüttelte das Mädchen den Kopf. ,,Mein Papa sagt, Freunde sind Leute die mit mir spielen wenn es mir gut geht und mich trösten wenn es mir schlecht geht. Ihr seid alle weggegangen, als kein essen da war. Ich bringe euch weiter essen, aber Freunde sind wir nicht mehr.“
Und so gaben sie den Kindern das essen, gingen zurück ins Schloss und spielten bis zum späten Abend miteinander bis ihr Vater ihnen sagte das sie in Bett gehen sollten.
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Unsere Strafe
nads, 15:11h
Idee: Patrick Becker
Umsetzung: Nadine Markowitz
Meine Schulzeit
Eigentlich hatte ich mich in der Schule immer wohl gefühlt. Wann sich das änderte weiß ich nicht mehr genau. Es war ein so schleichender Vorgang das es bereits zu spät war, als es mir letztendlich auffiel.
Ich habe nie jemandem etwas getan. War immer höflich und bemüht Streitereien aus dem Weg zu gehen. Vielleicht war letztendlich das der Faktor der dazu führte das es dazu kam und ich nach und nach von fast allen Personen aus meiner Klasse gemobbt wurde.
Am Anfang war es nur vereinzelt. ,,Ey spielen wir hier das Schweigen der Lämmer oder warum bekommst du die Zähne nicht auseinander?“ ,,Bist du so ein meinungsloser Schlappschwanz oder tust du nur so?“ Nach und nach wurde es mehr und da ich nichts dagegen unternahm wurde es eher schlimmer als besser.
Am schlimmsten waren John und Nicole. Sie waren die einzigen die es aus unserer Klasse geschafft hatten bereits in so jungen Jahren zusammen zu kommen und über die komplette Gymnasialzeit auf unserer Schule zusammen zu bleiben. Beide waren beliebt und als Team hatten sie so ziemlich die gesamte Klasse, fast schon die ganze Schule, die ihnen nahezu hörig war auf ihrer Seite.
Vielleicht war ich zu sensibel für die Klasse. Vielleicht war dies und nichts anderes mein Problem. Doch auch wenn sicher viele Menschen gemobbt wurden und werden, ähnelt doch kein Mobbing dem anderen. Und da damals niemand in meiner Haut steckte soll sich bitte niemand herausnehmen mich zu verurteilen. Seid gewarnt wenn ihr es dennoch tut!
An den Tag an dem es ausartete erinnere ich mich noch genau. Es war mein Geburtstag und wir waren in der Klasse zum Matheunterricht. Wie immer war ich bemüht nicht auf mich aufmerksam zu machen um das Mobbing nicht zu verschlimmern. Wir wollten gerade mit dem Unterricht beginnen als dem Lehrer etwas auffiel.
,,Marcel hast du heute Geburtstag?“ Alle Blicke richteten sich auf mich. Errötend, ertappt nickte ich. ,,Ich glaube da ist ein Lied fällig. 1,2,3…“ Mein Blick traf für den Bruchteil von Sekunden den von John und in dem Moment war mir klar das dieser Tag nicht angenehm werden würde. Das Lied schien ewig zu dauern und die Blicke die mir den restlichen Schultag folgten troffen vor hohn.
Nach dem Unterricht ging ich im Eiltempo vom Schulgelände zu meinem Fahrrad. Doch bereits auf halber Strecke hörte ich die Rufe hinter mir. ,,Happy birthday to you, happy Birthday to you…“ Wut stieg in mir auf, aber ich versuchte es zu ignorieren. ,,Hey Marcy, komm zieh die Hose runter ich hab ein Geschenk für dich. Einen ordentlichen Fußtritt.“
Nun war meine Wut über der Grenze und zum ersten Mal in meinem Leben stellte ich mich John und den anderen. ,,Was willst du von mir? Lass mich in Ruhe!“ ,,Oh, der kleine kann ja doch sprechen. Lernst es wohl spät was? Kein Wunder wirst ja vermutlich immer noch an der Brust genährt.“ Der Überraschungsmoment war auf meiner Seite, als ich mich umdrehte und John mit aller Kraft ins Gesicht schlug. Erst überraschtes Schweigen, doch rasch setzte das altbekannte Rudelgejaule ein und ein Kreis bildete sich um mich. John und zwei seiner besseren Kumpel begannen mich zu schlagen während mich der gebildete Kreis wenn ich nach hinten wich oder stolperte immer wieder in die Mitte des Kreises stießen. Nach kurzer Zeit war eines meiner Augen zugeschwollen und ich nahm kaum noch etwas wahr. Ich landete wohl einen Glückstreffer, der allerdings nur dazu führte das sie ihre Strategie wechselten und mich nun zu zweit festhielten während John munter einen Schlag nach dem anderen auf mich niederprasseln ließ bis ich irgendwann das Bewusstsein verlor.
Fünf Jahre später
Während John und ich so durch die Straßen der Stadt spazierten sagten wir kein Wort. Das war nicht ungewöhnlich. Wir genossen das Schweigen und die Gesellschaft des anderen. Das war nicht immer so gewesen. Während unserer Schulzeit hatten wir eine ganz große Klappe. Und wir waren Stolz darauf. Schlagfertig, cool und beliebt. Und da wir das alles waren, waren wir natürlich auch immer im Recht. Dachten wir zumindest. Doch jeder wird mal erwachsen. Und das Gefühl cool zu sein wurde nach und nach zu einem großen Schamgefühl, was dafür sorgte das mir mein Verhalten von damals inzwischen sehr peinlich ist, abgelöst. Erstaunlich wie man sich charakterlich so sehr verändern kann und trotzdem noch genauso gut so der Person, in die man sich einst verliebt hat, zu passen wie damals. Der coole John, der Hengst von damals, der jedem Hintern hinterher gesehen hatte und der während unserer Beziehung immer cool, distanziert und eher kalt gewirkt hatte, war inzwischen zu einer Person geworden die sehr anhänglich war. Sowohl der Vorschlag des Zusammenziehens als auch der Heiratsantrag waren –freiwillig!- von ihm gekommen. Und heute, als wir gemeinsam die Stadt nach Hochzeitsringen durchstöberten war mein Glück perfekt.
Wir hatten bei einem teuren Juwelier einen wunderschönen Ring ausgesucht und vorbestellt. Am liebsten hätte ich ihn bereits sofort mitgenommen, aber wir waren beide noch Studenten in Fachrichtung Medizin und deshalb chronisch knapp bei Kasse.
Wir gingen ein paar Minuten Händchen haltend durch die dunkler werdenden Straßen der Stadt. Irgendwann hielt John an und drehte mich so dass ich ihn direkt ansah. Besser gesagt das ich, mit seinen 1,90meter Körpergröße, zu ihm hinaufsehen musste. Sanft strich er mir eine Strähne meiner langen roten Haare aus dem Gesicht bevor er mich sanft auf den Mund küsste. ,,Ich liebe dich!“, flüsterte er mir sanft ins Ohr. Errötend schmiegte ich mich an ihn. Plötzlich spürte ich einen starken Schmerz, beinah als würde mein Kopf bersten, dann wurde mir schwarz vor Augen und ich sank zu Boden.
Gefangen
Das erste was ich spürte während ich langsam wieder zu mir kam, war der stechende Schmerz in meinem Kopf. Die Augen fest geschlossen und den Kopf auf dem kalten Boden lassend, legte ich eine meiner Hände über den Kopf. Das grausige Schwindelgefühl ebbte nur sehr langsam ab bis ich mich irgendwann überwand und die Augen öffnete. Es dauerte eine Weile bis sich meine Augen an die Dunkelheit des Raumes gewöhnt hatten und ich die Umgebung langsam wahrnehmen konnte. Es war ein kleiner, fensterloser Kellerraum mit aus grauem Stein bestehenden Wänden und einer vergitterten Front. Schwerfällig setzte ich mich auf und berührte dabei irgendetwas hartes, kaltes. Ich hob es in Sichtweite und meine, noch etwas verschwommen sehenden, Augen in der Lage waren es zu identifizieren. Ein Skelettstück. Ich schrie erstickt auf und warf es schnell weit weg.
Von meinem Schrei aufwachend, setzte sich nun auch John auf und blickte sich um. ,,Wo sind wir?“, fragte er matt. Ich wollte schon meinen Kopf schütteln, ließ es von einem plötzlichen Schmerz durchzuckt werdenden dann aber und flüsterte nur: ,,Keine Ahnung.“
Plötzlich ertönte ein Schrei der uns beide zusammenzucken ließ. Dann ein weiterer. ,,Was ist das?“, fragte ich zitternd, mit unnatürlich hoher Stimme, erwartete jedoch keine Antwort. Ein anderes Geräusch gesellte sich zu den schreien. Es klang nach einem Bohrer. Ich krabbelte so schnell ich konnte zu John und vergrub mich, mir die Ohren zuhaltend, in seinen Armen während die Schreie so laut und verzweifelt wurden wie ich sie noch nie in meinem Leben erlebt hatte. ,,Bitte sag mir das ich mir das einbilde, bitte sag mir das dort oben nicht passiert was ich denke, bitte!“ Mein Herz raste. In Zusammenhang mit meinen angeschlagenen Kopf sorgte das dafür, dass mir schwindelig und schlecht wurde. Ich übergab mich.
Mehrere Minuten ging das so. Der Bohrer war irgendwann nicht mehr zu hören, dafür kamen nun aber zu den Schreien, verzweifelte bitten um Gnade und immer wieder ein und dieselbe Frage: ,,Warum tust du mir das an?“
Panisch stand John auf und tastete in der Finsternis unserer Zelle die Wände ab. Immer wieder leise vor sich hin fluchend. ,,Bitte Johnny, ich will hier raus. Bitte! Was tut dieser Verrückte dort oben? Was wenn wir die nächsten sind? Wir müssen hier raus!“, schluchzte ich leise. ,,Verdammt!“, fluchte John und schlug gegen die Wand, die wundersamer Weise nachgab und ein etwa faustgroßes Loch zurückließ.
Verblüfft von der Wirkung seines Schlages war unsere Panik für einen Moment vergessen. Mit vereinten Kräften zogen und zerrten wir an dem Loch und brachen nach und nach Teile der Wand hinaus bis das Loch groß und wir verstaubt genug waren um hindurch zu passen. Die abgestandene Luft des Hohlraumes ließ mich würgen und während wir uns Schritt für Schritt durch den engen Gang kämpften hörte ich John gequält stöhnen. Mitleidig legte ich ihm eine Hand auf den Rücken. Eine seiner wenigen Schwächen, seine Platzangst, machte sich bemerkbar. ,,Keine Sorge, wir sind bestimmt gleich draußen.“, unterdrückte meine eigene Angst um ihn zu beruhigen. ,,Hier geht es nicht weiter.“, flüsterte er mit bemüht ruhiger Stimme. Ich drängte mich neben ihn, was den Platz für ihn noch mehr reduzierte und tastete an der Wand entlang. ,,Lass uns zurück, bitte!“, flehte er leise und zog leicht an meinem Shirt.
,,Das ist unlogisch… wozu einen Geheimgang anlegen, wenn er nirgends hinführt?“ Es dauerte lange, doch nach etwa zwanzig Minuten fanden wir einen kleinen Schalter und ruckartig drehte sich die komplette Wand und riss uns mit sich in einen bisher versteckten Raum.
Durch die plötzliche Bewegung der Wand gefallen, rappelten wir uns nun wieder auf und sahen uns um. Während ich mich umsah wurde ich erst erstaunt, dann sprachlos, entsetzt und letztlich richtig panisch. Mehr und mehr verstand, was das für ein Raum war. Wozu er diente. Ein Folterraum. Mit Fesseln an den Wänden, einem großen, eisernen Tisch mit Fesseln in der Mitte des Raumes und Unmengen von Foltergegenständen die an den Wänden hingen und in kleinen, schiebbaren, transportierbaren Wagen lagen. Als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, war alles mit Blutflecken beschmiert. ,,Nicole? Nicky? NICKY! Pass auf, du hyperventilierst. Du kippst gleich noch um und dass können wir gerade gar nicht brauchen.“ Ich wimmerte. ,,Ich…ich…ich versuchs ja, aber…aber…“ Sanft schloss er mich in seine Arme. ,,Atme… ganz ruhig… wie ich… ein und aus, ein und aus…“ Als ich mich endlich etwas beruhigt hatte, sagte er ruhig: ,,Ich durchsuche jetzt den Raum. Bleib am Besten hier und sieh dich nicht zu genau um Schatz.“ Käsig schüttelte ich den Kopf. ,,Nein, ich helfe dir. Zu zweit haben wir bessere Chancen etwas zu finden was uns hilft zu verstehen was hier vor sich geht.“ Mit zitternden Knien durchsuchten wir schnell den kleinen Raum. In einer Ecke sah ich etwas auf den Boden liegen und ging darauf zu. ,,DAS hilft uns nicht, sieh nicht hin.“ Typisch ich, sah ich nun natürlich erstrecht hin. Hoden, zwei an der Zahl in einer milchig weißen Flüssigkeit. Ich würgte und wich schnell zurück. ,,Jupp, das hilft nur an dir.“, sagte ich in einem hysterischen Anfall von Humor. ,,Wir…“, doch bevor ich Weitersprechen konnte unterbrach John mich. ,,Still, ich höre etwas!“ Ich lauschte. Tatsächlich, da waren Schritte zu hören die scheinbar auf uns zukamen. ,,Schnell zurück zur Drehtür.“, flüsterte John mir zu. Hektisch suchte ich nach dem Hebel um die Tür ein weiteres Mal zu öffnen. ,,Beeil dich!“, drängte John. Endlich fand ich den Hebel und legte ihn um. Keine Sekunde zu früh, den gerade als wir durch die Tür verschwanden, sahen wir noch wie sich die Tür zum Folterraum öffnete und ein Mann einen zweiten, bewusstlos wirkenden, hinein schliff.
Eng zusammengedrängt standen wir nun wieder in dem kleinen, schmalen Hohlraum hinter der Drehtür. ,,Lass uns zurückgehen“, flüsterte John. ,,Ich kann nicht zurück in die Zelle. Ich kann nicht.“, wimmerte ich. Ich sah wie er mit sich und seiner Platzangst rang und bekam ein schlechtes Gewissen. Ich wusste er würde mich nicht allein hier zurücklassen und ich wusste wie sehr ihn die beengte Umgebung quälte. Dennoch konnte ich mich nicht überwinden in die Zelle zurückzukehren. Zum Ausgangspunkt des Horrors wo ich mich so schrecklich ausgeliefert fühlte. Er blickte mir einen Augenblick tief in die Augen, dann nickte er und zog mich in seine Arme. ,,In Ordnung.“ Dankbar schmiegte ich mich fest an ihn und schloss kurz die Augen. Leise schlich ich ein paar Meter vor und schaute vorsichtig durch den schmalen Spalt durch den man noch etwas sehen konnte. Der Mann hatte sein Opfer inzwischen auf den Tisch gewuchtet, mit Fesseln versehen und war nun damit beschäftigt eine Spritze in seine Ader am Arm zu stecken und an diese einen Tropf anzuschließen.
Leise schlich ich wieder zurück in den Gang in dem John inzwischen schwer atmend mit geschlossenen Augen an der Wand lehnte. ,,Alles in Ordnung? Johnny?“ Plötzlich setzten Schreie ein. John, der durch seine Platzangst sosehr in seiner Panik gefangen war, blieb reglos stehen und schien nicht ein Wort wahrzunehmen. Am liebsten wäre ich in seine Arme geflohen und hätte mir fest die Ohren zugehalten, doch ich wusste John ging es nicht gut. Im Moment musste ich stark für uns beide sein. Sanft nahm ich seine Hand und zog ihn den Gang entlang zurück zu unserer Zelle. Ich atmete mehrmals tief durch als mich die Panik zu überwältigen drohte. Reiß dich zusammen, ihr seid zurzeit überall hier in Gefahr. Nicht nur hier, sagte ich streng zu mir selbst und zog John zu einer Ecke der Zelle in der ich ihn sanft auf den Boden drückte. Die Schreie waren noch immer laut zu hören, dass mir beinah schlecht wurde. ,,John? John, alles ist gut, wir sind hier aus dem Gang raus. Keine Angst.“ Zusammengekauert saß er auf dem Boden und wiegte sich leicht vor und zurück. Sanft schmiegte ich mich an ihn und legte meine Hände über seine Ohren. Nach ein paar Minuten hatte er sich wieder soweit im Griff das er die Augen öffnete und mich ansah. ,,Danke.“, flüsterte er leise. Die Schreie klangen ab. ,,Johnny… vielleicht ist er oben fort. Vielleicht… ist die Tür nicht abgeschlossen.“ Ich wollte es nicht aussprechen, doch ihm war klar worauf ich hinaus wollte. Wenn wir eine Chance haben wollten zu entkommen, mussten wir erneut durch den Gang zur Folterkammer. Mit weißem Gesicht nickte er. ,,Ich verstehe.“ Sanft nahm ich ihn noch einmal in meine Arme und strich ihm zärtlich die lange schwarze Strähne vom Auge weg, die immer wieder zurückfiel und die ich so sehr an ihm liebte. Er raffte sich auf, atmete einmal tief durch und krabbelte erneut durch das Loch in den Gang. Schnell folgte ich ihm und wir eilten so schnell und leise wir konnten zurück. Tatsächlich war der Folterraum, bis auf die auf dem Tisch gefesselte Gestalt, leer.
,,Sieh nicht hin.“, sagte John. Und bevor ich erneut hinsehen und in Panik geraten konnte, zog er mich am Arm weiter durch die, glücklicherweise nicht abgeschlossene, Tür. Wir rannten so schnell wir konnten den Flur entlang. ,,Wo lang? Wo lang?“, keuchte ich panisch. ,,Weiter. Schnell weiter. Wir müssen eine Tür finden. Ein Fenster. Irgendeinen Weg nach draußen!“
Schnell fanden wir die Eingangstür. Verschlossen. ,,Scheiße!“, wimmerte ich. ,,Scheiße, scheiße, scheiße.“ ,,Zwecklos zu jammern. Weiter!“ Es kostete mich viel Kraft mich von der Hoffnung auf eine schnelle Flucht zu trennen und vorerst im Haus zu bleiben. Doch John ließ mich nicht lange stehen. ,,Weiter!“, flüsterte er drängend. Wir rannten die Treppen hoch in die nächste Etage und den dortigen Flur entlang. Dieser hatte drei Türen. ,,Schau du im ersten Zimmer nach, ich übernehme das mittlere.“ Wortlos rannte ich in das erste Zimmer. Ein winziges, altes Badezimmer. Fensterlos. Schnell rannte ich zurück in den Flur. ,,John?“ ,,Ein Gästezimmer. Ein großes Fenster. Aber abgeschlossen und Metallgitter. Nichts zu machen.“ Traurig nickte ich und wir rannten gemeinsam in das dritte Zimmer. Dieses schien ein Arbeitszimmer zu sein. Ich wollte mich schon enttäuscht umdrehen und wieder aus dem Zimmer verschwinden, als John sagte: ,,Nicky. Schau mal.“ Seine Stimme klang irgendwie komisch. Tonlos. Ich drehte mich um und eilte zu ihm. Wortlos zeigte er auf einen kleinen Zettel der neben einem ramponiert wirkenden Laptop lag.
Der Plan unseres Opfers
Ich näherte mich mit meinem Kopf dem Zettel um ihn besser lesen zu können. In einem unnatürlichen Rotton – Blut? – stand dort darauf geschrieben: Ich werde sie alle finden und mich rächen.
Geschockt von dem geschriebenen, bemerken wir die Geräusche des sich drehenden Schlosses erst als es bereits fast zu spät ist und können und nur noch in letzter Sekunde hinter dem Schreibtisch verstecken. Die Tür öffnet sich kurz und ein großer, kräftiger Mann von ungefähr fünfundzwanzig Jahren schaute in das Zimmer. Atemlos blieben wir still hinter dem Schreibtisch sitzen und glücklicherweise schloss er wieder den Raum und ließ uns allein zurück. ,,Wir müssen zurück. Was und warum auch immer hier vor sich geht. Wir müssen hier raus und wer weiß wann wir wieder die Chance haben zu verschwinden.“ Mutlos nickte ich und wir verschwanden schnell aus dem Zimmer. ,,Wohin?“, fragte John mich. ,,Von der zweiten Etage können wir nicht springen. Lass uns zurück, vielleicht finden wir durch den Folterraum einen anderen Ausgang.“ Wir schlichen schnell zurück und durch den Folterraum. ,,Warte.“, sagte ich verwundert und erschrocken zugleich. Ich hatte mir Mühe gegeben nicht den Mann anzusehen der dort gefesselt auf dem Eisentisch lag. Dennoch hatte ich nicht widerstehen können und so fielen mir nun zwei Dinge auf. Erstens war der Mann auf dem Tisch nicht der der vor wenigen Minuten noch dort gefesselt gelegen hatte sondern ihr ehemaliger Mitschüler und oftmaliges Mobbingopfer Marcel und zweitens war er Tod.
,,Johnny, ich… will aus diesem Zimmer.“ ,,Ich weiß… aber, dieser Raum ist unsere einzige Chance. Ich weiß es. Ich hab es im Gefühl!“ Ich nickte und begann gemeinsam mit John zu suchen. Und unsere unangenehme Atmosphäre wurde sehr früh belohnt und wir fanden fast schon sofort die beinah unsichtbare Luke unter dem Foltertisch. Schnell hinein und hinunter. ,,Hier ist nichts. Auch hier ist nichts. Wir können nicht entkommen. Wieder fensterlos. Ausweglos. Das hier war unsere letzte Chance. Wir sind verloren. Wir..“ Ich war hysterisch geworden. Schrecklich laut. Viel zu laut doch ich konnte es nicht verhindern. Und so war ich für John kräftige Ohrfeige anstatt wütend sogar richtig dankbar. ,,Wir durchsuchen das Zimmer. Es gibt immer einen Ausweg und wir werden ihn verdammt noch mal finden!“ Tapfer nickte ich und begann gemeinsam mit ihm zu suchen. Eine Schublade nach der anderen. Ein Regal nach dem anderen, bis… ,,Ha!“, stieß er einen kurzen Erfolgslaut aus. ,,Hier haben wir ihn. Den Schlüsselbund. Da ist doch garantiert der den wir brauchen bei Süße!“ Erleichtert nickte ich. ,,Lass uns verschwinden. Schnell!“ ,,Nein, warte! Da steht Marcels Name drauf auf diesem Buch da.“ Erstaunt öffnete ich das Buch, öffnete es etwa in der Mitte und laß.
Tagebuch von Marcel
1.September 1999, Heute geht mein Medizinstudium los und ich kam in meine neue Klasse in der ich zwei ausgesprochen interessante Typen kennen gelernt habe.
2.September 1999, Ich fand heraus, dass diese Jungs genau wie ich damals schlimm gemobbt worden waren.
5.September 1999, Sie heißen Jack und Freddy und sind voll okay. Ich glaube wir könnten Freunde werden.
10.September 1999, Seit Tagen reift ein Plan in mir heran mich an meinen Mobbern von damals zu rächen. Ich versuche Jack und Freddy zu überreden mir zu helfen.
11.September 1999, Ich konnte sie endlich überzeugen mir bei meinem Plan zu helfen.
Ich unterbrach das lesen des Tagebuches als ich über viele Seiten hinweg nur noch einzelne Stücke des Planes las. Und schlug aufs geratewohl ein aktuelleres Datum auf.
12.August 2004, Es hat so lange gedauert. Aber endlich ist unser Plan restlos fertig und bereit zur Ausführung. Wir haben einen Raum zum foltern, haben lange Recherchiert wo die Mobber sich oft aufhalten und wie wir sie möglichst unauffällig verschwinden lassen können. Wir werden nachher die ersten entführen und bestrafen.
14.August 2004, Wir haben uns an den ersten Personen gerächt. Es waren ein Mann und eine Frau. Wir haben die Frau an die Wand gehängt und zugucken lassen wie wir den Mann immer weiter aufgeschnitten haben und langsam verbluten lassen haben. Danach haben wir die Frau vergewaltigt und ebenfalls ermordet.
15.Augst 2004, Wir haben die Leichen in den Keller geworfen. Was für eine Genugtuung zu wissen das sie endlich ihre gerechte Strafe bekommen haben. Den Tod.
16.August 2004, Wir haben weitere zwei Personen gefangen nehmen können. Freddys Opfer sind nun alle beseitigt.
19.August 2004, Wir haben weitere fünf Person getötet. Haben ihnen langsam und grausam die Gliedmaßen einzeln abgetrennt. Somit sind auch Jacks Mobber alle tot.
21.August 2004, Wir haben die ersten zwei aus meiner Klasse gefangen genommen und getötet. Jetzt bekomme endlich auch ich was mir zusteht. Meine Rache!
23.August 2004, Wir haben die schlimmsten meiner Mobbergruppe gefangen genommen. Sie werden besonders langsam und grausam sterben.
24.August 2004, Meine Kumpel verhalten sich merkwürdig. Ich glaube sie wollen sich stellen.
25.August 2004 Ich glaube ich hab nicht mehr lange zu leben. Ich habe Angst aber will nicht ohne meine Rache fortlaufen.
Geschockt blickte ich zu John der mich völlig erschüttert ansah. ,,Ich meine…“, stotterte ich. ,,Ich weiß ja wir haben damals schlimmen mist gemacht und vielen wehgetan, aber… haben wir das verdient?“ ,,Ich…“, flüsterte er ohne selbst zu merken das er sprach. ,,Hier… ist noch etwas.“ Er nahm einen kleinen Zettel und las laut vor:
Wir haben keinen bock mehr uns von Marcel manipulieren zu lassen. Wir werden uns nicht mehr hirnlos von ihm beeinflussen lassen. Wenn er und die letzten aus dem Keller getötet sind haben wir endlich unser Leben zurück.
,,W…wir sind gemeint.“, stotterte ich panisch. ,,Ja. Was nun? Wir schaffen es niemals ohne zu wissen welcher dieser vielen Schlüssel der Richtige ist in der kurzen Zeit unbemerkt aus dem Haus.“ ,,Dann müssen wir nachts verschwinden. Wenn die Bekloppten schlafen und uns nicht suchen.“ Ich atmete tief durch. ,,Ich will hier sofort raus.“, jammerte ich mit zitternder Stimme. ,,Nur noch ein bisschen. Halte durch.“ Wir hörten eine laute Stimme. ,,Wo sind sie?“ ,,Ich weiß nicht. Aber weit können sie nicht sein!“ Kalkweiß sah ich John an. Was nun? , formte ich tonlos mit den Lippen. Schnell griff er nach meinem Arm und zog mich mit sich, durch die Klappe, durch die Folterkammer und in den schmalen Geheimgang hinein. ,,Ich finde euch, ihr habt keinen Ausweg!“, hörten wir einen der beiden Männer schadenfroh rufen. Ich wusste das John unser Versteck beinah mehr zu schaffen machte als die Verfolgung durch diese Verrückten und so fasste ich einen Entschluss. ,,John, wir müssen es versuchen. Sie werden nicht schlafen gehen bevor sie uns gefunden haben und sie werden keine Tür offen lassen. Wir müssen versuchen sie zu überwältigen.“, das alles kam zwar über meine Lippen, aber so tonlos und unsicher, dass klar war wie sehr ich mich selbst fürchtete und wie sehr ich mir wünschte das es eine andere Möglichkeit gäbe. Er nickte. ,,Auf drei.“ ,flüsterte er leise.
Ich nickte. Bei drei liefen wir beide so schnell und leise wie es uns möglich war zur Haustür zurück und während ich panisch einen Schlüssel nach dem anderen ausprobierte, stand John still daneben. Ich sah ihm an was für eine Qual es war, warten und hoffen zu müssen anstatt selbst etwas tun zu können und so betete ich inständig diese Situation schnell hinter uns zu lassen. ,,Da seid ihr ja.“, hörten wir plötzlich eine schadenfrohe Stimme hinter uns.
Unsere Strafe
,,Oh wie schön das wir euch doch noch gefunden haben. Wir haben ein sehr… interessantes Abendprogramm und würden uns freuen wenn ihr uns Gesellschaft leisten könntet.“ Ich wich zitternd zu John zurück der sich sofort schützend vor mich schob. ,,Vergesst es! Kein Interesse!“, sagte John so kalt und ruhig wie zumindest ich mich garantiert nicht fühlte. ,,Ach komm schon, sei doch kein Spielverderber!“, sagte der größere der beiden und kam auf John zu. Innerhalb weniger Sekunden hatte er John im Schwitzkasten. Er kämpfte verbissen, war jedoch chancenlos. Vor Angst wie gelähmt beobachtete ich, wie er es einige Sekunden auskostete John so unter seiner Kontrolle zu haben. Er drehte seinen Arm nach hinten bis er schrie und drückte ihm die Luft ab, während er mit ganz ruhiger Stimme erklärte wie enttäuscht die beiden wären wenn wir die Party vorzeitig verlassen würden. Dann verpasste er ihm einen groben Schlag in den Hals der John sofort bewusstlos zu Boden gehen ließ. Das riss mich endlich aus meiner Schockstarre und ich rannte zu ihm. ,,John, John!“, wimmerte ich zitternd vor Angst. ,,Bitte, sag das du okay bist. Bitte!“ Der Mann griff mich mit einer Hand und zerrte mich grob zurück in das Zimmer mit den Folterinstrumenten. Inzwischen war ich panisch. Richtig hysterisch. Ich schrie um Hilfe. Bettelte, weinte, trat, spukte und biss. Doch nichts half. Es brachte mir ein paar mitleidige Lacher ein, während sie mich grob an die Fesseln der Wand ketteten, die so hoch hingen das kaum meine Beine noch den Boden berührten. ,,Du magst es also Schwächere zu verhöhnen? Wir werden dir zeigen wie es ist wenn man sich nicht wehren kann. Sie gut zu was wir mit deinem Freund machen werden, den auf dich wartet die selbe Behandlung. Vielleicht… sogar noch etwas mehr.“, murmelte er die letzten Worte mit einem grausig perversen unterton und schob seine Hand unter mein Shirt und berührte kurz aber intensiv eine Brust von mir. Ich wimmerte zitternd während er leise murmelte: ,,Wir werden dir schon zeigen wie es ist völlig hilflos, völlig ausgeliefert zu sein.“ Das waren seine letzten Worte bevor er verschwand, wenige Minuten später John grob an den Beinen hineinzog, auf den Eisentisch warf, auszog und fesselte. Dannach verschwand er ohne ein Wort und ließ mich mit einem splitterfasernackten, verletzten und ohnmächtigen John zurück. ,,Bitte, bitte komm zu dir. Ich brauche dich so sehr.“, wimmerte ich zitternd. Meine Hände brannten wie Feuer. Da ich durch meine geringe Körpergröße meine Arme nicht weit genug strecken konnte, schnitten mir die Fesseln Erbarmungslos ins Fleisch. Während der Stunden in denen ich allein mit meinen Gedanken in diesem Raum war, malte ich mir in allen Einzelheiten aus, was hier alles geschehen könnte. Ich wollte es mir nicht ausmalen und dennoch konnte ich nicht anders und ließ die Bilder an mir vorbeiziehen während ich die metallischen Gegenstände betrachtete.
Es dauerte Stunden, zumindest vermute ich das, bis jemand erneut den Raum betrat. Es war der schmächtigere der zwei Personen. Wortlos ging er zu John und setzte ihn mit einer Nadel einen Zugang. ,,Lassen sie ihn in Ruhe, aufhören!“, fuhr ich den jungen Mann mutiger als ich mich fühlte –da ich mich überhaupt nicht mutig fühlte- an. Doch es brachte nichts. Er ignorierte mich, sosehr ich auch schimpfte und fluchte.
Er hängte ihm einen Beutel mit einer klaren Flüssigkeit an den Zugang und drehte ihn auf. Bereits nach wenigen Sekunden begann sich John auf dem Tisch zu winden und er leise zu stöhnen. ,,Aufwachen!“, fuhr der Mann Johnny kalt an und schlug ihm fest in den Magen. John schlug die Augen auf und drehte sich so weit er konnte auf die Seite und erbrach sich. Der Mann wartete in Ruhe ab, bis John alles aus seinem Magen rausgeholt hatte, was dieser hergab und zog dann die Fesseln so straf, das er sich nicht einen Zentimeter bewegen konnte. John ließ den Kopf zitternd auf den Eisentisch sinken. ,,Johnny!“, schluchzte ich besorgt. Er war kalkweiß. Das Mittel was der Mann ihm spritzte schien ihm überhaupt nicht gut zu tun. Als John endlich wach genug war seine Umgebung wahrzunehmen, flüsterte er leise meinen Namen. ,,Guten Morgen, ich habe mich so darauf gefreut, dass du aufwachst!“, sagte der Mann in einem gefährlich süßen ton. ,,Ich bin Freddy und wir werden sehr viel Spaß miteinander haben!“ Johns Blick traf meinen, kurz zog er testend an seinen Fesseln, bevor er matt die Augen schloss.
,,Was denkst du, womit sollen wir anfangen? Ich habe hier einen sehr schicken Bohrer der wunderbar schnell in die Haut eindringt, eine schicke Ansammlung von Skalpellen… oder sollen wir mit dem Strom anfangen? Was denkst du?“
John blickte stumm und furchtlos in die Augen von Freddy. Dieser nahm, mit einem sehr unheimlichen Lächeln, den Bohrer zur Hand und stellte ihn an. Während er ihn an Johns Unterarm ansetzte, hätte ich alles getan um es zu verhindern. Oder zumindest um mir die Ohren zuhalten zu können. Tränen liefen mir über die Wangen, während Freddy langsam Johns Unterarm durchbohrte. ,,Aufhören, Stopp, stopp. Bitte tu ihm nicht weh!“, schrie ich panisch während mir die Tränen über die Wangen liefen. Endlich hörte der Lärm des Bohrers und Johns gepeinigten Schreie auf und ich öffnete die Augen. Ein kurzer Blick auf John zeigte einen Jungen mit blutig gebissener Lippe, kalkweißem Gesicht und Blutspritzern, die über seinen ganzen Körper verteilt waren. ,,Johnny“, flüsterte ich mit tränenerstickter Stimme. Wir beide beobachteten stumm wie Freddy mit einer ärztlichen Sorgfalt , die mich unter anderen Umständen hätte staunen lassen, ein Skalpell aussuchte und damit einen kleinen Schnitt in Johns Oberarm machte. John zuckte kurz zusammen, blieb jedoch still und hielt seinen Blick fest auf mich gerichtet.
In den nächsten Stunden wurde er auf alle möglichen Arten gefoltert. Freddy schlug ihm mit einer Eisenstange grob in den Magen und brach ihm grob den, bis dahin unversehrten, Arm.
Er klebte ihn Elektroden an den ganzen Körper und ließ ihn immer wieder unter Stromschlägen zucken, bis er beinah unmächtig wurde. Manchmal hielt er ihm einfach, aber effektiv, Mund und Nase zu bis John drohte ohnmächtig zu werden oder hielt ihm minutenlang ein Feuerzeug unter die Haut, bis diese rot und teilweise blutig war.
Stumme Tränen liefen über seine Wangen, doch er sah nicht auch nur noch ein einziges Mal hin was Freddy tat, sondern hielt seinen Blick fest auf mich gerichtet. Irgendwann war John, durch die andauernden Schmerzen, so abgedriftet und teilnahmslos, dass er kaum noch reagierte. Irgendwann schien Freddy das keinen Spaß mehr zu machen und wand sich an mich. ,,Na? Wie hat es dir gefallen unserer kleinen Party zuzusehen?“, fragte Freddy mich leise und kam zu mir. John, der bis zu diesem Zeitpunkt teilnahmslos dagelegen hatte, wand sich auf dem Eisentisch und schluchzte mit, vom schreien heiserer Stimme: ,,Lass sie in Ruhe!“ Die Angst, die er bis zu diesem Moment hatte unterdrücken können, war nun deutlich hörbar, während er gequält schimpfte: ,,Du Feigling, du Perverser! Wie kannst du das nur nun? Lass sie in Ruhe, sich an einem wehlosen Mädchen zu vergreifen!“
Die Flucht
Mit einem gefährlichen Lächeln auf den Lippen kam Freddy zu mir und löste meine Fesseln. Grob drückte er mich gegen die Wand und johlte: ,,So, Johnnyboy, schau gut zu!“, sagte Freddy während er sein Knie zwischen meine Beine schob und an meinem Shirt zerrte. Ob es Adrenalin war, der Anblick von John der, inzwischen kaum noch bei Bewusstsein, schutzlos auf dem Tisch lag oder einfach ein Reflex wusste ich nicht. Aber ich trat mit aller Kraft in seine Eier und er sank vor mir zusammen. Sofort griff ich nach der Eisenstange mit der er vorher John den Arm gebrochen hatte und schlug ihm fest auf den Kopf. Freddy sank ohnmächtig zusammen. Einen Augenblick stand ich, von mir selbst erschrocken, da, dann kniete ich mich schnell neben ihn und nahm ihm den Schlüssel ab, mit dem ich in Rekordzeit Johns Ketten entfernte. ,,Kleiner, bitte wir müssen hier weg!“, wimmerte ich als er von seinen Ketten befreit, noch immer bewegungslos dalag und mich ansah. Tränen liefen mir über die Wangen bis ich kaum noch etwas sehen konnte. Mit fahrigen Fingern zog ich so vorsichtig ich konnte den Zugang aus seinem Arm und zog ihn hoch. ,,Bitte, bitte komm jetzt.“, flehte ich. Sanft zog ich ihn in eine sitzende Position und hoch auf die Füße. Hilflos erbrach er sich, doch dann nickte er und wir schwankten gemeinsam, so schnell sein angeschlagener Körper es zuließ, hinaus Richtung Eingangstür. Für einen Moment blieb ich stehen, dann murmelte ich leise: ,,Johnny, bitte warte hier.“, und rannte schnell noch einmal zurück ins Folterzimmer und schnappte mir das, auf den ersten Blick größte, Skalpell was ich fand bevor ich zurücklief. Ich zog, den inzwischen auf den Boden gesunkenen, John wieder auf die Füße und wir schwankten weiter bis wir kurz vor der Haustür Schritte hörten. Erst spielte ich mit dem Gedanken uns zu verstecken, doch dann entschied ich mich dagegen. Ich hatte zwar eine beinah unerträgliche Angst, doch John blutete aus seinem angebohrten Arm wie ein abgestochenes Schwein und schien bereits kurz davor zu sein, ohnmächtig zu werden. Dies war vermutlich unsere letzte Chance zu fliehen. Schnell griff ich mir den Schlüssel und fummelte im Schloss herum, fand jedoch nicht auf Anhieb den richtigen Schlüssel und dann stand der Riese von Mann, der uns am Anfang überwältigt hatte vor uns. Am ganzen Leib zitternd schob ich mich vor John der durch den Blutverlust unfähig war noch länger zu stehen und auf den Boden sank. Drohend zog ich das Skalpell. ,,Komm uns nicht zu nahe, oder du wirst es bereuen!“, sagte ich mit einer Ruhe in der Stimme die mich selbst überraschte. Aber John hatte einfach keine Kraft mehr sich zu wehren, also musste ich stark sein. Ganz simpel. Er grinste mich an. ,,Zuckerstute, du hast doch gar nicht den Mumm das Skalpell zu benutzen.“ ,sagte er spöttisch und ging an mir vorbei auf John zu. ,,Lass ihn in Ruhe!“, sagte ich. Er griff fest nach Johns Oberarm und zog ihn hoch. John schrie, da es sein gebrochener Arm war. ,,Lass ihn!“, wiederholte ich panisch. Doch er ignorierte mich und zerrte John erneut Richtung Folterzimmer. Ich umgriff das Skalpell mit beiden, inzwischen sehr ruhigen, Händen, folgte ihm lautlos und stach ihm mit aller Kraft in den Hals. Einmal. Zweimal. Dreimal. Wie in Trance stach ich immer wieder zu. Alle Angst entlud sich in diesem einen Angriff bis er auf den Boden sank und reglos in einer Blutlache liegen blieb.
Ich griff, beinah schon, entspannt den Schüsselbund, fand endlich den richtigen Schlüssel, schloss auf und zog John sanft auf die Füße und aus dem Haus.
Abspann
Ich rief einen Krankenwagen. Nach Stunden im Operationssaal wurde John endlich wieder hinausgeschoben. Ich hielt während der ganzen Nacht seine Hand, bis er irgendwann aufwachte. Erst als er mich ansah und unsere Blicke uns trafen begann ich beinah haltlos zu zittern und mein Schock langsam abzuebben. Sanft griff er nach meiner Hand und flüsterte leise, dass alles gut werden würde. Ich nickte. Ich wusste er hatte Recht, die Polizei hatte den letzten noch lebenden Entführer bereits eingesperrt und mich, während John im OP war, verhört. Die Gefahr war gebannt, niemand wollte uns mehr etwas tun und dennoch dauerte es sehr lange bis ich mich nachts wieder albtraumlos an ihn schmiegen konnte oder auch nur ohne Licht einschlafen konnte. Was wir erlebt hatten in diesem Haus glich einem wahr gewordenen Albtraum und auch wenn das alles schrecklich und die Entführer vermutlich allesamt Verrückt gewesen waren, wusste ich, das auch ich und John damals sehr viele Fehler gemacht hatten. Fehler die wir natürlich nie wieder gut machen konnten, aber genau aus diesem Grund versprachen wir uns nach dieser schrecklichen Gefangenschaft nie wieder etwas zu tun von dem wir von Anfang an wussten das es falsch und verletzend war.
Umsetzung: Nadine Markowitz
Meine Schulzeit
Eigentlich hatte ich mich in der Schule immer wohl gefühlt. Wann sich das änderte weiß ich nicht mehr genau. Es war ein so schleichender Vorgang das es bereits zu spät war, als es mir letztendlich auffiel.
Ich habe nie jemandem etwas getan. War immer höflich und bemüht Streitereien aus dem Weg zu gehen. Vielleicht war letztendlich das der Faktor der dazu führte das es dazu kam und ich nach und nach von fast allen Personen aus meiner Klasse gemobbt wurde.
Am Anfang war es nur vereinzelt. ,,Ey spielen wir hier das Schweigen der Lämmer oder warum bekommst du die Zähne nicht auseinander?“ ,,Bist du so ein meinungsloser Schlappschwanz oder tust du nur so?“ Nach und nach wurde es mehr und da ich nichts dagegen unternahm wurde es eher schlimmer als besser.
Am schlimmsten waren John und Nicole. Sie waren die einzigen die es aus unserer Klasse geschafft hatten bereits in so jungen Jahren zusammen zu kommen und über die komplette Gymnasialzeit auf unserer Schule zusammen zu bleiben. Beide waren beliebt und als Team hatten sie so ziemlich die gesamte Klasse, fast schon die ganze Schule, die ihnen nahezu hörig war auf ihrer Seite.
Vielleicht war ich zu sensibel für die Klasse. Vielleicht war dies und nichts anderes mein Problem. Doch auch wenn sicher viele Menschen gemobbt wurden und werden, ähnelt doch kein Mobbing dem anderen. Und da damals niemand in meiner Haut steckte soll sich bitte niemand herausnehmen mich zu verurteilen. Seid gewarnt wenn ihr es dennoch tut!
An den Tag an dem es ausartete erinnere ich mich noch genau. Es war mein Geburtstag und wir waren in der Klasse zum Matheunterricht. Wie immer war ich bemüht nicht auf mich aufmerksam zu machen um das Mobbing nicht zu verschlimmern. Wir wollten gerade mit dem Unterricht beginnen als dem Lehrer etwas auffiel.
,,Marcel hast du heute Geburtstag?“ Alle Blicke richteten sich auf mich. Errötend, ertappt nickte ich. ,,Ich glaube da ist ein Lied fällig. 1,2,3…“ Mein Blick traf für den Bruchteil von Sekunden den von John und in dem Moment war mir klar das dieser Tag nicht angenehm werden würde. Das Lied schien ewig zu dauern und die Blicke die mir den restlichen Schultag folgten troffen vor hohn.
Nach dem Unterricht ging ich im Eiltempo vom Schulgelände zu meinem Fahrrad. Doch bereits auf halber Strecke hörte ich die Rufe hinter mir. ,,Happy birthday to you, happy Birthday to you…“ Wut stieg in mir auf, aber ich versuchte es zu ignorieren. ,,Hey Marcy, komm zieh die Hose runter ich hab ein Geschenk für dich. Einen ordentlichen Fußtritt.“
Nun war meine Wut über der Grenze und zum ersten Mal in meinem Leben stellte ich mich John und den anderen. ,,Was willst du von mir? Lass mich in Ruhe!“ ,,Oh, der kleine kann ja doch sprechen. Lernst es wohl spät was? Kein Wunder wirst ja vermutlich immer noch an der Brust genährt.“ Der Überraschungsmoment war auf meiner Seite, als ich mich umdrehte und John mit aller Kraft ins Gesicht schlug. Erst überraschtes Schweigen, doch rasch setzte das altbekannte Rudelgejaule ein und ein Kreis bildete sich um mich. John und zwei seiner besseren Kumpel begannen mich zu schlagen während mich der gebildete Kreis wenn ich nach hinten wich oder stolperte immer wieder in die Mitte des Kreises stießen. Nach kurzer Zeit war eines meiner Augen zugeschwollen und ich nahm kaum noch etwas wahr. Ich landete wohl einen Glückstreffer, der allerdings nur dazu führte das sie ihre Strategie wechselten und mich nun zu zweit festhielten während John munter einen Schlag nach dem anderen auf mich niederprasseln ließ bis ich irgendwann das Bewusstsein verlor.
Fünf Jahre später
Während John und ich so durch die Straßen der Stadt spazierten sagten wir kein Wort. Das war nicht ungewöhnlich. Wir genossen das Schweigen und die Gesellschaft des anderen. Das war nicht immer so gewesen. Während unserer Schulzeit hatten wir eine ganz große Klappe. Und wir waren Stolz darauf. Schlagfertig, cool und beliebt. Und da wir das alles waren, waren wir natürlich auch immer im Recht. Dachten wir zumindest. Doch jeder wird mal erwachsen. Und das Gefühl cool zu sein wurde nach und nach zu einem großen Schamgefühl, was dafür sorgte das mir mein Verhalten von damals inzwischen sehr peinlich ist, abgelöst. Erstaunlich wie man sich charakterlich so sehr verändern kann und trotzdem noch genauso gut so der Person, in die man sich einst verliebt hat, zu passen wie damals. Der coole John, der Hengst von damals, der jedem Hintern hinterher gesehen hatte und der während unserer Beziehung immer cool, distanziert und eher kalt gewirkt hatte, war inzwischen zu einer Person geworden die sehr anhänglich war. Sowohl der Vorschlag des Zusammenziehens als auch der Heiratsantrag waren –freiwillig!- von ihm gekommen. Und heute, als wir gemeinsam die Stadt nach Hochzeitsringen durchstöberten war mein Glück perfekt.
Wir hatten bei einem teuren Juwelier einen wunderschönen Ring ausgesucht und vorbestellt. Am liebsten hätte ich ihn bereits sofort mitgenommen, aber wir waren beide noch Studenten in Fachrichtung Medizin und deshalb chronisch knapp bei Kasse.
Wir gingen ein paar Minuten Händchen haltend durch die dunkler werdenden Straßen der Stadt. Irgendwann hielt John an und drehte mich so dass ich ihn direkt ansah. Besser gesagt das ich, mit seinen 1,90meter Körpergröße, zu ihm hinaufsehen musste. Sanft strich er mir eine Strähne meiner langen roten Haare aus dem Gesicht bevor er mich sanft auf den Mund küsste. ,,Ich liebe dich!“, flüsterte er mir sanft ins Ohr. Errötend schmiegte ich mich an ihn. Plötzlich spürte ich einen starken Schmerz, beinah als würde mein Kopf bersten, dann wurde mir schwarz vor Augen und ich sank zu Boden.
Gefangen
Das erste was ich spürte während ich langsam wieder zu mir kam, war der stechende Schmerz in meinem Kopf. Die Augen fest geschlossen und den Kopf auf dem kalten Boden lassend, legte ich eine meiner Hände über den Kopf. Das grausige Schwindelgefühl ebbte nur sehr langsam ab bis ich mich irgendwann überwand und die Augen öffnete. Es dauerte eine Weile bis sich meine Augen an die Dunkelheit des Raumes gewöhnt hatten und ich die Umgebung langsam wahrnehmen konnte. Es war ein kleiner, fensterloser Kellerraum mit aus grauem Stein bestehenden Wänden und einer vergitterten Front. Schwerfällig setzte ich mich auf und berührte dabei irgendetwas hartes, kaltes. Ich hob es in Sichtweite und meine, noch etwas verschwommen sehenden, Augen in der Lage waren es zu identifizieren. Ein Skelettstück. Ich schrie erstickt auf und warf es schnell weit weg.
Von meinem Schrei aufwachend, setzte sich nun auch John auf und blickte sich um. ,,Wo sind wir?“, fragte er matt. Ich wollte schon meinen Kopf schütteln, ließ es von einem plötzlichen Schmerz durchzuckt werdenden dann aber und flüsterte nur: ,,Keine Ahnung.“
Plötzlich ertönte ein Schrei der uns beide zusammenzucken ließ. Dann ein weiterer. ,,Was ist das?“, fragte ich zitternd, mit unnatürlich hoher Stimme, erwartete jedoch keine Antwort. Ein anderes Geräusch gesellte sich zu den schreien. Es klang nach einem Bohrer. Ich krabbelte so schnell ich konnte zu John und vergrub mich, mir die Ohren zuhaltend, in seinen Armen während die Schreie so laut und verzweifelt wurden wie ich sie noch nie in meinem Leben erlebt hatte. ,,Bitte sag mir das ich mir das einbilde, bitte sag mir das dort oben nicht passiert was ich denke, bitte!“ Mein Herz raste. In Zusammenhang mit meinen angeschlagenen Kopf sorgte das dafür, dass mir schwindelig und schlecht wurde. Ich übergab mich.
Mehrere Minuten ging das so. Der Bohrer war irgendwann nicht mehr zu hören, dafür kamen nun aber zu den Schreien, verzweifelte bitten um Gnade und immer wieder ein und dieselbe Frage: ,,Warum tust du mir das an?“
Panisch stand John auf und tastete in der Finsternis unserer Zelle die Wände ab. Immer wieder leise vor sich hin fluchend. ,,Bitte Johnny, ich will hier raus. Bitte! Was tut dieser Verrückte dort oben? Was wenn wir die nächsten sind? Wir müssen hier raus!“, schluchzte ich leise. ,,Verdammt!“, fluchte John und schlug gegen die Wand, die wundersamer Weise nachgab und ein etwa faustgroßes Loch zurückließ.
Verblüfft von der Wirkung seines Schlages war unsere Panik für einen Moment vergessen. Mit vereinten Kräften zogen und zerrten wir an dem Loch und brachen nach und nach Teile der Wand hinaus bis das Loch groß und wir verstaubt genug waren um hindurch zu passen. Die abgestandene Luft des Hohlraumes ließ mich würgen und während wir uns Schritt für Schritt durch den engen Gang kämpften hörte ich John gequält stöhnen. Mitleidig legte ich ihm eine Hand auf den Rücken. Eine seiner wenigen Schwächen, seine Platzangst, machte sich bemerkbar. ,,Keine Sorge, wir sind bestimmt gleich draußen.“, unterdrückte meine eigene Angst um ihn zu beruhigen. ,,Hier geht es nicht weiter.“, flüsterte er mit bemüht ruhiger Stimme. Ich drängte mich neben ihn, was den Platz für ihn noch mehr reduzierte und tastete an der Wand entlang. ,,Lass uns zurück, bitte!“, flehte er leise und zog leicht an meinem Shirt.
,,Das ist unlogisch… wozu einen Geheimgang anlegen, wenn er nirgends hinführt?“ Es dauerte lange, doch nach etwa zwanzig Minuten fanden wir einen kleinen Schalter und ruckartig drehte sich die komplette Wand und riss uns mit sich in einen bisher versteckten Raum.
Durch die plötzliche Bewegung der Wand gefallen, rappelten wir uns nun wieder auf und sahen uns um. Während ich mich umsah wurde ich erst erstaunt, dann sprachlos, entsetzt und letztlich richtig panisch. Mehr und mehr verstand, was das für ein Raum war. Wozu er diente. Ein Folterraum. Mit Fesseln an den Wänden, einem großen, eisernen Tisch mit Fesseln in der Mitte des Raumes und Unmengen von Foltergegenständen die an den Wänden hingen und in kleinen, schiebbaren, transportierbaren Wagen lagen. Als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, war alles mit Blutflecken beschmiert. ,,Nicole? Nicky? NICKY! Pass auf, du hyperventilierst. Du kippst gleich noch um und dass können wir gerade gar nicht brauchen.“ Ich wimmerte. ,,Ich…ich…ich versuchs ja, aber…aber…“ Sanft schloss er mich in seine Arme. ,,Atme… ganz ruhig… wie ich… ein und aus, ein und aus…“ Als ich mich endlich etwas beruhigt hatte, sagte er ruhig: ,,Ich durchsuche jetzt den Raum. Bleib am Besten hier und sieh dich nicht zu genau um Schatz.“ Käsig schüttelte ich den Kopf. ,,Nein, ich helfe dir. Zu zweit haben wir bessere Chancen etwas zu finden was uns hilft zu verstehen was hier vor sich geht.“ Mit zitternden Knien durchsuchten wir schnell den kleinen Raum. In einer Ecke sah ich etwas auf den Boden liegen und ging darauf zu. ,,DAS hilft uns nicht, sieh nicht hin.“ Typisch ich, sah ich nun natürlich erstrecht hin. Hoden, zwei an der Zahl in einer milchig weißen Flüssigkeit. Ich würgte und wich schnell zurück. ,,Jupp, das hilft nur an dir.“, sagte ich in einem hysterischen Anfall von Humor. ,,Wir…“, doch bevor ich Weitersprechen konnte unterbrach John mich. ,,Still, ich höre etwas!“ Ich lauschte. Tatsächlich, da waren Schritte zu hören die scheinbar auf uns zukamen. ,,Schnell zurück zur Drehtür.“, flüsterte John mir zu. Hektisch suchte ich nach dem Hebel um die Tür ein weiteres Mal zu öffnen. ,,Beeil dich!“, drängte John. Endlich fand ich den Hebel und legte ihn um. Keine Sekunde zu früh, den gerade als wir durch die Tür verschwanden, sahen wir noch wie sich die Tür zum Folterraum öffnete und ein Mann einen zweiten, bewusstlos wirkenden, hinein schliff.
Eng zusammengedrängt standen wir nun wieder in dem kleinen, schmalen Hohlraum hinter der Drehtür. ,,Lass uns zurückgehen“, flüsterte John. ,,Ich kann nicht zurück in die Zelle. Ich kann nicht.“, wimmerte ich. Ich sah wie er mit sich und seiner Platzangst rang und bekam ein schlechtes Gewissen. Ich wusste er würde mich nicht allein hier zurücklassen und ich wusste wie sehr ihn die beengte Umgebung quälte. Dennoch konnte ich mich nicht überwinden in die Zelle zurückzukehren. Zum Ausgangspunkt des Horrors wo ich mich so schrecklich ausgeliefert fühlte. Er blickte mir einen Augenblick tief in die Augen, dann nickte er und zog mich in seine Arme. ,,In Ordnung.“ Dankbar schmiegte ich mich fest an ihn und schloss kurz die Augen. Leise schlich ich ein paar Meter vor und schaute vorsichtig durch den schmalen Spalt durch den man noch etwas sehen konnte. Der Mann hatte sein Opfer inzwischen auf den Tisch gewuchtet, mit Fesseln versehen und war nun damit beschäftigt eine Spritze in seine Ader am Arm zu stecken und an diese einen Tropf anzuschließen.
Leise schlich ich wieder zurück in den Gang in dem John inzwischen schwer atmend mit geschlossenen Augen an der Wand lehnte. ,,Alles in Ordnung? Johnny?“ Plötzlich setzten Schreie ein. John, der durch seine Platzangst sosehr in seiner Panik gefangen war, blieb reglos stehen und schien nicht ein Wort wahrzunehmen. Am liebsten wäre ich in seine Arme geflohen und hätte mir fest die Ohren zugehalten, doch ich wusste John ging es nicht gut. Im Moment musste ich stark für uns beide sein. Sanft nahm ich seine Hand und zog ihn den Gang entlang zurück zu unserer Zelle. Ich atmete mehrmals tief durch als mich die Panik zu überwältigen drohte. Reiß dich zusammen, ihr seid zurzeit überall hier in Gefahr. Nicht nur hier, sagte ich streng zu mir selbst und zog John zu einer Ecke der Zelle in der ich ihn sanft auf den Boden drückte. Die Schreie waren noch immer laut zu hören, dass mir beinah schlecht wurde. ,,John? John, alles ist gut, wir sind hier aus dem Gang raus. Keine Angst.“ Zusammengekauert saß er auf dem Boden und wiegte sich leicht vor und zurück. Sanft schmiegte ich mich an ihn und legte meine Hände über seine Ohren. Nach ein paar Minuten hatte er sich wieder soweit im Griff das er die Augen öffnete und mich ansah. ,,Danke.“, flüsterte er leise. Die Schreie klangen ab. ,,Johnny… vielleicht ist er oben fort. Vielleicht… ist die Tür nicht abgeschlossen.“ Ich wollte es nicht aussprechen, doch ihm war klar worauf ich hinaus wollte. Wenn wir eine Chance haben wollten zu entkommen, mussten wir erneut durch den Gang zur Folterkammer. Mit weißem Gesicht nickte er. ,,Ich verstehe.“ Sanft nahm ich ihn noch einmal in meine Arme und strich ihm zärtlich die lange schwarze Strähne vom Auge weg, die immer wieder zurückfiel und die ich so sehr an ihm liebte. Er raffte sich auf, atmete einmal tief durch und krabbelte erneut durch das Loch in den Gang. Schnell folgte ich ihm und wir eilten so schnell und leise wir konnten zurück. Tatsächlich war der Folterraum, bis auf die auf dem Tisch gefesselte Gestalt, leer.
,,Sieh nicht hin.“, sagte John. Und bevor ich erneut hinsehen und in Panik geraten konnte, zog er mich am Arm weiter durch die, glücklicherweise nicht abgeschlossene, Tür. Wir rannten so schnell wir konnten den Flur entlang. ,,Wo lang? Wo lang?“, keuchte ich panisch. ,,Weiter. Schnell weiter. Wir müssen eine Tür finden. Ein Fenster. Irgendeinen Weg nach draußen!“
Schnell fanden wir die Eingangstür. Verschlossen. ,,Scheiße!“, wimmerte ich. ,,Scheiße, scheiße, scheiße.“ ,,Zwecklos zu jammern. Weiter!“ Es kostete mich viel Kraft mich von der Hoffnung auf eine schnelle Flucht zu trennen und vorerst im Haus zu bleiben. Doch John ließ mich nicht lange stehen. ,,Weiter!“, flüsterte er drängend. Wir rannten die Treppen hoch in die nächste Etage und den dortigen Flur entlang. Dieser hatte drei Türen. ,,Schau du im ersten Zimmer nach, ich übernehme das mittlere.“ Wortlos rannte ich in das erste Zimmer. Ein winziges, altes Badezimmer. Fensterlos. Schnell rannte ich zurück in den Flur. ,,John?“ ,,Ein Gästezimmer. Ein großes Fenster. Aber abgeschlossen und Metallgitter. Nichts zu machen.“ Traurig nickte ich und wir rannten gemeinsam in das dritte Zimmer. Dieses schien ein Arbeitszimmer zu sein. Ich wollte mich schon enttäuscht umdrehen und wieder aus dem Zimmer verschwinden, als John sagte: ,,Nicky. Schau mal.“ Seine Stimme klang irgendwie komisch. Tonlos. Ich drehte mich um und eilte zu ihm. Wortlos zeigte er auf einen kleinen Zettel der neben einem ramponiert wirkenden Laptop lag.
Der Plan unseres Opfers
Ich näherte mich mit meinem Kopf dem Zettel um ihn besser lesen zu können. In einem unnatürlichen Rotton – Blut? – stand dort darauf geschrieben: Ich werde sie alle finden und mich rächen.
Geschockt von dem geschriebenen, bemerken wir die Geräusche des sich drehenden Schlosses erst als es bereits fast zu spät ist und können und nur noch in letzter Sekunde hinter dem Schreibtisch verstecken. Die Tür öffnet sich kurz und ein großer, kräftiger Mann von ungefähr fünfundzwanzig Jahren schaute in das Zimmer. Atemlos blieben wir still hinter dem Schreibtisch sitzen und glücklicherweise schloss er wieder den Raum und ließ uns allein zurück. ,,Wir müssen zurück. Was und warum auch immer hier vor sich geht. Wir müssen hier raus und wer weiß wann wir wieder die Chance haben zu verschwinden.“ Mutlos nickte ich und wir verschwanden schnell aus dem Zimmer. ,,Wohin?“, fragte John mich. ,,Von der zweiten Etage können wir nicht springen. Lass uns zurück, vielleicht finden wir durch den Folterraum einen anderen Ausgang.“ Wir schlichen schnell zurück und durch den Folterraum. ,,Warte.“, sagte ich verwundert und erschrocken zugleich. Ich hatte mir Mühe gegeben nicht den Mann anzusehen der dort gefesselt auf dem Eisentisch lag. Dennoch hatte ich nicht widerstehen können und so fielen mir nun zwei Dinge auf. Erstens war der Mann auf dem Tisch nicht der der vor wenigen Minuten noch dort gefesselt gelegen hatte sondern ihr ehemaliger Mitschüler und oftmaliges Mobbingopfer Marcel und zweitens war er Tod.
,,Johnny, ich… will aus diesem Zimmer.“ ,,Ich weiß… aber, dieser Raum ist unsere einzige Chance. Ich weiß es. Ich hab es im Gefühl!“ Ich nickte und begann gemeinsam mit John zu suchen. Und unsere unangenehme Atmosphäre wurde sehr früh belohnt und wir fanden fast schon sofort die beinah unsichtbare Luke unter dem Foltertisch. Schnell hinein und hinunter. ,,Hier ist nichts. Auch hier ist nichts. Wir können nicht entkommen. Wieder fensterlos. Ausweglos. Das hier war unsere letzte Chance. Wir sind verloren. Wir..“ Ich war hysterisch geworden. Schrecklich laut. Viel zu laut doch ich konnte es nicht verhindern. Und so war ich für John kräftige Ohrfeige anstatt wütend sogar richtig dankbar. ,,Wir durchsuchen das Zimmer. Es gibt immer einen Ausweg und wir werden ihn verdammt noch mal finden!“ Tapfer nickte ich und begann gemeinsam mit ihm zu suchen. Eine Schublade nach der anderen. Ein Regal nach dem anderen, bis… ,,Ha!“, stieß er einen kurzen Erfolgslaut aus. ,,Hier haben wir ihn. Den Schlüsselbund. Da ist doch garantiert der den wir brauchen bei Süße!“ Erleichtert nickte ich. ,,Lass uns verschwinden. Schnell!“ ,,Nein, warte! Da steht Marcels Name drauf auf diesem Buch da.“ Erstaunt öffnete ich das Buch, öffnete es etwa in der Mitte und laß.
Tagebuch von Marcel
1.September 1999, Heute geht mein Medizinstudium los und ich kam in meine neue Klasse in der ich zwei ausgesprochen interessante Typen kennen gelernt habe.
2.September 1999, Ich fand heraus, dass diese Jungs genau wie ich damals schlimm gemobbt worden waren.
5.September 1999, Sie heißen Jack und Freddy und sind voll okay. Ich glaube wir könnten Freunde werden.
10.September 1999, Seit Tagen reift ein Plan in mir heran mich an meinen Mobbern von damals zu rächen. Ich versuche Jack und Freddy zu überreden mir zu helfen.
11.September 1999, Ich konnte sie endlich überzeugen mir bei meinem Plan zu helfen.
Ich unterbrach das lesen des Tagebuches als ich über viele Seiten hinweg nur noch einzelne Stücke des Planes las. Und schlug aufs geratewohl ein aktuelleres Datum auf.
12.August 2004, Es hat so lange gedauert. Aber endlich ist unser Plan restlos fertig und bereit zur Ausführung. Wir haben einen Raum zum foltern, haben lange Recherchiert wo die Mobber sich oft aufhalten und wie wir sie möglichst unauffällig verschwinden lassen können. Wir werden nachher die ersten entführen und bestrafen.
14.August 2004, Wir haben uns an den ersten Personen gerächt. Es waren ein Mann und eine Frau. Wir haben die Frau an die Wand gehängt und zugucken lassen wie wir den Mann immer weiter aufgeschnitten haben und langsam verbluten lassen haben. Danach haben wir die Frau vergewaltigt und ebenfalls ermordet.
15.Augst 2004, Wir haben die Leichen in den Keller geworfen. Was für eine Genugtuung zu wissen das sie endlich ihre gerechte Strafe bekommen haben. Den Tod.
16.August 2004, Wir haben weitere zwei Personen gefangen nehmen können. Freddys Opfer sind nun alle beseitigt.
19.August 2004, Wir haben weitere fünf Person getötet. Haben ihnen langsam und grausam die Gliedmaßen einzeln abgetrennt. Somit sind auch Jacks Mobber alle tot.
21.August 2004, Wir haben die ersten zwei aus meiner Klasse gefangen genommen und getötet. Jetzt bekomme endlich auch ich was mir zusteht. Meine Rache!
23.August 2004, Wir haben die schlimmsten meiner Mobbergruppe gefangen genommen. Sie werden besonders langsam und grausam sterben.
24.August 2004, Meine Kumpel verhalten sich merkwürdig. Ich glaube sie wollen sich stellen.
25.August 2004 Ich glaube ich hab nicht mehr lange zu leben. Ich habe Angst aber will nicht ohne meine Rache fortlaufen.
Geschockt blickte ich zu John der mich völlig erschüttert ansah. ,,Ich meine…“, stotterte ich. ,,Ich weiß ja wir haben damals schlimmen mist gemacht und vielen wehgetan, aber… haben wir das verdient?“ ,,Ich…“, flüsterte er ohne selbst zu merken das er sprach. ,,Hier… ist noch etwas.“ Er nahm einen kleinen Zettel und las laut vor:
Wir haben keinen bock mehr uns von Marcel manipulieren zu lassen. Wir werden uns nicht mehr hirnlos von ihm beeinflussen lassen. Wenn er und die letzten aus dem Keller getötet sind haben wir endlich unser Leben zurück.
,,W…wir sind gemeint.“, stotterte ich panisch. ,,Ja. Was nun? Wir schaffen es niemals ohne zu wissen welcher dieser vielen Schlüssel der Richtige ist in der kurzen Zeit unbemerkt aus dem Haus.“ ,,Dann müssen wir nachts verschwinden. Wenn die Bekloppten schlafen und uns nicht suchen.“ Ich atmete tief durch. ,,Ich will hier sofort raus.“, jammerte ich mit zitternder Stimme. ,,Nur noch ein bisschen. Halte durch.“ Wir hörten eine laute Stimme. ,,Wo sind sie?“ ,,Ich weiß nicht. Aber weit können sie nicht sein!“ Kalkweiß sah ich John an. Was nun? , formte ich tonlos mit den Lippen. Schnell griff er nach meinem Arm und zog mich mit sich, durch die Klappe, durch die Folterkammer und in den schmalen Geheimgang hinein. ,,Ich finde euch, ihr habt keinen Ausweg!“, hörten wir einen der beiden Männer schadenfroh rufen. Ich wusste das John unser Versteck beinah mehr zu schaffen machte als die Verfolgung durch diese Verrückten und so fasste ich einen Entschluss. ,,John, wir müssen es versuchen. Sie werden nicht schlafen gehen bevor sie uns gefunden haben und sie werden keine Tür offen lassen. Wir müssen versuchen sie zu überwältigen.“, das alles kam zwar über meine Lippen, aber so tonlos und unsicher, dass klar war wie sehr ich mich selbst fürchtete und wie sehr ich mir wünschte das es eine andere Möglichkeit gäbe. Er nickte. ,,Auf drei.“ ,flüsterte er leise.
Ich nickte. Bei drei liefen wir beide so schnell und leise wie es uns möglich war zur Haustür zurück und während ich panisch einen Schlüssel nach dem anderen ausprobierte, stand John still daneben. Ich sah ihm an was für eine Qual es war, warten und hoffen zu müssen anstatt selbst etwas tun zu können und so betete ich inständig diese Situation schnell hinter uns zu lassen. ,,Da seid ihr ja.“, hörten wir plötzlich eine schadenfrohe Stimme hinter uns.
Unsere Strafe
,,Oh wie schön das wir euch doch noch gefunden haben. Wir haben ein sehr… interessantes Abendprogramm und würden uns freuen wenn ihr uns Gesellschaft leisten könntet.“ Ich wich zitternd zu John zurück der sich sofort schützend vor mich schob. ,,Vergesst es! Kein Interesse!“, sagte John so kalt und ruhig wie zumindest ich mich garantiert nicht fühlte. ,,Ach komm schon, sei doch kein Spielverderber!“, sagte der größere der beiden und kam auf John zu. Innerhalb weniger Sekunden hatte er John im Schwitzkasten. Er kämpfte verbissen, war jedoch chancenlos. Vor Angst wie gelähmt beobachtete ich, wie er es einige Sekunden auskostete John so unter seiner Kontrolle zu haben. Er drehte seinen Arm nach hinten bis er schrie und drückte ihm die Luft ab, während er mit ganz ruhiger Stimme erklärte wie enttäuscht die beiden wären wenn wir die Party vorzeitig verlassen würden. Dann verpasste er ihm einen groben Schlag in den Hals der John sofort bewusstlos zu Boden gehen ließ. Das riss mich endlich aus meiner Schockstarre und ich rannte zu ihm. ,,John, John!“, wimmerte ich zitternd vor Angst. ,,Bitte, sag das du okay bist. Bitte!“ Der Mann griff mich mit einer Hand und zerrte mich grob zurück in das Zimmer mit den Folterinstrumenten. Inzwischen war ich panisch. Richtig hysterisch. Ich schrie um Hilfe. Bettelte, weinte, trat, spukte und biss. Doch nichts half. Es brachte mir ein paar mitleidige Lacher ein, während sie mich grob an die Fesseln der Wand ketteten, die so hoch hingen das kaum meine Beine noch den Boden berührten. ,,Du magst es also Schwächere zu verhöhnen? Wir werden dir zeigen wie es ist wenn man sich nicht wehren kann. Sie gut zu was wir mit deinem Freund machen werden, den auf dich wartet die selbe Behandlung. Vielleicht… sogar noch etwas mehr.“, murmelte er die letzten Worte mit einem grausig perversen unterton und schob seine Hand unter mein Shirt und berührte kurz aber intensiv eine Brust von mir. Ich wimmerte zitternd während er leise murmelte: ,,Wir werden dir schon zeigen wie es ist völlig hilflos, völlig ausgeliefert zu sein.“ Das waren seine letzten Worte bevor er verschwand, wenige Minuten später John grob an den Beinen hineinzog, auf den Eisentisch warf, auszog und fesselte. Dannach verschwand er ohne ein Wort und ließ mich mit einem splitterfasernackten, verletzten und ohnmächtigen John zurück. ,,Bitte, bitte komm zu dir. Ich brauche dich so sehr.“, wimmerte ich zitternd. Meine Hände brannten wie Feuer. Da ich durch meine geringe Körpergröße meine Arme nicht weit genug strecken konnte, schnitten mir die Fesseln Erbarmungslos ins Fleisch. Während der Stunden in denen ich allein mit meinen Gedanken in diesem Raum war, malte ich mir in allen Einzelheiten aus, was hier alles geschehen könnte. Ich wollte es mir nicht ausmalen und dennoch konnte ich nicht anders und ließ die Bilder an mir vorbeiziehen während ich die metallischen Gegenstände betrachtete.
Es dauerte Stunden, zumindest vermute ich das, bis jemand erneut den Raum betrat. Es war der schmächtigere der zwei Personen. Wortlos ging er zu John und setzte ihn mit einer Nadel einen Zugang. ,,Lassen sie ihn in Ruhe, aufhören!“, fuhr ich den jungen Mann mutiger als ich mich fühlte –da ich mich überhaupt nicht mutig fühlte- an. Doch es brachte nichts. Er ignorierte mich, sosehr ich auch schimpfte und fluchte.
Er hängte ihm einen Beutel mit einer klaren Flüssigkeit an den Zugang und drehte ihn auf. Bereits nach wenigen Sekunden begann sich John auf dem Tisch zu winden und er leise zu stöhnen. ,,Aufwachen!“, fuhr der Mann Johnny kalt an und schlug ihm fest in den Magen. John schlug die Augen auf und drehte sich so weit er konnte auf die Seite und erbrach sich. Der Mann wartete in Ruhe ab, bis John alles aus seinem Magen rausgeholt hatte, was dieser hergab und zog dann die Fesseln so straf, das er sich nicht einen Zentimeter bewegen konnte. John ließ den Kopf zitternd auf den Eisentisch sinken. ,,Johnny!“, schluchzte ich besorgt. Er war kalkweiß. Das Mittel was der Mann ihm spritzte schien ihm überhaupt nicht gut zu tun. Als John endlich wach genug war seine Umgebung wahrzunehmen, flüsterte er leise meinen Namen. ,,Guten Morgen, ich habe mich so darauf gefreut, dass du aufwachst!“, sagte der Mann in einem gefährlich süßen ton. ,,Ich bin Freddy und wir werden sehr viel Spaß miteinander haben!“ Johns Blick traf meinen, kurz zog er testend an seinen Fesseln, bevor er matt die Augen schloss.
,,Was denkst du, womit sollen wir anfangen? Ich habe hier einen sehr schicken Bohrer der wunderbar schnell in die Haut eindringt, eine schicke Ansammlung von Skalpellen… oder sollen wir mit dem Strom anfangen? Was denkst du?“
John blickte stumm und furchtlos in die Augen von Freddy. Dieser nahm, mit einem sehr unheimlichen Lächeln, den Bohrer zur Hand und stellte ihn an. Während er ihn an Johns Unterarm ansetzte, hätte ich alles getan um es zu verhindern. Oder zumindest um mir die Ohren zuhalten zu können. Tränen liefen mir über die Wangen, während Freddy langsam Johns Unterarm durchbohrte. ,,Aufhören, Stopp, stopp. Bitte tu ihm nicht weh!“, schrie ich panisch während mir die Tränen über die Wangen liefen. Endlich hörte der Lärm des Bohrers und Johns gepeinigten Schreie auf und ich öffnete die Augen. Ein kurzer Blick auf John zeigte einen Jungen mit blutig gebissener Lippe, kalkweißem Gesicht und Blutspritzern, die über seinen ganzen Körper verteilt waren. ,,Johnny“, flüsterte ich mit tränenerstickter Stimme. Wir beide beobachteten stumm wie Freddy mit einer ärztlichen Sorgfalt , die mich unter anderen Umständen hätte staunen lassen, ein Skalpell aussuchte und damit einen kleinen Schnitt in Johns Oberarm machte. John zuckte kurz zusammen, blieb jedoch still und hielt seinen Blick fest auf mich gerichtet.
In den nächsten Stunden wurde er auf alle möglichen Arten gefoltert. Freddy schlug ihm mit einer Eisenstange grob in den Magen und brach ihm grob den, bis dahin unversehrten, Arm.
Er klebte ihn Elektroden an den ganzen Körper und ließ ihn immer wieder unter Stromschlägen zucken, bis er beinah unmächtig wurde. Manchmal hielt er ihm einfach, aber effektiv, Mund und Nase zu bis John drohte ohnmächtig zu werden oder hielt ihm minutenlang ein Feuerzeug unter die Haut, bis diese rot und teilweise blutig war.
Stumme Tränen liefen über seine Wangen, doch er sah nicht auch nur noch ein einziges Mal hin was Freddy tat, sondern hielt seinen Blick fest auf mich gerichtet. Irgendwann war John, durch die andauernden Schmerzen, so abgedriftet und teilnahmslos, dass er kaum noch reagierte. Irgendwann schien Freddy das keinen Spaß mehr zu machen und wand sich an mich. ,,Na? Wie hat es dir gefallen unserer kleinen Party zuzusehen?“, fragte Freddy mich leise und kam zu mir. John, der bis zu diesem Zeitpunkt teilnahmslos dagelegen hatte, wand sich auf dem Eisentisch und schluchzte mit, vom schreien heiserer Stimme: ,,Lass sie in Ruhe!“ Die Angst, die er bis zu diesem Moment hatte unterdrücken können, war nun deutlich hörbar, während er gequält schimpfte: ,,Du Feigling, du Perverser! Wie kannst du das nur nun? Lass sie in Ruhe, sich an einem wehlosen Mädchen zu vergreifen!“
Die Flucht
Mit einem gefährlichen Lächeln auf den Lippen kam Freddy zu mir und löste meine Fesseln. Grob drückte er mich gegen die Wand und johlte: ,,So, Johnnyboy, schau gut zu!“, sagte Freddy während er sein Knie zwischen meine Beine schob und an meinem Shirt zerrte. Ob es Adrenalin war, der Anblick von John der, inzwischen kaum noch bei Bewusstsein, schutzlos auf dem Tisch lag oder einfach ein Reflex wusste ich nicht. Aber ich trat mit aller Kraft in seine Eier und er sank vor mir zusammen. Sofort griff ich nach der Eisenstange mit der er vorher John den Arm gebrochen hatte und schlug ihm fest auf den Kopf. Freddy sank ohnmächtig zusammen. Einen Augenblick stand ich, von mir selbst erschrocken, da, dann kniete ich mich schnell neben ihn und nahm ihm den Schlüssel ab, mit dem ich in Rekordzeit Johns Ketten entfernte. ,,Kleiner, bitte wir müssen hier weg!“, wimmerte ich als er von seinen Ketten befreit, noch immer bewegungslos dalag und mich ansah. Tränen liefen mir über die Wangen bis ich kaum noch etwas sehen konnte. Mit fahrigen Fingern zog ich so vorsichtig ich konnte den Zugang aus seinem Arm und zog ihn hoch. ,,Bitte, bitte komm jetzt.“, flehte ich. Sanft zog ich ihn in eine sitzende Position und hoch auf die Füße. Hilflos erbrach er sich, doch dann nickte er und wir schwankten gemeinsam, so schnell sein angeschlagener Körper es zuließ, hinaus Richtung Eingangstür. Für einen Moment blieb ich stehen, dann murmelte ich leise: ,,Johnny, bitte warte hier.“, und rannte schnell noch einmal zurück ins Folterzimmer und schnappte mir das, auf den ersten Blick größte, Skalpell was ich fand bevor ich zurücklief. Ich zog, den inzwischen auf den Boden gesunkenen, John wieder auf die Füße und wir schwankten weiter bis wir kurz vor der Haustür Schritte hörten. Erst spielte ich mit dem Gedanken uns zu verstecken, doch dann entschied ich mich dagegen. Ich hatte zwar eine beinah unerträgliche Angst, doch John blutete aus seinem angebohrten Arm wie ein abgestochenes Schwein und schien bereits kurz davor zu sein, ohnmächtig zu werden. Dies war vermutlich unsere letzte Chance zu fliehen. Schnell griff ich mir den Schlüssel und fummelte im Schloss herum, fand jedoch nicht auf Anhieb den richtigen Schlüssel und dann stand der Riese von Mann, der uns am Anfang überwältigt hatte vor uns. Am ganzen Leib zitternd schob ich mich vor John der durch den Blutverlust unfähig war noch länger zu stehen und auf den Boden sank. Drohend zog ich das Skalpell. ,,Komm uns nicht zu nahe, oder du wirst es bereuen!“, sagte ich mit einer Ruhe in der Stimme die mich selbst überraschte. Aber John hatte einfach keine Kraft mehr sich zu wehren, also musste ich stark sein. Ganz simpel. Er grinste mich an. ,,Zuckerstute, du hast doch gar nicht den Mumm das Skalpell zu benutzen.“ ,sagte er spöttisch und ging an mir vorbei auf John zu. ,,Lass ihn in Ruhe!“, sagte ich. Er griff fest nach Johns Oberarm und zog ihn hoch. John schrie, da es sein gebrochener Arm war. ,,Lass ihn!“, wiederholte ich panisch. Doch er ignorierte mich und zerrte John erneut Richtung Folterzimmer. Ich umgriff das Skalpell mit beiden, inzwischen sehr ruhigen, Händen, folgte ihm lautlos und stach ihm mit aller Kraft in den Hals. Einmal. Zweimal. Dreimal. Wie in Trance stach ich immer wieder zu. Alle Angst entlud sich in diesem einen Angriff bis er auf den Boden sank und reglos in einer Blutlache liegen blieb.
Ich griff, beinah schon, entspannt den Schüsselbund, fand endlich den richtigen Schlüssel, schloss auf und zog John sanft auf die Füße und aus dem Haus.
Abspann
Ich rief einen Krankenwagen. Nach Stunden im Operationssaal wurde John endlich wieder hinausgeschoben. Ich hielt während der ganzen Nacht seine Hand, bis er irgendwann aufwachte. Erst als er mich ansah und unsere Blicke uns trafen begann ich beinah haltlos zu zittern und mein Schock langsam abzuebben. Sanft griff er nach meiner Hand und flüsterte leise, dass alles gut werden würde. Ich nickte. Ich wusste er hatte Recht, die Polizei hatte den letzten noch lebenden Entführer bereits eingesperrt und mich, während John im OP war, verhört. Die Gefahr war gebannt, niemand wollte uns mehr etwas tun und dennoch dauerte es sehr lange bis ich mich nachts wieder albtraumlos an ihn schmiegen konnte oder auch nur ohne Licht einschlafen konnte. Was wir erlebt hatten in diesem Haus glich einem wahr gewordenen Albtraum und auch wenn das alles schrecklich und die Entführer vermutlich allesamt Verrückt gewesen waren, wusste ich, das auch ich und John damals sehr viele Fehler gemacht hatten. Fehler die wir natürlich nie wieder gut machen konnten, aber genau aus diesem Grund versprachen wir uns nach dieser schrecklichen Gefangenschaft nie wieder etwas zu tun von dem wir von Anfang an wussten das es falsch und verletzend war.
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Dienstag, 25. Oktober 2011
Ich bin doch schon groß!
nads, 20:38h
Heute ist mein 5. Geburtstag. Ich bin jetzt eine ganze Hand voll Jahre alt. Ab heute bin ich also kein Kind mehr. Bald geh ich in die Schule. Ich freue mich schon sehr darauf. Da bin ich endlich bei Kindern die genauso groß sind wie ich. Mein Bruder ist erst 4. Noch ein richtiges Baby. Meine Mama hat das Wohnzimmer geschmückt. Überall hängen Ballons und eine große Torte steht auf dem Tisch. Auf der steht mit rotem Zuckerguss Tijana, mein Name, und darunter eine genauso große 5.
Heute kommen meine Freunde zu Besuch. Wir wollen alle zusammen feiern, dass ich erwachsen geworden bin. Um zwei Uhr klingelt es an der Tür. Schnell renne ich hin und reiße sie auf.
,,Tijana, du musst immer durch den Spion schauen, damit du weißt wer hinter der Tür ist.“, tadelte mich meine Mutter. ,,Das weiß ich.“, sagte ich trotzig. Machte die Tür vor den Augen meiner Freunde wieder zu, holte mir einen Eimer, stellte ihn vor die Tür und schaute, auf dem Eimer stehend, durch den Spion. ,,Da stehen meine Freunde und ihre Eltern.“, verkündete ich, während ich den Eimer wegstellte und die Tür erneut öffnete. Das dahinter stehende Grüppchen schaute mich einen Augenblick verblüfft an, dann kamen sie rein. Meine Freunde nahmen mich in den Arm und wünschten mir alles Gute.
Sie legten die Geschenke im Wohnzimmer auf einen Haufen. Ich stürmte sofort hin und begann sie aufzureißen. Das erste, dann das zweite und das dritte. Irgendwann fragte meine Mama: ,,Tijana? Bedank dich bitte bei deinen Freunden für die Geschenke.“ ,,Das weiß ich, ich bin schon groß.“, sagte ich wütend. Ich ging zu meinen Freunden und gab jedem einzelnen die Hand und sagte wie toll ich das Geschenk fand. Ein fester Händedruck und eine klare Stimme, hatte ich meinen Papa mal zu einem Kollegen sagen hören, dass macht immer einen guten Eindruck. Und in die Augen schauen. Immer in die Augen schauen, wenn man mit jemandem spricht. Konzentriert befolgte ich all das und ignorierte das Gekicher der dummen Erwachsenen. Das war richtig, da war ich mir sicher.
Als ich meine Geschenke ausgepackt hatte, aßen wir zusammen was von dem leckeren Kuchen. Ich schaffte es alle Kerzen mit einem Mal auszupusten und durfte sogar vorsichtig den Kuchen anschneiden. Die Hand meines Papas, die meine führte, spielte keine Rolle.
Genüsslich kratzte ich den Zuckerguss von meiner Torte. Das Leckerste würde ich zum Schluss essen. Der Kuchen schmeckte so lecker, dass ich schnell viel in meinen Mund schob.
,,Tijana, mach bitte den Mund zu beim kauen.“, bat mich meine Mama leise. ,,Ich weiß“, sagte ich trotzig, wobei ein Teil des Kuchens aus meinem Mund fiel. Wütend schloss ich ihn und kaute. Dreißig bis fünfunddreißig mal kauen vor dem Schlucken. Das hatte meine Mama mal beim essen vor sich hingemurmelt. Bis dreißig zählen kann ich. Das kann ich sogar sehr gut. Und so nahm ich Bissen für Bissen in den Mund und kaute brav mit geschlossenem Mund bis ich bis dreißig gezählt hatte. Bei jedem Bissen. Die anderen Kinder waren alle längst fertig und warteten nur auf mich. Doch ich war mir sicher, dass das so richtig war, und ließ mich nicht hetzen.
Nach dem essen zogen wir uns unsere Jacken und Schuhe an. Meine Eltern wollten uns wohin bringen. Wohin verrieten sie nicht. Wir fuhren eine Weile mit dem Auto und wo hielten wir? Vor dem Zoo! Da wollte ich schon so lange mal hin. Die Tiger und Löwen, die Eisbären und das Vogelhaus. Toll! Nachdem meine Eltern für uns den Eintritt bezahlt hatten, gingen wir in den Zoo. Im Streichelzoo, streichelten wir die Hasen und die Meerschweinchen. Wir bekamen alle ein Eis bevor wir weiter gingen. Wir schauten uns gerade die Delphine an, als ich ein Tier sah was ich noch nie zuvor gesehen hatte. Es war etwas größer als ein Schaf aber kleiner als ein Pferd, sein ganzes Fell war strubbelig und sein Hals ziemlich lang. Ich rannte hin und sah es mir an. ,,Sei vorsichtig.“, hörte ich meine Freundin rufen. ,,Keine Sorge. Siehst du den Zaun? Es kann mir nichts tun.“, sagte ich und zeigte auf eben diesen. Plötzlich spukte mich das Tier an. Erschrocken fiel ich auf den Hintern. Ein Tier hatte mich noch nie angespuckt. Ich wusste gar nicht, dass sie das überhaupt können.
,,Tijana.“, hörte ich meine Mama rufen. ,,Ich weiß.“, rief ich traurig noch bevor sie etwas sagen konnte. ,,Ich bin kein Kind mehr.“
Lachend wischte sie mir mit einem Taschentuch die Spucke vom Gesicht ab. ,,Doch, genau das bist du. Aber weißt du was? Das ist super! Das bedeutet nämlich nur, das du noch ganz viel Platz in deinem Kopf hast um zu lernen.“ Einen Moment sah sie mich an. Dann begann sie haltlos zu lachen. ,,Und um Fehler zu machen.“, fügte sie noch immer lachend hinzu und zog mich wieder auf die Beine. Sie erzählte mir, dass das Tier ein Lama gewesen war und dass sie oft Leute anspukten. Der Tag im Zoo wurde noch richtig schön, aber von den Lamas hielt ich den restlichen Tag lieber etwas Abstand.
Heute kommen meine Freunde zu Besuch. Wir wollen alle zusammen feiern, dass ich erwachsen geworden bin. Um zwei Uhr klingelt es an der Tür. Schnell renne ich hin und reiße sie auf.
,,Tijana, du musst immer durch den Spion schauen, damit du weißt wer hinter der Tür ist.“, tadelte mich meine Mutter. ,,Das weiß ich.“, sagte ich trotzig. Machte die Tür vor den Augen meiner Freunde wieder zu, holte mir einen Eimer, stellte ihn vor die Tür und schaute, auf dem Eimer stehend, durch den Spion. ,,Da stehen meine Freunde und ihre Eltern.“, verkündete ich, während ich den Eimer wegstellte und die Tür erneut öffnete. Das dahinter stehende Grüppchen schaute mich einen Augenblick verblüfft an, dann kamen sie rein. Meine Freunde nahmen mich in den Arm und wünschten mir alles Gute.
Sie legten die Geschenke im Wohnzimmer auf einen Haufen. Ich stürmte sofort hin und begann sie aufzureißen. Das erste, dann das zweite und das dritte. Irgendwann fragte meine Mama: ,,Tijana? Bedank dich bitte bei deinen Freunden für die Geschenke.“ ,,Das weiß ich, ich bin schon groß.“, sagte ich wütend. Ich ging zu meinen Freunden und gab jedem einzelnen die Hand und sagte wie toll ich das Geschenk fand. Ein fester Händedruck und eine klare Stimme, hatte ich meinen Papa mal zu einem Kollegen sagen hören, dass macht immer einen guten Eindruck. Und in die Augen schauen. Immer in die Augen schauen, wenn man mit jemandem spricht. Konzentriert befolgte ich all das und ignorierte das Gekicher der dummen Erwachsenen. Das war richtig, da war ich mir sicher.
Als ich meine Geschenke ausgepackt hatte, aßen wir zusammen was von dem leckeren Kuchen. Ich schaffte es alle Kerzen mit einem Mal auszupusten und durfte sogar vorsichtig den Kuchen anschneiden. Die Hand meines Papas, die meine führte, spielte keine Rolle.
Genüsslich kratzte ich den Zuckerguss von meiner Torte. Das Leckerste würde ich zum Schluss essen. Der Kuchen schmeckte so lecker, dass ich schnell viel in meinen Mund schob.
,,Tijana, mach bitte den Mund zu beim kauen.“, bat mich meine Mama leise. ,,Ich weiß“, sagte ich trotzig, wobei ein Teil des Kuchens aus meinem Mund fiel. Wütend schloss ich ihn und kaute. Dreißig bis fünfunddreißig mal kauen vor dem Schlucken. Das hatte meine Mama mal beim essen vor sich hingemurmelt. Bis dreißig zählen kann ich. Das kann ich sogar sehr gut. Und so nahm ich Bissen für Bissen in den Mund und kaute brav mit geschlossenem Mund bis ich bis dreißig gezählt hatte. Bei jedem Bissen. Die anderen Kinder waren alle längst fertig und warteten nur auf mich. Doch ich war mir sicher, dass das so richtig war, und ließ mich nicht hetzen.
Nach dem essen zogen wir uns unsere Jacken und Schuhe an. Meine Eltern wollten uns wohin bringen. Wohin verrieten sie nicht. Wir fuhren eine Weile mit dem Auto und wo hielten wir? Vor dem Zoo! Da wollte ich schon so lange mal hin. Die Tiger und Löwen, die Eisbären und das Vogelhaus. Toll! Nachdem meine Eltern für uns den Eintritt bezahlt hatten, gingen wir in den Zoo. Im Streichelzoo, streichelten wir die Hasen und die Meerschweinchen. Wir bekamen alle ein Eis bevor wir weiter gingen. Wir schauten uns gerade die Delphine an, als ich ein Tier sah was ich noch nie zuvor gesehen hatte. Es war etwas größer als ein Schaf aber kleiner als ein Pferd, sein ganzes Fell war strubbelig und sein Hals ziemlich lang. Ich rannte hin und sah es mir an. ,,Sei vorsichtig.“, hörte ich meine Freundin rufen. ,,Keine Sorge. Siehst du den Zaun? Es kann mir nichts tun.“, sagte ich und zeigte auf eben diesen. Plötzlich spukte mich das Tier an. Erschrocken fiel ich auf den Hintern. Ein Tier hatte mich noch nie angespuckt. Ich wusste gar nicht, dass sie das überhaupt können.
,,Tijana.“, hörte ich meine Mama rufen. ,,Ich weiß.“, rief ich traurig noch bevor sie etwas sagen konnte. ,,Ich bin kein Kind mehr.“
Lachend wischte sie mir mit einem Taschentuch die Spucke vom Gesicht ab. ,,Doch, genau das bist du. Aber weißt du was? Das ist super! Das bedeutet nämlich nur, das du noch ganz viel Platz in deinem Kopf hast um zu lernen.“ Einen Moment sah sie mich an. Dann begann sie haltlos zu lachen. ,,Und um Fehler zu machen.“, fügte sie noch immer lachend hinzu und zog mich wieder auf die Beine. Sie erzählte mir, dass das Tier ein Lama gewesen war und dass sie oft Leute anspukten. Der Tag im Zoo wurde noch richtig schön, aber von den Lamas hielt ich den restlichen Tag lieber etwas Abstand.
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Fortsetzung folgt...
nads, 20:12h
Es fiel mir schon immer schwer neue Sprachen zu lernen. Wenn ich da an die Schulzeit zurückdenke - an Englisch. Meine Freunde hätten wohl gesagt ist doch eher eine leichte Sprache. Sie hätten gesagt du musst nur mehr zu Hause lernen oder hätten mir sogar beim lernen geholfen - hätte ich welche gehabt. Tatsache war leider, dass ich praktisch seit dem ersten Tag nicht dazu gehört hatte. Am Anfang war es erträglich. Ich sprach sie nicht an und sie mich nicht. Von daher ist es sicherlich auch meine Schuld das es überhaupt soweit kam.
Irgendwann begannen sie sich darüber lustig zu machen, dass ich nichts sagte. Ich verteidigte mich nicht - redete nicht. Taten sie es um auszutesten wann ich etwas sagen würde? Oder mich gar wehren würde? Ich weiß es nicht. Aber es wurde schlimmer...
Sie begannen mir auf den Fluren Beine in den Weg zu stellen, Luft aus den Schläuchen meines Fahrrades zu lassen, mich mit Papierkugeln zu bewerfen und sorgten dafür das alle paar Wochen *zufällig* eine Safttüte in meinem Rucksack auslief, was meine Schulbücher von mal zu mal unleserlicher machte. Auch ließen sie kaum eine Möglichkeit aus mir auf den Fluren ,,Was guckst du den so blöd" und ähnliches hinterher zu rufen, so dass ich mir schnell angewöhnte mit gesenktem Blick durch die Gänge zu eilen und mich in Ecken zu verdrücken in die man eher selten sah.
Die Lehrer versuchten ab und zu mich zu integrieren. Zwangen mich bei Schulprojekten mitzumachen und bestraften dann und wann welche von denen die mich mobbten. Aber eher selten da ich nie petzte und die Namen der Schüler (da ich ja fast nur zu Boden sah) eh nicht zuordnen konnte. Außerdem brachten die Strafen, wenn sie den mal welche bekamen, nur geringfügig etwas. Nämlich das sie mich noch stärker mobbten als vorher.
Mein 14. Geburtstag war wohl der schrecklichste Tag in meinem Leben. Zumindest bisher, dass kann ich euch versichern. Es fing an wie jeden Tag. Nicht mal besonders schlimm. Mein Fahrradreifen war ausnahmsweise nur platt und hatte kein Loch. Nachdem ich ihn aufgepumpt hatte, verabschiedete ich mich von meiner Mum. Mein Dad war in der Garage und checkte das Auto. Wenn ich zur Schule fahren würde, würden sie in die Stadt fahren und für unseren Urlaub einkaufen. Ich freute mich schon sehr auf den Urlaub. Auch wenn man sich als Junge in meinem Alter sicher lieber die Zunge abbiss als es zuzugeben, aber ich liebte meine Eltern. Und zwei Wochen mit ihnen und ohne die Schulfolter kamen mir vor wie der Himmel auf Erden.
Sie nahm mich in den Arm und fragte besorgt: ,,Schatz, bist du wirklich sicher das wir nicht umziehen sollen damit du die Schule wechseln kannst?" Ich wollte die Schule wechseln. Mehr als alles andere. Aber wenn wir umzögen müssten meine Eltern ihren Traum von einem eigenen Haus aufgeben. Im Augenblick hatte das Haus durch die aktuelle Marktlage viel an Wert verloren. Wert den es sicher wiedergewinnen würde, wenn es meinen Eltern dann noch gehörte. Jetzt zu verkaufen wäre... dumm.
,, Nein Mum, im Augenblick ist es gar nicht so schlimm. Sorgt euch nicht meinetwegen." Die Lüge kostete mich viel Kraft, aber als sich ihr Gesicht aufhellte machte es die Mühe gleich doppelt wieder wett. Und so schwang ich mich auf den Sattel und fuhr los. Auch während des Unterrichts passierte noch nicht wirklich was Schlimmes. Wie immer. Ich sagte nur etwas wenn der Lehrer mich drannahm und hielt mich von meinen Mitschülern fern. Wir bekamen auch eine Arbeit zurück. Eine zwei. Mist. Ich bemühte mich immer dreien zu schreiben. Durchschnittliche, nicht zu gute - nicht zu schlechte dreien. Dreien wegen denen man nicht noch mehr gemobbt (Streber - Idiot) werden konnte.
Ich kam gerade aus dem Schulgebäude und ging Richtung Fahrradständer als ich die Gruppe
-1-
sah die zwischen mir und meinem Fahrrad stand. Wie ich es gewöhnt war machte ich, möglichst unauffällig, einen leichten Bogen um sie. Als jemand den ich nicht hatte kommen hören / sehen mich in ihre Richtung schubste. Eh ich wusste was los war, griffen sich zwei Jungs meine Arme und hielten sie auf meinem Rücken fest. Die nächsten zwanzig Minuten verdränge ich am liebsten. Es war schmerzhaft und ... sagen wir es so. Ich kann inzwischen gut nachvollziehen warum Vergewaltigungsopfer der Polizei so ungern von ihren Erlebnissen erzählen. Mal im ernst, selbst mir fällt es gerade schwer. Und das obwohl ihr nicht gerade mit einem Notizblock oder gar einer altmodischen Schreibmaschine dasitzt und mich durchdringend anstarrt. Also, wo war ich stehen geblieben... ach ja.
Sie hielten meine Hände auf meinem Rücken fest und mir die Augen zu. Rissen mir meine Jacke und Sweatshirt vom Leib. Erst versuchten sie es auch mit der Hose doch die war zu stabil. Und so zogen sie mich kurzerhand komplett aus. Ich hatte nicht versucht mich zu wehren. Und allein für diese Tatsache ekelte ich mich selber an. Es war kalt. Obwohl es erst Mitte November war lag der Schnee schon dick überall wohin der Blick auch wanderte. Wenn ich vorher nicht vor Angst gezittert hatte, zitterte ich spätestens jetzt vor Kälte. Sie schlugen mich solange bis ich zu schwach war um mich aus eigener Kraft auf den Beinen zu halten. Bis ihr festhalten zu einem Obenhalten wurde. Dann schoben sie mir einen dicken Stock schmerzhaft in den Hintern. Ein hilfloses Schluchzen kam über meine Lippen. Jemand anderes, wie gesagt ich sah nichts, griff nach meinen Hoden und presste sie. Pressen, das drücken von etwas weicherem zwischen zwei konstant harten. Ich schrie gequält. Sie lachten und drückten noch etwas fester. Als ich mir vor Schmerz in die (nicht vorhandene) Hose machte ließen sie lachend von mir ab und gingen weg.
Ich weiß nicht wie lange ich dort zitternd im Schnee lag. Betete verzweifelt darum, dass jemand kam und mich ins warme brachte oder wenigstens Bewusstlos schlug. Eigentlich war mir letzteres sogar lieber. Hier erfrieren. Weder Kälte, Schmerz oder Scham jemals wieder spüren. Ich weiß nicht mehr wann, aber irgendwann wurde ich dann doch endlich ohnmächtig...
Fortsetzung folgt...
Damals hatte mich eine Lehrerin gefunden. Da ich ohnmächtig war, weiß ich es nur, weil es mir eine Krankenschwester erzählte. Sie hatte einen anderen Lehrer gerufen und gemeinsam hatten sie mich ins Krankenzimmer getragen, in ein paar Wolldecken gewickelt und den Notarzt gerufen. Sie versuchten mehrere Tage lang meine Eltern zu informieren, bis schließlich zwei Polizisten vor meinem Bett standen. Eine davon, eine kleine, dünne Polizistin mit zu einem strengen Pferdeschwanz gebundenem, blondem Haar, erzählte mir mit leiser Stimme das meine Eltern bereits vor mehreren Tagen bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. An meinem Geburtstag. Außer ihnen hatte ich keine lebenden Verwandten mehr gehabt. Was nun?
Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, bekam ich einen Platz in einem Kinderheim. Ich würde nicht sagen, dass ich dort glücklich war, aber mir ging es besser. Die Negativität meiner Schulzeit und das positive mit meinen Eltern wurden zu einem beständigen neutral.
Die Kinder des Heims redeten zwar auch nur selten und wenn dann nur das nötigste mit mir (Hast du mal Feuer? Kann ich die Hausaufgaben abschreiben? Du sollst zur Chefin wegen der Beerdigung) Aber da ich noch neu für sie war, waren sie von den Mobbing-Anführern noch nicht so aufgehetzt. Was habe ich nur an mir, dass ich es immer schaffe mich, ohne etwas
-2-
Besonderes zu tun, ins Abseits zu stellen?
Bereits nach nur zwei Monaten wurde ich adoptiert. Meine... ja, wie nannte man die Personen die sich bis dato im Heim um uns gekümmert hatten eigentlich? Erzieherin? Heimbetreuerin? Naja, jedenfalls meinte sie ich hätte unglaubliches Glück gehabt. Kaum ein Junge, oder generell ein Kind, wurde mit 14 Jahren noch adoptiert. Wahrscheinlich nahmen sie es gerade deswegen mit den Hintergrundrecherchen zu meiner Stieffamilie nicht allzu genau...
Als meine neuen Stiefeltern mich abholten, hatte ich bereits kein gutes Gefühl. Die Formalitäten waren bereits zwei Wochen vorher erledigt worden und so musste ich nur meinen Rucksack, in dem ich nur ein paar Kleidungsstücke und meinen MP3 hatte, packen und ins Auto steigen.
Mein Stiefvater, ein 41 jähriger, glatzköpfiger, großer Mann in einem chicen grauen Anzug mit Krawatte und meine schlanke Stiefmutter mit ihren 37 Jahren in ihrem eng anliegenden, geblümten Kleid waren eindeutig vorzeigbar.
Wo fange ich nun am besten an? Und wo höre ich auf?
Wir fuhren mit einem gepflegten, aber schon ein paar Jahre auf dem Buckel habenden Audi mehrere hundert Kilometer bis zu einem kleinen Dorf im grünen. Auf der Fahrt dorthin kam ich schnell mit meiner neuen ,,Nenn mich einfach Mum" Stiefmutter ins Gespräch. Ich erfuhr das sie sich schon immer ein Kind gewünscht hatte, sie zu einem kleinen Haus fuhren, was hoffentlich, wenn alles gut ginge, in 12 Jahren ihnen gehören würde, dass sie von zu Hause aus als Architektin für ein paar, ständig wechselnde Kunden arbeitete.
Dort angekommen führte sie mich durch das ganze Haus und zeigte mir zum Schluss mein Zimmer. Ein kleines, gemütliches Dachgeschoßzimmer mit einem weichen Bett, Fernseher, Kleiderschrank, Schreibtisch und sogar einem gebrauchten Laptop als ,,Willkommen in unserer Familie-Geschenk.
Wochen und sogar Monate vergingen relativ ereignislos. Wieder erwarten fühlte ich mich bei ihnen wohl. In der Schule wurde ich zwar inzwischen wieder geärgert, doch es war eher ein fobben als mobben. Jeder der jemals ein Außenseiter war, dem brauche ich den Unterschied nicht zu erklären. Für alle anderen... lasst mich überlegen wie ich es am Besten formuliere... Stellt euch eine Skala von 1 - 5 vor. Auf dieser ist 5 das schlimmste. Mobben. Fobben gehört eher in die 2-3er Kategorie. Also um wieder aufs Thema zurück zu kommen. Mir ging es relativ gut.
Bis ich das Geheimnis meiner Stiefmutter erfuhr...
Ich suchte meine Stiefmutter. Weswegen das weiß ich heute nicht mehr. Kennt ihr das? Dass, wenn etwas passiert das einen extrem erschüttert oder das Auslöser für etwas stark lebensveränderndes ist, Kleinigkeiten aus eben dieser Zeit aus dem Gedächtnis verschwinden?
Bei mir war es so.
Ich klopfte an ihre Schlafzimmertür, hinter der ich sie vermutete. Durch die Tür drang leise Musik, so dass sie mich vermutlich nicht hörte. Leise öffnete ich sie einen Spalt. Bereit, sie jederzeit blitzschnell wieder zu schließen falls sie sich gerade umzog oder etwas ähnliches. Meine Mutter stand mit dem Rücken zu mir vor ihrem Spiegel. Im Spiel konnte ich ihre Haare sehen - die sie in der Hand hielt. Ich rang nach Luft während sie sich bleich zu mir umdrehte.
Einige Sekunden standen wir schweigend voreinander. Dann atmete sie tief durch, setze sich ihre Perücke wieder auf den Kopf und bat mich, mich hinzusetzen. ,,Ich hätte es dir beichten sollen. Ich möchte dass du verstehst warum ich dir nichts erzählt habe. Schon mein ganzes
Leben habe ich mir Kinder oder wenigstens ein Kind gewünscht. Mein Mann und ich haben
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es beinah 12 Jahre probiert. Nun, sind wir weder jung noch wohlhabend. Zwei Dinge die bei einer Adoption eigentlich fast Pflicht sind. Als auch noch meine Krankheit - der Lungen- und Hirntumor dazukam waren unsere Chancen jemals ein Kind adoptieren zu dürfen praktisch null. Also haben wir diesen Teil... verheimlicht. "
Ihre Augen füllten sich mit Tränen und ihre Aussprache wurde immer undeutlicher während sie weitersprach. ,,Als wir die Zusage bekamen, dich adoptieren zu können, war ich... unbeschreibbar glücklich. Ein eigenes Kind, noch dazu ein 14jähriges Problemkind, das mich meine eigenen Sorgen vergessen lässt. Aber... schluchz... du bist kein Problemkind... du bist das Beste was einer Mutter widerfahren kann. Ihre Stimme erstarb.
Kurz nach diesem Geständnis sähte der Krebs. Umso schlimmer es um meine Stiefmutter stand, umso stärkere Schmerzen sie hatte, bleicher und dünner sie wurde, umso griesgrämiger und streitlustiger wurde mein Stiefvater. Man sollte meinen, dass man alles tut um es denen die man liebt in so einer Situation leichter zu machen. Naja, ich vermutete dass er seelisch schwächer als körperlich war und tat meinerseits alles um es meiner Mum leicht und angenehm zu machen.
Trotzdem dauerte es nachdem der Krebs gesäht hatte, keine drei Monate mehr bis sie starb.
Mein Stiefvater begann zu trinken. Es gibt Personen die werden lustig, unterhaltsam und locker wenn sie betrunken sind. Zu denen gehörte er weiß Gott nicht. Er kam meist spät abends nach Hause - was seit ihrem Tod gar kein zu Hause mehr war. Schlug und trat mich, drückte Zigaretten auf mir aus und tat alles was ihm sonst noch so einfiel.
Warum ich mich nicht wehrte oder weglief? Zum einen, weil er trotz meiner inzwischen 16 Jahre fast einen Kopf größer und 20 Kilogramm schwerer war. Zum anderen fühlte ich mich wegen meiner verstorbenen Stiefmutter verpflichtet bei ihm zu bleiben. Unbestritten hatte sie ihn geliebt.
Warum er mich schlug? Ich sagte zu viel oder zu wenig, im Kühlschrank war zu wenig, etwas zu teures oder etwas falsches, das Haus war nicht sauber und meine Noten zu schlecht. Er fand fast immer einen Grund. Und wenn nicht, war es auch nicht schlimm. Den niemand forderte eine Erklärung...
Fortsetzung folgt...
So blieb es die letzten drei Jahre bis ich alt genug war um auszuziehen. Wäre dies eine Geschichte oder ein Film würde ich jetzt wohl die Zähne zusammenbeißen und um mein Leben und Glück kämpfen. Nun leider ist es weder das eine noch das andere. Ich zog in eine heruntergekommene Ein-Zimmer-Wohnung mit abblätternder Tapete und Schimmel in den Ecken. Mit leckendem Wasserhahn und nur lauwarmem Wasser. Im Haus in dem ich wohnte waren von den 12 Parteien mindestens 9 Harz4-Empfänger. Die Gegend fast ein Ghetto.
Ich begann zu rauchen und kurze Zeit später auch zu trinken. Ich hatte furchtbare Albträume von dem Mobbing in der Schule, den Beerdigungen meiner Eltern und später auch meiner Stiefmutter, den Situationen in denen mich mein Stiefvater verprügelte oder auch als meine Stiefmutter mir beichtete das sie Krebs hatte. Beides half mir irgendwie dabei mich zu entspannen. Meine Vergangenheit und nicht zuletzt auch die Gegenwart auszublenden. Umso länger ich in der Gegend wohnte, ohne Job, Freunde und Familie, umso stärker wurde das Gefühl der Minderwertigkeit. Ein Gefühl was einen bitteren Geschmack im Mund und ein brennendes im Herzen hinterlässt.
Einmal pro Woche ging ich zum Arbeitsamt. Ein-Euro-Jobs in denen ich nach kurzer Zeit
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wieder entlassen wurde obwohl ich mich ernsthaft bemühte mich gut anzustellen. Wisst ihr was es bedeutet wenn: ,,Er hat sich steht’s bemüht…" in einem Zeugnis steht? Es bedeutet :,,Er hat’s versucht aber nie geschafft. Eine Niete!" So etwas zu hören war jedes Mal ein Schlag ins Gesicht für mich. Wie lässt sich das Gefühl am besten erklären.... Stellt euch vor ihr seid bereits erwachsen und man würde euch trotzdem noch mal in die erste Klasse schicken - und ihr wärt der Schlechteste dort.
Von so einem Besuch beim Arbeitsamt kam ich auch, als ich an der Ecke an der auch meine Wohnung lag die Jankies sah. Junge, drogenabhängige Leute, die wie ich erst seit kurzem erwachsen waren und nichts mit sich anzufangen wussten. Sie lachten und erzählten schmutzige Witze. Ihr Leid sah man ihnen nicht an. Es ging gerade eine kleine Tüte mit einem weißen Pulver rum. Ich weiß nicht was mich damals dazu trieb. Vielleicht war ich so niedergeschlagen vom Tag auf dem Arbeitsamt, vielleicht war ich aber auch generell mit meinen Kräften am Ende. Jedenfalls ging ich hin und kaufte etwas von dem Pulver.
Wie ich es schon optisch bei den Jankies gesehen hatte, wirkte das Pulver wahre Wunder. Es war zwar mit 50€ sehr teuer gewesen aber ich wollte die Probleme ja nicht chronisch damit ausblenden, sondern nur ein oder zwei Tage. Also würde ich auch nicht süchtig werden, sagte ich mir. Und so setzte ich mich aufs Bett (die einzige Sitzmöglichkeit in meine Wohnung) und holte das Päckchen aus meiner Jackentasche. Und so begann ich Drogen zu nehmen.
Auch wenn ich mir gesagt hatte das ich sie nur ein oder zweimal nehmen würde, fiel mir immer eine andere Ausrede ein mich selbst zu belügen. Das Arbeitsamt hatte mir heute besonders zu schaffen gemacht, ein echt fieser Albtraum, ich hatte schon wieder nichts essbares im Kühlschrank und auf einmal mehr oder weniger kam es ja ohnehin nicht an.
Schon bald rissen die *gelegentlichen* Drogen eine erhebliche Lücke in mein Portmonai und ich versuchte aufzuhören - versuchte es wirklich. Doch ohne es zu merken war ich längst abhängig geworden. Ich begann das wenige was ich besaß zu verkaufen. Fernseher, Radio, DVD-Player, Bett - alles entbehrlich. Irgendwann gab es nichts mehr zu verkaufen. Ich träumte davon wie ich zum Arbeitsamt ging und sagte: ,,Ich bin so ein guter Arbeitsloser, ich verdiene eine Gehaltserhöhung!", und das erste Mal seit langem wachte ich mit einem Grinsen auf dem Gesicht auf, auch wenn es nicht lange hielt.
Nach mehreren Tagen konnte ich nicht mehr schlafen so sehr brauchte ich die Drogen. Ich wanderte mit zitternden Händen durch die dunklen Gassen. Es war weit nach Mitternacht doch um Zeiten scherte ich mich schon ne ganze Weile nicht mehr. Ich weiß nicht wie ich euch beschreiben soll wie verzweifelt ich damals war. Hier hört es sich sicher nüchtern und sachlich an, aber hat einer schon mal einen Entzug mitgemacht? Oder wenigstens in einer Soap mal gesehen wie so einer abläuft? In Soaps wird ja so einiges dramatisiert, aber wenn da einer gefesselt auf einem Bett liegt, vor Schmerzen schreit, schwitzt und um Hilfe fleht, wenn man richtig sieht das jedes rationale Verhalten passe ist, dann ist das etwa die Situation in der ich mich damals befand. Ich war inzwischen soweit das ich so ziemlich alles für ein noch so winziges Päckchen von egal welcher Drogensorte gegeben hätte. Wenn ich nur wüsste was ich noch geben konnte...
Du verdienst es nicht zu Leben, bring dich um.
Mach einen Bankraub.
Brich irgendwo ein, dann hast du Knete.
Hunderte solcher Ideen schossen mir durch den Kopf. Das einzig Gute, was ich auf die damalige Zeit bezogen sagen kann, ist das ich mich strickt weigerte andere zu verletzen. Ich weiß nicht wie lange ich es noch geschafft hätte auf diesem Standpunkt zu beharren. Lange sicherlich nicht mehr. Oft stand ich in meiner Verzweifelung in der Küche. Ein großes Messer auf meine Kehle gerichtet.
-5-
Wenn du jetzt den Mut aufbringst zuzustechen hast du es in wenigen Minuten hinter dir.
Oder ich saß auf meinem Bett, die Hand voller Schlaftabletten.
Du wirst nichts spüren...
Fest entschlossen mich umzubringen füllte ich Wasser in Tupperboxen die ich dann in die Eistruhe legte. Ein paar Stunden später, nachdem ich einen herzzerreißenden Abschiedsbrief, in der Hoffnung, wer auch immer ihn lese und mich fände, möge es nicht ganz egal sein das ich starb, holte ich die Tupperboxen aus dem Eisfach, und legte mich in die Wanne. Den Wasserhahn drehte ich bei minimalem Strahl so kalt es ging auf. Als die Wanne halb voll war zitterte ich wie verrückt. Ich drehte den Strahl ganz auf und spürte wie das Wasser meinen Brustkorb bedeckte. Mein Atem beschleunigte sich. ,,Das ertrag ich nicht.", dachte ich Zähne klappernd. Warf jedoch trotzdem die riesigen Eiswürfel ins Wasser. Mein Herz raste. Meine Haut brannte vor Kälte. ,,Das überleb ich nicht", dachte ich und schalt mich in der nächsten Sekunde selbst. Ich wollte es doch auch nicht überleben. Irgendwann übernahm mein Lebenswille die Kontrolle und ich wollte mich aus der Wanne ziehen. War allerdings durch die Kälte bereits zu geschwächt dazu. Mit letzter Kraft zog ich den Stöpsel aus der Wanne bevor ich Ohnmächtig wurde. Als ich wieder zu mir kam zitterte ich noch immer. Hilflos schluchzte ich auf. ,,Du Feigling, du Arsch, schreibst so einen Mitleiderregenden Brief vonwegen du ertrügest es nicht mehr und glaubst es sogar selber und dann kneifst du!" Ich schloss dich Augen. Wollte nurnoch in mein warmes, weiches Bett. Natürlich symbolisch gesprochen den mein Bett hatte ich ja bereits vor einigen Wochen verkauft. Nach mehreren Minuten brachte ich endlich die Kraft auf mich aus der Wanne zu ziehen und kuschelte mich in die Ecke aus Decken und Kissen die inzwischen mein Bett ersetzte.
Jedenfalls hatte ich schon einige Male versucht mich zu erlösen und war zu feige gewesen. Nun brauchte ich eine Möglichkeit an Drogen zukommen. Also wie gesagt wanderte ich durch die dunklen Straßen auf der Suche nach der Idee die mich erlöste.
Am Ende einer der vielen Gassen sah ich einen Mann Drogen verkaufte. Ich rannte blind vor Gier hin und fiel vor ihm auf die Knie. ,, Bitte geben Sie mir was! Ich tue was sie wollen!!!"
,,Komm mit Junge" Ich hatte es schon oft in Talkshows zum Thema Drogen und Geldbeschaffung gehört. Mir war natürlich auch klar, dass es das nicht nur für Frauen gab, schließlich gab es ja auch Schwule. Dennoch hatte ich nie bewusst darüber nachgedacht auf diese Weise an Geld zu kommen. Hatte die Möglichkeit vielleicht auch unbewusst verdrängt wegen meiner schulischen Vergangenheit. Nun, sah ich sie und ich nutzte sie auch wenn es mir ein gräul war - ich ging auf den Strich.
Eines morgens nach einer besonders Arbeitsreichen Nacht wachte ich mit Schüttelfrost, Fieber und einem beinah unerträglich brennenden Unterleib auf. Ich drehte mich auf die Seite und krümmte mich zusammen. Tränen traten mir in die Augen sosehr brannte es. ,,Hilfe:", flüsterte ich gequält. Mit meiner *Arbeit* verdiente man zwar viel Geld, aber Drogen waren unglaublich teuer. Das merkte ich das erste Mal bewusst, als ich trotz eines schmerzenden Hinterns weder Geld in meinem Portmonai noch Drogen in meiner Reichweite fand. Gequält griff ich nach meinem Handy. Nein, es gehörte nicht mir, aber mein Zuhälter wollte dass ich erreichbar war um unseren Kunden schneller zu diensten sein zu können. Jedenfalls rief ich ihn an. Ihr denkt er wünschte mir eine gute Besserung und schickte mir die Knete per Post? Weit gefehlt. Ich bekam kurz und knapp gesagt, das ich, wenn ich nicht auftauchen würde, mir einen anderen Job suchen könne und bei ihm nicht mehr aufzutauchen brauche. Ich versuchte daraufhin zwar ernsthaft aufzustehen, doch ich schaffte es bei weitem nicht. Und
das war gut so. Nach fast zwei Tagen war ich fest davon überzeugt zu sterben. Meine
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Situation hatte sich nur in soweit verändert, dass ích seitdem nichts gegessen und kaum getrunken hatte. Außerdem zeigte mein Körper erste, alles andere als angenehme, Entzugserscheinungen. Krämpfe; Atemnot und Herzrasen begannen mich heimzusuchen.
In einem klaren Moment wurde mir eines klar: ,,Wenn du jetzt keine Hilfe bekommst ist dein Leben verwirkt." Ich griff erneut nach dem Handy. Diesmal rief ich 112 an. ,,Bitte... helfen sie mir", war alles was ich sagen konnte bevor mich ein weiterer Krampf heimsuchte und ich gequält wimmerte. Nach einer scheinbaren Ewigkeit hatten sie endlich alle Daten in ihren Computer eingegeben und einen Krankenwagen losgeschickt. Irgendwie muss ich wohl eingedöst oder auch kurz ohnmächtig geworden sein, den als ich meine Augen das nächste Mal öffnete strich mir ein wunderschöner Engel mit zarten Fingern über die Stirn. ,,Haben Sie uns angerufen? Sie brauchen Hilfe?!" Ein Schluchzen kam über meine Lippen und ich nickte heftig. Unwirklich nahm ich wahr wie sie mich auf eine Trage hoben, mir ein Mittel spritzen was die Schmerzen linderte und mich ins Krankenhaus fuhren. Ich blickte dem Engel vom Krankenhausbett an. Sie sprach zu mir. Es kostete mich viel Konzentration ihre Worte zu verstehen. ,,Mein Name ist Sam. Wir sorgen dafür das du einen Entzug machst. Tu dir selbst einen Gefallen und werd nicht rückfällig." Ich nickte und konnte nicht anders als mich ein wenig zu winden. ,,Wirkt das Medikament etwa noch nicht? Hast du noch Schmerzen?" Ich wurde feuerrot und konnte ihr plötzlich nicht mehr in die Augen sehen. Doch als sie weiter drängte beichtete ich es ihr schließlich und eine Krankenschwester kümmerte sich um das Problem *Tripper* Was mochte Engel Sam nur von mir denken? Ein Arbeitsloser, drogensüchtiger Trunkenbold mit einem Tripper. Danach gaben sie mir einen Zettel den ich unterschreiben sollte. Eine Einverständniserklärung dafür das ich dem Entzug zustimmte. Während ich unterschrieb zitterte meine Hand furchtbar. Ich betete das ein Entzug nicht so schmerzhaft und dramatisch war, wie er beispielsweise in Soaps dargestellt wurde.
Doch es war schlimmer. Mir wurden ledernde Fesseln um Arme, Beine und Bauch geschnallt. Am Anfang war es zwar unangenehm aber erträglich. Ich wand mich ein wenig und zitterte. Doch nach knappen zwei Tagen schrie, weinte, bettelte und zitterte ich völlig ohne jede Kontrolle. Sam besuchte mich täglich. Strich mir über die Stirn, hielt meine Hand und redete mir gut zu. Hatte ich, als ich sie anrief gedacht schlimmer als damals zu Hause könne es mir hier nicht gehen? Ich hatte mich geirrt! Wieviel und was man im Leben besser hätte machen können, sieht man immer erst wenn man am Boden war. Und während Sam meine Hand hielt wusste ich plötzlich das ich noch die Chance hatte das Ruder rumzureißen. Ich will damit nicht sagen, dass es ein leichtes war nach dieser Erkenntnis weder Alkohol noch Drogen jemals wieder anzurühren. Nein, ganz im Gegenteil. Es war und ist eine andauernde, kraftzehrende Ausdauerprobe. Wer einmal süchtig war, egal nach was, spürt den drang etwas davon zu nehmen mit einem Teil von sich, der wohl bei jedem verschiedengroß, doch immer vorhanden ist, sein Leben lang. Doch die AA, also die anonymen Alkoholiker, und auch die psychologische Betreuung die ich bekam, halfen mir sehr. Was gibt es noch zu sagen?
Aus jedem Fehler, egal wie klein, lernt man in irgendeiner Weise und so war meine Vergangenheit vielleicht nicht vollends umsonst. Schaut nie auf Bettler, Alkohol- und Drogensüchtige hinab, den ihr könnt nie wirklich vollends die Situation erfassen die ihn oder sie zu dem machte, der er heute ist.
Und so stand er auf, verabschiedete sich sowohl von der Lehrerin, als auch von der bis eben gebannt lauschenden Klasse und ging nach Hause. ,,Geht es dir gut, Liebling?", fragte seine Frau Samantha. ,,Ja, was in der Vergangenheit ist, wird auch dort bleiben!", sagte er lächelnd während er ihrem Sohn durchs Haar fuhr und ihm zärtlich lächelnd seine Polizeimütze aufsetzte. ,,Hoffentlich lernen die Kids aus meinen und nicht ihren eigenen Fehlern, den die Hehler haben wir noch nicht schnappen können!"
Irgendwann begannen sie sich darüber lustig zu machen, dass ich nichts sagte. Ich verteidigte mich nicht - redete nicht. Taten sie es um auszutesten wann ich etwas sagen würde? Oder mich gar wehren würde? Ich weiß es nicht. Aber es wurde schlimmer...
Sie begannen mir auf den Fluren Beine in den Weg zu stellen, Luft aus den Schläuchen meines Fahrrades zu lassen, mich mit Papierkugeln zu bewerfen und sorgten dafür das alle paar Wochen *zufällig* eine Safttüte in meinem Rucksack auslief, was meine Schulbücher von mal zu mal unleserlicher machte. Auch ließen sie kaum eine Möglichkeit aus mir auf den Fluren ,,Was guckst du den so blöd" und ähnliches hinterher zu rufen, so dass ich mir schnell angewöhnte mit gesenktem Blick durch die Gänge zu eilen und mich in Ecken zu verdrücken in die man eher selten sah.
Die Lehrer versuchten ab und zu mich zu integrieren. Zwangen mich bei Schulprojekten mitzumachen und bestraften dann und wann welche von denen die mich mobbten. Aber eher selten da ich nie petzte und die Namen der Schüler (da ich ja fast nur zu Boden sah) eh nicht zuordnen konnte. Außerdem brachten die Strafen, wenn sie den mal welche bekamen, nur geringfügig etwas. Nämlich das sie mich noch stärker mobbten als vorher.
Mein 14. Geburtstag war wohl der schrecklichste Tag in meinem Leben. Zumindest bisher, dass kann ich euch versichern. Es fing an wie jeden Tag. Nicht mal besonders schlimm. Mein Fahrradreifen war ausnahmsweise nur platt und hatte kein Loch. Nachdem ich ihn aufgepumpt hatte, verabschiedete ich mich von meiner Mum. Mein Dad war in der Garage und checkte das Auto. Wenn ich zur Schule fahren würde, würden sie in die Stadt fahren und für unseren Urlaub einkaufen. Ich freute mich schon sehr auf den Urlaub. Auch wenn man sich als Junge in meinem Alter sicher lieber die Zunge abbiss als es zuzugeben, aber ich liebte meine Eltern. Und zwei Wochen mit ihnen und ohne die Schulfolter kamen mir vor wie der Himmel auf Erden.
Sie nahm mich in den Arm und fragte besorgt: ,,Schatz, bist du wirklich sicher das wir nicht umziehen sollen damit du die Schule wechseln kannst?" Ich wollte die Schule wechseln. Mehr als alles andere. Aber wenn wir umzögen müssten meine Eltern ihren Traum von einem eigenen Haus aufgeben. Im Augenblick hatte das Haus durch die aktuelle Marktlage viel an Wert verloren. Wert den es sicher wiedergewinnen würde, wenn es meinen Eltern dann noch gehörte. Jetzt zu verkaufen wäre... dumm.
,, Nein Mum, im Augenblick ist es gar nicht so schlimm. Sorgt euch nicht meinetwegen." Die Lüge kostete mich viel Kraft, aber als sich ihr Gesicht aufhellte machte es die Mühe gleich doppelt wieder wett. Und so schwang ich mich auf den Sattel und fuhr los. Auch während des Unterrichts passierte noch nicht wirklich was Schlimmes. Wie immer. Ich sagte nur etwas wenn der Lehrer mich drannahm und hielt mich von meinen Mitschülern fern. Wir bekamen auch eine Arbeit zurück. Eine zwei. Mist. Ich bemühte mich immer dreien zu schreiben. Durchschnittliche, nicht zu gute - nicht zu schlechte dreien. Dreien wegen denen man nicht noch mehr gemobbt (Streber - Idiot) werden konnte.
Ich kam gerade aus dem Schulgebäude und ging Richtung Fahrradständer als ich die Gruppe
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sah die zwischen mir und meinem Fahrrad stand. Wie ich es gewöhnt war machte ich, möglichst unauffällig, einen leichten Bogen um sie. Als jemand den ich nicht hatte kommen hören / sehen mich in ihre Richtung schubste. Eh ich wusste was los war, griffen sich zwei Jungs meine Arme und hielten sie auf meinem Rücken fest. Die nächsten zwanzig Minuten verdränge ich am liebsten. Es war schmerzhaft und ... sagen wir es so. Ich kann inzwischen gut nachvollziehen warum Vergewaltigungsopfer der Polizei so ungern von ihren Erlebnissen erzählen. Mal im ernst, selbst mir fällt es gerade schwer. Und das obwohl ihr nicht gerade mit einem Notizblock oder gar einer altmodischen Schreibmaschine dasitzt und mich durchdringend anstarrt. Also, wo war ich stehen geblieben... ach ja.
Sie hielten meine Hände auf meinem Rücken fest und mir die Augen zu. Rissen mir meine Jacke und Sweatshirt vom Leib. Erst versuchten sie es auch mit der Hose doch die war zu stabil. Und so zogen sie mich kurzerhand komplett aus. Ich hatte nicht versucht mich zu wehren. Und allein für diese Tatsache ekelte ich mich selber an. Es war kalt. Obwohl es erst Mitte November war lag der Schnee schon dick überall wohin der Blick auch wanderte. Wenn ich vorher nicht vor Angst gezittert hatte, zitterte ich spätestens jetzt vor Kälte. Sie schlugen mich solange bis ich zu schwach war um mich aus eigener Kraft auf den Beinen zu halten. Bis ihr festhalten zu einem Obenhalten wurde. Dann schoben sie mir einen dicken Stock schmerzhaft in den Hintern. Ein hilfloses Schluchzen kam über meine Lippen. Jemand anderes, wie gesagt ich sah nichts, griff nach meinen Hoden und presste sie. Pressen, das drücken von etwas weicherem zwischen zwei konstant harten. Ich schrie gequält. Sie lachten und drückten noch etwas fester. Als ich mir vor Schmerz in die (nicht vorhandene) Hose machte ließen sie lachend von mir ab und gingen weg.
Ich weiß nicht wie lange ich dort zitternd im Schnee lag. Betete verzweifelt darum, dass jemand kam und mich ins warme brachte oder wenigstens Bewusstlos schlug. Eigentlich war mir letzteres sogar lieber. Hier erfrieren. Weder Kälte, Schmerz oder Scham jemals wieder spüren. Ich weiß nicht mehr wann, aber irgendwann wurde ich dann doch endlich ohnmächtig...
Fortsetzung folgt...
Damals hatte mich eine Lehrerin gefunden. Da ich ohnmächtig war, weiß ich es nur, weil es mir eine Krankenschwester erzählte. Sie hatte einen anderen Lehrer gerufen und gemeinsam hatten sie mich ins Krankenzimmer getragen, in ein paar Wolldecken gewickelt und den Notarzt gerufen. Sie versuchten mehrere Tage lang meine Eltern zu informieren, bis schließlich zwei Polizisten vor meinem Bett standen. Eine davon, eine kleine, dünne Polizistin mit zu einem strengen Pferdeschwanz gebundenem, blondem Haar, erzählte mir mit leiser Stimme das meine Eltern bereits vor mehreren Tagen bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. An meinem Geburtstag. Außer ihnen hatte ich keine lebenden Verwandten mehr gehabt. Was nun?
Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, bekam ich einen Platz in einem Kinderheim. Ich würde nicht sagen, dass ich dort glücklich war, aber mir ging es besser. Die Negativität meiner Schulzeit und das positive mit meinen Eltern wurden zu einem beständigen neutral.
Die Kinder des Heims redeten zwar auch nur selten und wenn dann nur das nötigste mit mir (Hast du mal Feuer? Kann ich die Hausaufgaben abschreiben? Du sollst zur Chefin wegen der Beerdigung) Aber da ich noch neu für sie war, waren sie von den Mobbing-Anführern noch nicht so aufgehetzt. Was habe ich nur an mir, dass ich es immer schaffe mich, ohne etwas
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Besonderes zu tun, ins Abseits zu stellen?
Bereits nach nur zwei Monaten wurde ich adoptiert. Meine... ja, wie nannte man die Personen die sich bis dato im Heim um uns gekümmert hatten eigentlich? Erzieherin? Heimbetreuerin? Naja, jedenfalls meinte sie ich hätte unglaubliches Glück gehabt. Kaum ein Junge, oder generell ein Kind, wurde mit 14 Jahren noch adoptiert. Wahrscheinlich nahmen sie es gerade deswegen mit den Hintergrundrecherchen zu meiner Stieffamilie nicht allzu genau...
Als meine neuen Stiefeltern mich abholten, hatte ich bereits kein gutes Gefühl. Die Formalitäten waren bereits zwei Wochen vorher erledigt worden und so musste ich nur meinen Rucksack, in dem ich nur ein paar Kleidungsstücke und meinen MP3 hatte, packen und ins Auto steigen.
Mein Stiefvater, ein 41 jähriger, glatzköpfiger, großer Mann in einem chicen grauen Anzug mit Krawatte und meine schlanke Stiefmutter mit ihren 37 Jahren in ihrem eng anliegenden, geblümten Kleid waren eindeutig vorzeigbar.
Wo fange ich nun am besten an? Und wo höre ich auf?
Wir fuhren mit einem gepflegten, aber schon ein paar Jahre auf dem Buckel habenden Audi mehrere hundert Kilometer bis zu einem kleinen Dorf im grünen. Auf der Fahrt dorthin kam ich schnell mit meiner neuen ,,Nenn mich einfach Mum" Stiefmutter ins Gespräch. Ich erfuhr das sie sich schon immer ein Kind gewünscht hatte, sie zu einem kleinen Haus fuhren, was hoffentlich, wenn alles gut ginge, in 12 Jahren ihnen gehören würde, dass sie von zu Hause aus als Architektin für ein paar, ständig wechselnde Kunden arbeitete.
Dort angekommen führte sie mich durch das ganze Haus und zeigte mir zum Schluss mein Zimmer. Ein kleines, gemütliches Dachgeschoßzimmer mit einem weichen Bett, Fernseher, Kleiderschrank, Schreibtisch und sogar einem gebrauchten Laptop als ,,Willkommen in unserer Familie-Geschenk.
Wochen und sogar Monate vergingen relativ ereignislos. Wieder erwarten fühlte ich mich bei ihnen wohl. In der Schule wurde ich zwar inzwischen wieder geärgert, doch es war eher ein fobben als mobben. Jeder der jemals ein Außenseiter war, dem brauche ich den Unterschied nicht zu erklären. Für alle anderen... lasst mich überlegen wie ich es am Besten formuliere... Stellt euch eine Skala von 1 - 5 vor. Auf dieser ist 5 das schlimmste. Mobben. Fobben gehört eher in die 2-3er Kategorie. Also um wieder aufs Thema zurück zu kommen. Mir ging es relativ gut.
Bis ich das Geheimnis meiner Stiefmutter erfuhr...
Ich suchte meine Stiefmutter. Weswegen das weiß ich heute nicht mehr. Kennt ihr das? Dass, wenn etwas passiert das einen extrem erschüttert oder das Auslöser für etwas stark lebensveränderndes ist, Kleinigkeiten aus eben dieser Zeit aus dem Gedächtnis verschwinden?
Bei mir war es so.
Ich klopfte an ihre Schlafzimmertür, hinter der ich sie vermutete. Durch die Tür drang leise Musik, so dass sie mich vermutlich nicht hörte. Leise öffnete ich sie einen Spalt. Bereit, sie jederzeit blitzschnell wieder zu schließen falls sie sich gerade umzog oder etwas ähnliches. Meine Mutter stand mit dem Rücken zu mir vor ihrem Spiegel. Im Spiel konnte ich ihre Haare sehen - die sie in der Hand hielt. Ich rang nach Luft während sie sich bleich zu mir umdrehte.
Einige Sekunden standen wir schweigend voreinander. Dann atmete sie tief durch, setze sich ihre Perücke wieder auf den Kopf und bat mich, mich hinzusetzen. ,,Ich hätte es dir beichten sollen. Ich möchte dass du verstehst warum ich dir nichts erzählt habe. Schon mein ganzes
Leben habe ich mir Kinder oder wenigstens ein Kind gewünscht. Mein Mann und ich haben
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es beinah 12 Jahre probiert. Nun, sind wir weder jung noch wohlhabend. Zwei Dinge die bei einer Adoption eigentlich fast Pflicht sind. Als auch noch meine Krankheit - der Lungen- und Hirntumor dazukam waren unsere Chancen jemals ein Kind adoptieren zu dürfen praktisch null. Also haben wir diesen Teil... verheimlicht. "
Ihre Augen füllten sich mit Tränen und ihre Aussprache wurde immer undeutlicher während sie weitersprach. ,,Als wir die Zusage bekamen, dich adoptieren zu können, war ich... unbeschreibbar glücklich. Ein eigenes Kind, noch dazu ein 14jähriges Problemkind, das mich meine eigenen Sorgen vergessen lässt. Aber... schluchz... du bist kein Problemkind... du bist das Beste was einer Mutter widerfahren kann. Ihre Stimme erstarb.
Kurz nach diesem Geständnis sähte der Krebs. Umso schlimmer es um meine Stiefmutter stand, umso stärkere Schmerzen sie hatte, bleicher und dünner sie wurde, umso griesgrämiger und streitlustiger wurde mein Stiefvater. Man sollte meinen, dass man alles tut um es denen die man liebt in so einer Situation leichter zu machen. Naja, ich vermutete dass er seelisch schwächer als körperlich war und tat meinerseits alles um es meiner Mum leicht und angenehm zu machen.
Trotzdem dauerte es nachdem der Krebs gesäht hatte, keine drei Monate mehr bis sie starb.
Mein Stiefvater begann zu trinken. Es gibt Personen die werden lustig, unterhaltsam und locker wenn sie betrunken sind. Zu denen gehörte er weiß Gott nicht. Er kam meist spät abends nach Hause - was seit ihrem Tod gar kein zu Hause mehr war. Schlug und trat mich, drückte Zigaretten auf mir aus und tat alles was ihm sonst noch so einfiel.
Warum ich mich nicht wehrte oder weglief? Zum einen, weil er trotz meiner inzwischen 16 Jahre fast einen Kopf größer und 20 Kilogramm schwerer war. Zum anderen fühlte ich mich wegen meiner verstorbenen Stiefmutter verpflichtet bei ihm zu bleiben. Unbestritten hatte sie ihn geliebt.
Warum er mich schlug? Ich sagte zu viel oder zu wenig, im Kühlschrank war zu wenig, etwas zu teures oder etwas falsches, das Haus war nicht sauber und meine Noten zu schlecht. Er fand fast immer einen Grund. Und wenn nicht, war es auch nicht schlimm. Den niemand forderte eine Erklärung...
Fortsetzung folgt...
So blieb es die letzten drei Jahre bis ich alt genug war um auszuziehen. Wäre dies eine Geschichte oder ein Film würde ich jetzt wohl die Zähne zusammenbeißen und um mein Leben und Glück kämpfen. Nun leider ist es weder das eine noch das andere. Ich zog in eine heruntergekommene Ein-Zimmer-Wohnung mit abblätternder Tapete und Schimmel in den Ecken. Mit leckendem Wasserhahn und nur lauwarmem Wasser. Im Haus in dem ich wohnte waren von den 12 Parteien mindestens 9 Harz4-Empfänger. Die Gegend fast ein Ghetto.
Ich begann zu rauchen und kurze Zeit später auch zu trinken. Ich hatte furchtbare Albträume von dem Mobbing in der Schule, den Beerdigungen meiner Eltern und später auch meiner Stiefmutter, den Situationen in denen mich mein Stiefvater verprügelte oder auch als meine Stiefmutter mir beichtete das sie Krebs hatte. Beides half mir irgendwie dabei mich zu entspannen. Meine Vergangenheit und nicht zuletzt auch die Gegenwart auszublenden. Umso länger ich in der Gegend wohnte, ohne Job, Freunde und Familie, umso stärker wurde das Gefühl der Minderwertigkeit. Ein Gefühl was einen bitteren Geschmack im Mund und ein brennendes im Herzen hinterlässt.
Einmal pro Woche ging ich zum Arbeitsamt. Ein-Euro-Jobs in denen ich nach kurzer Zeit
-4-
wieder entlassen wurde obwohl ich mich ernsthaft bemühte mich gut anzustellen. Wisst ihr was es bedeutet wenn: ,,Er hat sich steht’s bemüht…" in einem Zeugnis steht? Es bedeutet :,,Er hat’s versucht aber nie geschafft. Eine Niete!" So etwas zu hören war jedes Mal ein Schlag ins Gesicht für mich. Wie lässt sich das Gefühl am besten erklären.... Stellt euch vor ihr seid bereits erwachsen und man würde euch trotzdem noch mal in die erste Klasse schicken - und ihr wärt der Schlechteste dort.
Von so einem Besuch beim Arbeitsamt kam ich auch, als ich an der Ecke an der auch meine Wohnung lag die Jankies sah. Junge, drogenabhängige Leute, die wie ich erst seit kurzem erwachsen waren und nichts mit sich anzufangen wussten. Sie lachten und erzählten schmutzige Witze. Ihr Leid sah man ihnen nicht an. Es ging gerade eine kleine Tüte mit einem weißen Pulver rum. Ich weiß nicht was mich damals dazu trieb. Vielleicht war ich so niedergeschlagen vom Tag auf dem Arbeitsamt, vielleicht war ich aber auch generell mit meinen Kräften am Ende. Jedenfalls ging ich hin und kaufte etwas von dem Pulver.
Wie ich es schon optisch bei den Jankies gesehen hatte, wirkte das Pulver wahre Wunder. Es war zwar mit 50€ sehr teuer gewesen aber ich wollte die Probleme ja nicht chronisch damit ausblenden, sondern nur ein oder zwei Tage. Also würde ich auch nicht süchtig werden, sagte ich mir. Und so setzte ich mich aufs Bett (die einzige Sitzmöglichkeit in meine Wohnung) und holte das Päckchen aus meiner Jackentasche. Und so begann ich Drogen zu nehmen.
Auch wenn ich mir gesagt hatte das ich sie nur ein oder zweimal nehmen würde, fiel mir immer eine andere Ausrede ein mich selbst zu belügen. Das Arbeitsamt hatte mir heute besonders zu schaffen gemacht, ein echt fieser Albtraum, ich hatte schon wieder nichts essbares im Kühlschrank und auf einmal mehr oder weniger kam es ja ohnehin nicht an.
Schon bald rissen die *gelegentlichen* Drogen eine erhebliche Lücke in mein Portmonai und ich versuchte aufzuhören - versuchte es wirklich. Doch ohne es zu merken war ich längst abhängig geworden. Ich begann das wenige was ich besaß zu verkaufen. Fernseher, Radio, DVD-Player, Bett - alles entbehrlich. Irgendwann gab es nichts mehr zu verkaufen. Ich träumte davon wie ich zum Arbeitsamt ging und sagte: ,,Ich bin so ein guter Arbeitsloser, ich verdiene eine Gehaltserhöhung!", und das erste Mal seit langem wachte ich mit einem Grinsen auf dem Gesicht auf, auch wenn es nicht lange hielt.
Nach mehreren Tagen konnte ich nicht mehr schlafen so sehr brauchte ich die Drogen. Ich wanderte mit zitternden Händen durch die dunklen Gassen. Es war weit nach Mitternacht doch um Zeiten scherte ich mich schon ne ganze Weile nicht mehr. Ich weiß nicht wie ich euch beschreiben soll wie verzweifelt ich damals war. Hier hört es sich sicher nüchtern und sachlich an, aber hat einer schon mal einen Entzug mitgemacht? Oder wenigstens in einer Soap mal gesehen wie so einer abläuft? In Soaps wird ja so einiges dramatisiert, aber wenn da einer gefesselt auf einem Bett liegt, vor Schmerzen schreit, schwitzt und um Hilfe fleht, wenn man richtig sieht das jedes rationale Verhalten passe ist, dann ist das etwa die Situation in der ich mich damals befand. Ich war inzwischen soweit das ich so ziemlich alles für ein noch so winziges Päckchen von egal welcher Drogensorte gegeben hätte. Wenn ich nur wüsste was ich noch geben konnte...
Du verdienst es nicht zu Leben, bring dich um.
Mach einen Bankraub.
Brich irgendwo ein, dann hast du Knete.
Hunderte solcher Ideen schossen mir durch den Kopf. Das einzig Gute, was ich auf die damalige Zeit bezogen sagen kann, ist das ich mich strickt weigerte andere zu verletzen. Ich weiß nicht wie lange ich es noch geschafft hätte auf diesem Standpunkt zu beharren. Lange sicherlich nicht mehr. Oft stand ich in meiner Verzweifelung in der Küche. Ein großes Messer auf meine Kehle gerichtet.
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Wenn du jetzt den Mut aufbringst zuzustechen hast du es in wenigen Minuten hinter dir.
Oder ich saß auf meinem Bett, die Hand voller Schlaftabletten.
Du wirst nichts spüren...
Fest entschlossen mich umzubringen füllte ich Wasser in Tupperboxen die ich dann in die Eistruhe legte. Ein paar Stunden später, nachdem ich einen herzzerreißenden Abschiedsbrief, in der Hoffnung, wer auch immer ihn lese und mich fände, möge es nicht ganz egal sein das ich starb, holte ich die Tupperboxen aus dem Eisfach, und legte mich in die Wanne. Den Wasserhahn drehte ich bei minimalem Strahl so kalt es ging auf. Als die Wanne halb voll war zitterte ich wie verrückt. Ich drehte den Strahl ganz auf und spürte wie das Wasser meinen Brustkorb bedeckte. Mein Atem beschleunigte sich. ,,Das ertrag ich nicht.", dachte ich Zähne klappernd. Warf jedoch trotzdem die riesigen Eiswürfel ins Wasser. Mein Herz raste. Meine Haut brannte vor Kälte. ,,Das überleb ich nicht", dachte ich und schalt mich in der nächsten Sekunde selbst. Ich wollte es doch auch nicht überleben. Irgendwann übernahm mein Lebenswille die Kontrolle und ich wollte mich aus der Wanne ziehen. War allerdings durch die Kälte bereits zu geschwächt dazu. Mit letzter Kraft zog ich den Stöpsel aus der Wanne bevor ich Ohnmächtig wurde. Als ich wieder zu mir kam zitterte ich noch immer. Hilflos schluchzte ich auf. ,,Du Feigling, du Arsch, schreibst so einen Mitleiderregenden Brief vonwegen du ertrügest es nicht mehr und glaubst es sogar selber und dann kneifst du!" Ich schloss dich Augen. Wollte nurnoch in mein warmes, weiches Bett. Natürlich symbolisch gesprochen den mein Bett hatte ich ja bereits vor einigen Wochen verkauft. Nach mehreren Minuten brachte ich endlich die Kraft auf mich aus der Wanne zu ziehen und kuschelte mich in die Ecke aus Decken und Kissen die inzwischen mein Bett ersetzte.
Jedenfalls hatte ich schon einige Male versucht mich zu erlösen und war zu feige gewesen. Nun brauchte ich eine Möglichkeit an Drogen zukommen. Also wie gesagt wanderte ich durch die dunklen Straßen auf der Suche nach der Idee die mich erlöste.
Am Ende einer der vielen Gassen sah ich einen Mann Drogen verkaufte. Ich rannte blind vor Gier hin und fiel vor ihm auf die Knie. ,, Bitte geben Sie mir was! Ich tue was sie wollen!!!"
,,Komm mit Junge" Ich hatte es schon oft in Talkshows zum Thema Drogen und Geldbeschaffung gehört. Mir war natürlich auch klar, dass es das nicht nur für Frauen gab, schließlich gab es ja auch Schwule. Dennoch hatte ich nie bewusst darüber nachgedacht auf diese Weise an Geld zu kommen. Hatte die Möglichkeit vielleicht auch unbewusst verdrängt wegen meiner schulischen Vergangenheit. Nun, sah ich sie und ich nutzte sie auch wenn es mir ein gräul war - ich ging auf den Strich.
Eines morgens nach einer besonders Arbeitsreichen Nacht wachte ich mit Schüttelfrost, Fieber und einem beinah unerträglich brennenden Unterleib auf. Ich drehte mich auf die Seite und krümmte mich zusammen. Tränen traten mir in die Augen sosehr brannte es. ,,Hilfe:", flüsterte ich gequält. Mit meiner *Arbeit* verdiente man zwar viel Geld, aber Drogen waren unglaublich teuer. Das merkte ich das erste Mal bewusst, als ich trotz eines schmerzenden Hinterns weder Geld in meinem Portmonai noch Drogen in meiner Reichweite fand. Gequält griff ich nach meinem Handy. Nein, es gehörte nicht mir, aber mein Zuhälter wollte dass ich erreichbar war um unseren Kunden schneller zu diensten sein zu können. Jedenfalls rief ich ihn an. Ihr denkt er wünschte mir eine gute Besserung und schickte mir die Knete per Post? Weit gefehlt. Ich bekam kurz und knapp gesagt, das ich, wenn ich nicht auftauchen würde, mir einen anderen Job suchen könne und bei ihm nicht mehr aufzutauchen brauche. Ich versuchte daraufhin zwar ernsthaft aufzustehen, doch ich schaffte es bei weitem nicht. Und
das war gut so. Nach fast zwei Tagen war ich fest davon überzeugt zu sterben. Meine
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Situation hatte sich nur in soweit verändert, dass ích seitdem nichts gegessen und kaum getrunken hatte. Außerdem zeigte mein Körper erste, alles andere als angenehme, Entzugserscheinungen. Krämpfe; Atemnot und Herzrasen begannen mich heimzusuchen.
In einem klaren Moment wurde mir eines klar: ,,Wenn du jetzt keine Hilfe bekommst ist dein Leben verwirkt." Ich griff erneut nach dem Handy. Diesmal rief ich 112 an. ,,Bitte... helfen sie mir", war alles was ich sagen konnte bevor mich ein weiterer Krampf heimsuchte und ich gequält wimmerte. Nach einer scheinbaren Ewigkeit hatten sie endlich alle Daten in ihren Computer eingegeben und einen Krankenwagen losgeschickt. Irgendwie muss ich wohl eingedöst oder auch kurz ohnmächtig geworden sein, den als ich meine Augen das nächste Mal öffnete strich mir ein wunderschöner Engel mit zarten Fingern über die Stirn. ,,Haben Sie uns angerufen? Sie brauchen Hilfe?!" Ein Schluchzen kam über meine Lippen und ich nickte heftig. Unwirklich nahm ich wahr wie sie mich auf eine Trage hoben, mir ein Mittel spritzen was die Schmerzen linderte und mich ins Krankenhaus fuhren. Ich blickte dem Engel vom Krankenhausbett an. Sie sprach zu mir. Es kostete mich viel Konzentration ihre Worte zu verstehen. ,,Mein Name ist Sam. Wir sorgen dafür das du einen Entzug machst. Tu dir selbst einen Gefallen und werd nicht rückfällig." Ich nickte und konnte nicht anders als mich ein wenig zu winden. ,,Wirkt das Medikament etwa noch nicht? Hast du noch Schmerzen?" Ich wurde feuerrot und konnte ihr plötzlich nicht mehr in die Augen sehen. Doch als sie weiter drängte beichtete ich es ihr schließlich und eine Krankenschwester kümmerte sich um das Problem *Tripper* Was mochte Engel Sam nur von mir denken? Ein Arbeitsloser, drogensüchtiger Trunkenbold mit einem Tripper. Danach gaben sie mir einen Zettel den ich unterschreiben sollte. Eine Einverständniserklärung dafür das ich dem Entzug zustimmte. Während ich unterschrieb zitterte meine Hand furchtbar. Ich betete das ein Entzug nicht so schmerzhaft und dramatisch war, wie er beispielsweise in Soaps dargestellt wurde.
Doch es war schlimmer. Mir wurden ledernde Fesseln um Arme, Beine und Bauch geschnallt. Am Anfang war es zwar unangenehm aber erträglich. Ich wand mich ein wenig und zitterte. Doch nach knappen zwei Tagen schrie, weinte, bettelte und zitterte ich völlig ohne jede Kontrolle. Sam besuchte mich täglich. Strich mir über die Stirn, hielt meine Hand und redete mir gut zu. Hatte ich, als ich sie anrief gedacht schlimmer als damals zu Hause könne es mir hier nicht gehen? Ich hatte mich geirrt! Wieviel und was man im Leben besser hätte machen können, sieht man immer erst wenn man am Boden war. Und während Sam meine Hand hielt wusste ich plötzlich das ich noch die Chance hatte das Ruder rumzureißen. Ich will damit nicht sagen, dass es ein leichtes war nach dieser Erkenntnis weder Alkohol noch Drogen jemals wieder anzurühren. Nein, ganz im Gegenteil. Es war und ist eine andauernde, kraftzehrende Ausdauerprobe. Wer einmal süchtig war, egal nach was, spürt den drang etwas davon zu nehmen mit einem Teil von sich, der wohl bei jedem verschiedengroß, doch immer vorhanden ist, sein Leben lang. Doch die AA, also die anonymen Alkoholiker, und auch die psychologische Betreuung die ich bekam, halfen mir sehr. Was gibt es noch zu sagen?
Aus jedem Fehler, egal wie klein, lernt man in irgendeiner Weise und so war meine Vergangenheit vielleicht nicht vollends umsonst. Schaut nie auf Bettler, Alkohol- und Drogensüchtige hinab, den ihr könnt nie wirklich vollends die Situation erfassen die ihn oder sie zu dem machte, der er heute ist.
Und so stand er auf, verabschiedete sich sowohl von der Lehrerin, als auch von der bis eben gebannt lauschenden Klasse und ging nach Hause. ,,Geht es dir gut, Liebling?", fragte seine Frau Samantha. ,,Ja, was in der Vergangenheit ist, wird auch dort bleiben!", sagte er lächelnd während er ihrem Sohn durchs Haar fuhr und ihm zärtlich lächelnd seine Polizeimütze aufsetzte. ,,Hoffentlich lernen die Kids aus meinen und nicht ihren eigenen Fehlern, den die Hehler haben wir noch nicht schnappen können!"
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